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Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. I. Band.

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Was dich betrifft, so habe ich gewisse Kundschaft, daß du zu Lübeck erzählt
hast, deine Reise nach Moskau gehe vornehmlich dahin, Unfrieden zwischen
Schweden und Moskau anzurichten." Darauf bat ich: "Fürstliche Durch¬
laucht wollen mir Beide, den. von dem Sie solches haben, und den, zu
welchem ich es geredet haben soll, namhaft machen, denn ich kann bei Gott
und meinem Gewissen bezeugen, daß kein redlicher Mann sich mit Wahrheit
rühmen kann, jemals so etwas von mir gehört zu haben. Auch können
fürstliche Durchlaucht als ein Hochweiser Fürst gnädig abnehmen, ob mir als
einem Diener gebührt halte, so etwas in allen Wirthshäusern zu publiciren,
oder einem Jeden zu vertrauen, selbst wenn ich solchen Auftrag gehabt hätte."
Hierauf sagte einer von den Reichsräthen: "Da bekennt er es jetzo selber."
Da ich hörte, daß er mich durch meine Reden gefährden wollte, bat ich ihn,
meine Worte nicht anders auszulegen, als wie sie geredet worden, und be¬
zog mich deswegen auf fürstliche Durchlaucht, welche sie gehört hätten. Der
Herzog sagte Nichts darauf, sondern lächelte nur ein Wenig.

Darauf frug er mich, ob ich nicht auch Schreiben vom Erzherzog
Matthias gehabt hätte. Ich antwortete: "Nein." Als er aber wieder in
mich drang, ich hätte ja Schreiben von ihm gehabt, und ich ihm zur Ant¬
wort gab, ich könnte das Gegentheil bei meinem Gott bezeugen, spricht er
ganz ungestüm: "El, was weiß ich, was du für einen Gott hast", und
das redete er darum, weil er meinte, ich wäre der katholischen Religion zu¬
gethan. Indem trat einer von den Reichsräthen etwas vor und sagte leise
zu dem Herzog: "Vielleicht aber von dem Erzherzog Maximilian." Darauf
fragte der Herzog, der sich sonder Zweifel vorher im Namen geirrt, alsbald:
"Oder hast du vom Erzherzog Maximilian Schreiben gehabt?" Ich sagte: "Ja."
Darüber verstummte er sogleich; denn wie ich nachher erfuhr, hatte ihm mein
Dolmetsch zu verstehen gegeben, daß ich dies aufs Höchste leugnen würde.
Darauf fragte mich der Herzog weiter, wo ich zu Lübeck meine Herberge ge¬
habt. Als ich aber in der Sorge, daß er vom Dolmetsch auch darüber be¬
reits berichtet worden, antwortete, daß ich bei Caspar Kron in Herberge
gelegen, rief er: "Bei dem schwarzen Schelm, der seit vielen Jah.en der
Krone Schweden Verdruß und böjen Willen bewiesen, der dem Feind wäh¬
rend des Krieges Rüstung und Munition zugeführt hat. Ich wünsche nichts
mehr, als daß ich ihn ebenso in meinen Händen hätte wie dich. Es sollte
kein Baum in Schweden zu gut und hoch sein, er sollte daran hängen. Weil
du dich bei dem Manne ausgehalten, ist leicht zu erachten, daß deine Sache
auch nicht richtig ist, und daß du mit ihm Anschläge gegen die Krone
Schweden gemacht hast. Darum will ich endlich von dir wissen, was du
in Moskau verrichten solltest. Oder aber, so wahr ich adlich geboren bin,
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Was dich betrifft, so habe ich gewisse Kundschaft, daß du zu Lübeck erzählt
hast, deine Reise nach Moskau gehe vornehmlich dahin, Unfrieden zwischen
Schweden und Moskau anzurichten." Darauf bat ich: „Fürstliche Durch¬
laucht wollen mir Beide, den. von dem Sie solches haben, und den, zu
welchem ich es geredet haben soll, namhaft machen, denn ich kann bei Gott
und meinem Gewissen bezeugen, daß kein redlicher Mann sich mit Wahrheit
rühmen kann, jemals so etwas von mir gehört zu haben. Auch können
fürstliche Durchlaucht als ein Hochweiser Fürst gnädig abnehmen, ob mir als
einem Diener gebührt halte, so etwas in allen Wirthshäusern zu publiciren,
oder einem Jeden zu vertrauen, selbst wenn ich solchen Auftrag gehabt hätte."
Hierauf sagte einer von den Reichsräthen: „Da bekennt er es jetzo selber."
Da ich hörte, daß er mich durch meine Reden gefährden wollte, bat ich ihn,
meine Worte nicht anders auszulegen, als wie sie geredet worden, und be¬
zog mich deswegen auf fürstliche Durchlaucht, welche sie gehört hätten. Der
Herzog sagte Nichts darauf, sondern lächelte nur ein Wenig.

Darauf frug er mich, ob ich nicht auch Schreiben vom Erzherzog
Matthias gehabt hätte. Ich antwortete: „Nein." Als er aber wieder in
mich drang, ich hätte ja Schreiben von ihm gehabt, und ich ihm zur Ant¬
wort gab, ich könnte das Gegentheil bei meinem Gott bezeugen, spricht er
ganz ungestüm: „El, was weiß ich, was du für einen Gott hast", und
das redete er darum, weil er meinte, ich wäre der katholischen Religion zu¬
gethan. Indem trat einer von den Reichsräthen etwas vor und sagte leise
zu dem Herzog: „Vielleicht aber von dem Erzherzog Maximilian." Darauf
fragte der Herzog, der sich sonder Zweifel vorher im Namen geirrt, alsbald:
„Oder hast du vom Erzherzog Maximilian Schreiben gehabt?" Ich sagte: „Ja."
Darüber verstummte er sogleich; denn wie ich nachher erfuhr, hatte ihm mein
Dolmetsch zu verstehen gegeben, daß ich dies aufs Höchste leugnen würde.
Darauf fragte mich der Herzog weiter, wo ich zu Lübeck meine Herberge ge¬
habt. Als ich aber in der Sorge, daß er vom Dolmetsch auch darüber be¬
reits berichtet worden, antwortete, daß ich bei Caspar Kron in Herberge
gelegen, rief er: „Bei dem schwarzen Schelm, der seit vielen Jah.en der
Krone Schweden Verdruß und böjen Willen bewiesen, der dem Feind wäh¬
rend des Krieges Rüstung und Munition zugeführt hat. Ich wünsche nichts
mehr, als daß ich ihn ebenso in meinen Händen hätte wie dich. Es sollte
kein Baum in Schweden zu gut und hoch sein, er sollte daran hängen. Weil
du dich bei dem Manne ausgehalten, ist leicht zu erachten, daß deine Sache
auch nicht richtig ist, und daß du mit ihm Anschläge gegen die Krone
Schweden gemacht hast. Darum will ich endlich von dir wissen, was du
in Moskau verrichten solltest. Oder aber, so wahr ich adlich geboren bin,
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[0479] Was dich betrifft, so habe ich gewisse Kundschaft, daß du zu Lübeck erzählt hast, deine Reise nach Moskau gehe vornehmlich dahin, Unfrieden zwischen Schweden und Moskau anzurichten." Darauf bat ich: „Fürstliche Durch¬ laucht wollen mir Beide, den. von dem Sie solches haben, und den, zu welchem ich es geredet haben soll, namhaft machen, denn ich kann bei Gott und meinem Gewissen bezeugen, daß kein redlicher Mann sich mit Wahrheit rühmen kann, jemals so etwas von mir gehört zu haben. Auch können fürstliche Durchlaucht als ein Hochweiser Fürst gnädig abnehmen, ob mir als einem Diener gebührt halte, so etwas in allen Wirthshäusern zu publiciren, oder einem Jeden zu vertrauen, selbst wenn ich solchen Auftrag gehabt hätte." Hierauf sagte einer von den Reichsräthen: „Da bekennt er es jetzo selber." Da ich hörte, daß er mich durch meine Reden gefährden wollte, bat ich ihn, meine Worte nicht anders auszulegen, als wie sie geredet worden, und be¬ zog mich deswegen auf fürstliche Durchlaucht, welche sie gehört hätten. Der Herzog sagte Nichts darauf, sondern lächelte nur ein Wenig. Darauf frug er mich, ob ich nicht auch Schreiben vom Erzherzog Matthias gehabt hätte. Ich antwortete: „Nein." Als er aber wieder in mich drang, ich hätte ja Schreiben von ihm gehabt, und ich ihm zur Ant¬ wort gab, ich könnte das Gegentheil bei meinem Gott bezeugen, spricht er ganz ungestüm: „El, was weiß ich, was du für einen Gott hast", und das redete er darum, weil er meinte, ich wäre der katholischen Religion zu¬ gethan. Indem trat einer von den Reichsräthen etwas vor und sagte leise zu dem Herzog: „Vielleicht aber von dem Erzherzog Maximilian." Darauf fragte der Herzog, der sich sonder Zweifel vorher im Namen geirrt, alsbald: „Oder hast du vom Erzherzog Maximilian Schreiben gehabt?" Ich sagte: „Ja." Darüber verstummte er sogleich; denn wie ich nachher erfuhr, hatte ihm mein Dolmetsch zu verstehen gegeben, daß ich dies aufs Höchste leugnen würde. Darauf fragte mich der Herzog weiter, wo ich zu Lübeck meine Herberge ge¬ habt. Als ich aber in der Sorge, daß er vom Dolmetsch auch darüber be¬ reits berichtet worden, antwortete, daß ich bei Caspar Kron in Herberge gelegen, rief er: „Bei dem schwarzen Schelm, der seit vielen Jah.en der Krone Schweden Verdruß und böjen Willen bewiesen, der dem Feind wäh¬ rend des Krieges Rüstung und Munition zugeführt hat. Ich wünsche nichts mehr, als daß ich ihn ebenso in meinen Händen hätte wie dich. Es sollte kein Baum in Schweden zu gut und hoch sein, er sollte daran hängen. Weil du dich bei dem Manne ausgehalten, ist leicht zu erachten, daß deine Sache auch nicht richtig ist, und daß du mit ihm Anschläge gegen die Krone Schweden gemacht hast. Darum will ich endlich von dir wissen, was du in Moskau verrichten solltest. Oder aber, so wahr ich adlich geboren bin, ' 59

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_120192/479>, abgerufen am 28.09.2024.