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Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. I. Band.

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mich davor behüten; des Königs Zorn sei eine Bürde, die ich mir zu er¬
tragen nicht getraute. Aber königliche Majestät möge mir nicht Unmögliches
zumuthen und nicht begehren, daß ich etwas aussage, wovon ich keine
Wissenschaft hätte. Darauf sagte der Secretair, er hätte gehört, daß ich eine
Zeitlang in Hispanien gewesen; wäre ich dort der Inquisition entgangen, so
sollte ich hier in Schweden erst recht hineinkommen. Ich antwortete: "Ich
habe gehofft, in eines christlichen Königs Händen zu sein, welcher mir keine
Gewalt zufügen wird; sollte das aber gegen meine Hoffnung geschehen, so
muß ich es Gott anheim geben."

Am 24. December bin ich wieder vor den Herzog und die Reichsrathe
gefordert worden. Der Herzog empfing mich mit den Worten: "Erich. Erich,
du bist gar halsstarrig." Als ich aber dagegen sagte, daß ich fürstliche
Durchlaucht bitte, mein Benehmen nicht so zu deuten, sagteer: "Wann du
etwa Scheu trägst, deine Sachen vor Jedermann an Tag zu geben, so
will ich die Herren Reichsrathe abtreten lassen und dich allein darüber ver¬
nehmen." Ich antwortete: "Ich würde fürstlicher Durchlaucht nicht mehr
sagen können, als bereits geschehen; es ist also unnöthig, daß die Herren
abtreten." Er wandte dagegen ein. "Es ist gleichwol nicht umsonst, daß du
die Briefe verbrannt hast, denn wenn nichts Verdächtiges darin war, so
weiß ich nicht, warum du solches gethan." Ich berichtete: "Ich habe so
gehandelt aus Dienstpflicht, denn da die Schreiben an den Großfürst in
Moskau gerichtet waren, und ich sah, daß mir der Weg verlegt war, so
wollte ich meines Herrn Briefe nicht in andere Hände kommen lassen." Darauf
sagte der Herzog: "Ich will gleichwol wissen, was der Kaiser allezeit für
Correspondenz mit dem Moskoviter hat. Ich besorge, die armen Schweden
müssen darum Haare lassen." Ich antwortete: "Die Correspondenz zwischen
kaiserlicher Majestät und dem Großfürsten ist nicht neu, oder von der kaiser¬
lichen Majestät bei jetzt währendem Kriege zwischen Moskau und Schweden
angefangen, sondern vor vielen Jahren von deren hochlöblichen Vorfahren
begonnen, und zuletzt durch die kaiserliche Majestät immer continuirt worden;
und dabei ist nichts Heimliches oder Gefährliches, denn beide Theile haben
ihre Gesandten öffentlich einander geschickt, und die moskovitische Botschaft
hat mehr als einmal den Reichstagen beigewohnt."

Der Herzog antwortete wieder: "Um so ärger, daß man mit einem
solchen Unchristew und Bluthund dergleichen Einvernehmen hat. Wenn die
Schweden es nicht mit ihrem Gut und Blut abgewendet hätten, so hätte er schon
längst sein Lager mitten in Deutschland aufgeschlagen. Aber wenn ihr Oest¬
reicher uns Schweden den Russen über den Hals hetzt, so wollen wir euch
Türken und Tartaren auf den Kopf setzen. Wir wollen sehen, wie wir uns
des Russen erwehren. Beißt ihr euch hernach mit Türken und Tartaren.


mich davor behüten; des Königs Zorn sei eine Bürde, die ich mir zu er¬
tragen nicht getraute. Aber königliche Majestät möge mir nicht Unmögliches
zumuthen und nicht begehren, daß ich etwas aussage, wovon ich keine
Wissenschaft hätte. Darauf sagte der Secretair, er hätte gehört, daß ich eine
Zeitlang in Hispanien gewesen; wäre ich dort der Inquisition entgangen, so
sollte ich hier in Schweden erst recht hineinkommen. Ich antwortete: „Ich
habe gehofft, in eines christlichen Königs Händen zu sein, welcher mir keine
Gewalt zufügen wird; sollte das aber gegen meine Hoffnung geschehen, so
muß ich es Gott anheim geben."

Am 24. December bin ich wieder vor den Herzog und die Reichsrathe
gefordert worden. Der Herzog empfing mich mit den Worten: „Erich. Erich,
du bist gar halsstarrig." Als ich aber dagegen sagte, daß ich fürstliche
Durchlaucht bitte, mein Benehmen nicht so zu deuten, sagteer: „Wann du
etwa Scheu trägst, deine Sachen vor Jedermann an Tag zu geben, so
will ich die Herren Reichsrathe abtreten lassen und dich allein darüber ver¬
nehmen." Ich antwortete: „Ich würde fürstlicher Durchlaucht nicht mehr
sagen können, als bereits geschehen; es ist also unnöthig, daß die Herren
abtreten." Er wandte dagegen ein. „Es ist gleichwol nicht umsonst, daß du
die Briefe verbrannt hast, denn wenn nichts Verdächtiges darin war, so
weiß ich nicht, warum du solches gethan." Ich berichtete: „Ich habe so
gehandelt aus Dienstpflicht, denn da die Schreiben an den Großfürst in
Moskau gerichtet waren, und ich sah, daß mir der Weg verlegt war, so
wollte ich meines Herrn Briefe nicht in andere Hände kommen lassen." Darauf
sagte der Herzog: „Ich will gleichwol wissen, was der Kaiser allezeit für
Correspondenz mit dem Moskoviter hat. Ich besorge, die armen Schweden
müssen darum Haare lassen." Ich antwortete: „Die Correspondenz zwischen
kaiserlicher Majestät und dem Großfürsten ist nicht neu, oder von der kaiser¬
lichen Majestät bei jetzt währendem Kriege zwischen Moskau und Schweden
angefangen, sondern vor vielen Jahren von deren hochlöblichen Vorfahren
begonnen, und zuletzt durch die kaiserliche Majestät immer continuirt worden;
und dabei ist nichts Heimliches oder Gefährliches, denn beide Theile haben
ihre Gesandten öffentlich einander geschickt, und die moskovitische Botschaft
hat mehr als einmal den Reichstagen beigewohnt."

Der Herzog antwortete wieder: „Um so ärger, daß man mit einem
solchen Unchristew und Bluthund dergleichen Einvernehmen hat. Wenn die
Schweden es nicht mit ihrem Gut und Blut abgewendet hätten, so hätte er schon
längst sein Lager mitten in Deutschland aufgeschlagen. Aber wenn ihr Oest¬
reicher uns Schweden den Russen über den Hals hetzt, so wollen wir euch
Türken und Tartaren auf den Kopf setzen. Wir wollen sehen, wie wir uns
des Russen erwehren. Beißt ihr euch hernach mit Türken und Tartaren.


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[0478] mich davor behüten; des Königs Zorn sei eine Bürde, die ich mir zu er¬ tragen nicht getraute. Aber königliche Majestät möge mir nicht Unmögliches zumuthen und nicht begehren, daß ich etwas aussage, wovon ich keine Wissenschaft hätte. Darauf sagte der Secretair, er hätte gehört, daß ich eine Zeitlang in Hispanien gewesen; wäre ich dort der Inquisition entgangen, so sollte ich hier in Schweden erst recht hineinkommen. Ich antwortete: „Ich habe gehofft, in eines christlichen Königs Händen zu sein, welcher mir keine Gewalt zufügen wird; sollte das aber gegen meine Hoffnung geschehen, so muß ich es Gott anheim geben." Am 24. December bin ich wieder vor den Herzog und die Reichsrathe gefordert worden. Der Herzog empfing mich mit den Worten: „Erich. Erich, du bist gar halsstarrig." Als ich aber dagegen sagte, daß ich fürstliche Durchlaucht bitte, mein Benehmen nicht so zu deuten, sagteer: „Wann du etwa Scheu trägst, deine Sachen vor Jedermann an Tag zu geben, so will ich die Herren Reichsrathe abtreten lassen und dich allein darüber ver¬ nehmen." Ich antwortete: „Ich würde fürstlicher Durchlaucht nicht mehr sagen können, als bereits geschehen; es ist also unnöthig, daß die Herren abtreten." Er wandte dagegen ein. „Es ist gleichwol nicht umsonst, daß du die Briefe verbrannt hast, denn wenn nichts Verdächtiges darin war, so weiß ich nicht, warum du solches gethan." Ich berichtete: „Ich habe so gehandelt aus Dienstpflicht, denn da die Schreiben an den Großfürst in Moskau gerichtet waren, und ich sah, daß mir der Weg verlegt war, so wollte ich meines Herrn Briefe nicht in andere Hände kommen lassen." Darauf sagte der Herzog: „Ich will gleichwol wissen, was der Kaiser allezeit für Correspondenz mit dem Moskoviter hat. Ich besorge, die armen Schweden müssen darum Haare lassen." Ich antwortete: „Die Correspondenz zwischen kaiserlicher Majestät und dem Großfürsten ist nicht neu, oder von der kaiser¬ lichen Majestät bei jetzt währendem Kriege zwischen Moskau und Schweden angefangen, sondern vor vielen Jahren von deren hochlöblichen Vorfahren begonnen, und zuletzt durch die kaiserliche Majestät immer continuirt worden; und dabei ist nichts Heimliches oder Gefährliches, denn beide Theile haben ihre Gesandten öffentlich einander geschickt, und die moskovitische Botschaft hat mehr als einmal den Reichstagen beigewohnt." Der Herzog antwortete wieder: „Um so ärger, daß man mit einem solchen Unchristew und Bluthund dergleichen Einvernehmen hat. Wenn die Schweden es nicht mit ihrem Gut und Blut abgewendet hätten, so hätte er schon längst sein Lager mitten in Deutschland aufgeschlagen. Aber wenn ihr Oest¬ reicher uns Schweden den Russen über den Hals hetzt, so wollen wir euch Türken und Tartaren auf den Kopf setzen. Wir wollen sehen, wie wir uns des Russen erwehren. Beißt ihr euch hernach mit Türken und Tartaren.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_120192/478>, abgerufen am 28.09.2024.