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Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. I. Band.

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hätte, als dich; ich will darum munter mit dir herumspringen." Als ich
aber dazu stillschwieg, wandte er sich zu den Reichsräthen und sagte, er sähe
mich dafür an, daß ich wol schon mehr Reisen nach dem Galgen gemacht
hätte. -- Als ich aber auch nichts antwortete, fragte er mich, ob ich
Kriegsbrauch wüßte, und da ich ihm zur Antwort gab, daß ich ein wenig
davon erfahren und mich darin versucht hätte, da sprach er: "Wenn
man solche Vögel fängt, läßt man sie wol singen, und wenn sie genug ge¬
sungen haben, hängt man sie an einen dürren Baum. Das kann dir auch
wieder passiren." Ich replicirte: "Ich bin kein solcher, sondern ein ehrlicher
von Adel, und habe Ehre und Tugend von meinen adeligen Vorfahren seit
etlichen hundert Jahren her geerbt, die will ich auch, geliebt es Gott, mit
mir ins Grab nehmen; und da fürstliche Durchlaucht meinen wahren Worten
keinen Glauben geben wollen, so mögen Sie hinaus an die hochkaiserliche
Majestät schicken und sich nach meinen Verhältnissen erkundigen. Bin ich
nicht, wofür ich mich ausgebe, oder weiß die kaiserliche Majestät nichts von
mir, so mögen fürstliche Durchlaucht alsdann mich nach höchster Ungnade
strafen. Unterdeß aber ist meine unterthänigste Bitte, fürstliche Durchlaucht
wollen die acht oder neun Wochen, bis der Bote hin - und zuückreisen kann,
Geduld haben und keine Gewalt an mir üben." Als aber er mir darauf
den Bescheid gab: "Ich will mit der kaiserlichen Majestät nichts zu thun
haben, sondern allein mit dir," wandte ich dagegen ein: "Fürstliche Durch¬
laucht würden sich an mir armem Gesellen schlecht erholen und mit der ge¬
ringen Hand voll Blut Ihrem Land und Leuten wenig Nutzen schaffen."
Er antwortete : "Du wirst wol anders reden und besser daran müssen, wenn
dir ein anderer Frager an die Seite gestellt wird." Und nachdem er mir
Frist bis auf den 24. December gegeben, mich zu bedenken, hat er mich von
sich weggeschafft und dem Hofmarschall befohlen, mich wohl zu verwahren.
Als diesen der Wachtmeister frug, ob er mich in Eisen schlagen sollte, sagte
er nein, und so habe ich in die Wachtmeisterkammer in einer Bastei gehen
müssen, wo mich allezeit etliche Schützen bewachten.

Etwa eine Stunde darauf kommt der Marschalk mit einem Secretär
und königlichen Rath zu mir in die Kammer, zeigen an, es sei des Königs
und Herzogs Befehl, daß man mich untersuchen solle, ob ich nicht noch etwas
von Briefen bet mir hätte. Ich habe im bloßen Hemd vor ihnen stehen
müssen, und sie haben Alles, sonderlich die Sohlen der Stiefel, aufs Genaueste
untersucht. Da sie aber nichts fanden, als ein Schreibtäflein. Gebetbuch und
Fazenetlein (Taschentuch), haben sie das Schreibtäflein mit sich genommen
und dagegen protestirt, daß sie kein Geld, sondern nur Briefe bet mir suchten,
haben mich daneben vermahnt, ich sollte, um ein Unglück zu verhüten, nicht
des Königs Zorn auf mich laden. Ich gab ihnen zur Antwort. Gott wolle


Grenzboten I. 1869. 59

hätte, als dich; ich will darum munter mit dir herumspringen." Als ich
aber dazu stillschwieg, wandte er sich zu den Reichsräthen und sagte, er sähe
mich dafür an, daß ich wol schon mehr Reisen nach dem Galgen gemacht
hätte. — Als ich aber auch nichts antwortete, fragte er mich, ob ich
Kriegsbrauch wüßte, und da ich ihm zur Antwort gab, daß ich ein wenig
davon erfahren und mich darin versucht hätte, da sprach er: „Wenn
man solche Vögel fängt, läßt man sie wol singen, und wenn sie genug ge¬
sungen haben, hängt man sie an einen dürren Baum. Das kann dir auch
wieder passiren." Ich replicirte: „Ich bin kein solcher, sondern ein ehrlicher
von Adel, und habe Ehre und Tugend von meinen adeligen Vorfahren seit
etlichen hundert Jahren her geerbt, die will ich auch, geliebt es Gott, mit
mir ins Grab nehmen; und da fürstliche Durchlaucht meinen wahren Worten
keinen Glauben geben wollen, so mögen Sie hinaus an die hochkaiserliche
Majestät schicken und sich nach meinen Verhältnissen erkundigen. Bin ich
nicht, wofür ich mich ausgebe, oder weiß die kaiserliche Majestät nichts von
mir, so mögen fürstliche Durchlaucht alsdann mich nach höchster Ungnade
strafen. Unterdeß aber ist meine unterthänigste Bitte, fürstliche Durchlaucht
wollen die acht oder neun Wochen, bis der Bote hin - und zuückreisen kann,
Geduld haben und keine Gewalt an mir üben." Als aber er mir darauf
den Bescheid gab: „Ich will mit der kaiserlichen Majestät nichts zu thun
haben, sondern allein mit dir," wandte ich dagegen ein: „Fürstliche Durch¬
laucht würden sich an mir armem Gesellen schlecht erholen und mit der ge¬
ringen Hand voll Blut Ihrem Land und Leuten wenig Nutzen schaffen."
Er antwortete : „Du wirst wol anders reden und besser daran müssen, wenn
dir ein anderer Frager an die Seite gestellt wird." Und nachdem er mir
Frist bis auf den 24. December gegeben, mich zu bedenken, hat er mich von
sich weggeschafft und dem Hofmarschall befohlen, mich wohl zu verwahren.
Als diesen der Wachtmeister frug, ob er mich in Eisen schlagen sollte, sagte
er nein, und so habe ich in die Wachtmeisterkammer in einer Bastei gehen
müssen, wo mich allezeit etliche Schützen bewachten.

Etwa eine Stunde darauf kommt der Marschalk mit einem Secretär
und königlichen Rath zu mir in die Kammer, zeigen an, es sei des Königs
und Herzogs Befehl, daß man mich untersuchen solle, ob ich nicht noch etwas
von Briefen bet mir hätte. Ich habe im bloßen Hemd vor ihnen stehen
müssen, und sie haben Alles, sonderlich die Sohlen der Stiefel, aufs Genaueste
untersucht. Da sie aber nichts fanden, als ein Schreibtäflein. Gebetbuch und
Fazenetlein (Taschentuch), haben sie das Schreibtäflein mit sich genommen
und dagegen protestirt, daß sie kein Geld, sondern nur Briefe bet mir suchten,
haben mich daneben vermahnt, ich sollte, um ein Unglück zu verhüten, nicht
des Königs Zorn auf mich laden. Ich gab ihnen zur Antwort. Gott wolle


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[0477] hätte, als dich; ich will darum munter mit dir herumspringen." Als ich aber dazu stillschwieg, wandte er sich zu den Reichsräthen und sagte, er sähe mich dafür an, daß ich wol schon mehr Reisen nach dem Galgen gemacht hätte. — Als ich aber auch nichts antwortete, fragte er mich, ob ich Kriegsbrauch wüßte, und da ich ihm zur Antwort gab, daß ich ein wenig davon erfahren und mich darin versucht hätte, da sprach er: „Wenn man solche Vögel fängt, läßt man sie wol singen, und wenn sie genug ge¬ sungen haben, hängt man sie an einen dürren Baum. Das kann dir auch wieder passiren." Ich replicirte: „Ich bin kein solcher, sondern ein ehrlicher von Adel, und habe Ehre und Tugend von meinen adeligen Vorfahren seit etlichen hundert Jahren her geerbt, die will ich auch, geliebt es Gott, mit mir ins Grab nehmen; und da fürstliche Durchlaucht meinen wahren Worten keinen Glauben geben wollen, so mögen Sie hinaus an die hochkaiserliche Majestät schicken und sich nach meinen Verhältnissen erkundigen. Bin ich nicht, wofür ich mich ausgebe, oder weiß die kaiserliche Majestät nichts von mir, so mögen fürstliche Durchlaucht alsdann mich nach höchster Ungnade strafen. Unterdeß aber ist meine unterthänigste Bitte, fürstliche Durchlaucht wollen die acht oder neun Wochen, bis der Bote hin - und zuückreisen kann, Geduld haben und keine Gewalt an mir üben." Als aber er mir darauf den Bescheid gab: „Ich will mit der kaiserlichen Majestät nichts zu thun haben, sondern allein mit dir," wandte ich dagegen ein: „Fürstliche Durch¬ laucht würden sich an mir armem Gesellen schlecht erholen und mit der ge¬ ringen Hand voll Blut Ihrem Land und Leuten wenig Nutzen schaffen." Er antwortete : „Du wirst wol anders reden und besser daran müssen, wenn dir ein anderer Frager an die Seite gestellt wird." Und nachdem er mir Frist bis auf den 24. December gegeben, mich zu bedenken, hat er mich von sich weggeschafft und dem Hofmarschall befohlen, mich wohl zu verwahren. Als diesen der Wachtmeister frug, ob er mich in Eisen schlagen sollte, sagte er nein, und so habe ich in die Wachtmeisterkammer in einer Bastei gehen müssen, wo mich allezeit etliche Schützen bewachten. Etwa eine Stunde darauf kommt der Marschalk mit einem Secretär und königlichen Rath zu mir in die Kammer, zeigen an, es sei des Königs und Herzogs Befehl, daß man mich untersuchen solle, ob ich nicht noch etwas von Briefen bet mir hätte. Ich habe im bloßen Hemd vor ihnen stehen müssen, und sie haben Alles, sonderlich die Sohlen der Stiefel, aufs Genaueste untersucht. Da sie aber nichts fanden, als ein Schreibtäflein. Gebetbuch und Fazenetlein (Taschentuch), haben sie das Schreibtäflein mit sich genommen und dagegen protestirt, daß sie kein Geld, sondern nur Briefe bet mir suchten, haben mich daneben vermahnt, ich sollte, um ein Unglück zu verhüten, nicht des Königs Zorn auf mich laden. Ich gab ihnen zur Antwort. Gott wolle Grenzboten I. 1869. 59

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_120192/477>, abgerufen am 28.09.2024.