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Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. I. Band.

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zu erkunden. Darauf gab ich ihm zur Antwort, wenn es nicht anders sein
könne, wäre ich damit zufrieden; aber ich "erhoffte, sie würden ohne das
meinen wahren Worten Glauben schenken. Und sofern ich nicht eine
für meine Verhältnisse passende Stellung hier fände, würden sie mir er¬
lauben, wieder nach Deutschland zu reisen. Nach gehaltener Mahlzeit kam
der Schwager des Statthalters von Narva. Peter Dem, zu mir, sagte mir,
daß er auch ein Deutscher, von Geburt ein Preuße, seine Mutter aber eine
geborene Freund aus Schweidnitz in Schlesien sei. und dieweil ich auch ein
Schlesier und also sein halber Landsmann wäre, wollte er mir treulich rathen,
daß ich zur Verhütung vieler Ungelegenheit mich auf den König berufen
und stracks zu ihm begehren sollte; denn wenn ich hier bliebe und sie dem
König nach Schweden schriftlich berichteten, daß sie etliche verdächtige Per¬
sonen in Rußland gefangen hätten, so könnte leicht geschehen, daß der König
zurückbefähle, uns mit der Tortur anzufassen. Diese gutherzige Erinnerung
des Dem habe ich wohl in Acht genommen.

Am 14. October kam uns die Nachricht, die Knechte, welche uns gefangen,
hätten an dem Ort. wo sie uns zuerst antrafen, etliche Truhen und Fell¬
eisen in der Erde vergraben gefunden und darinnen viele moskovitische Klei¬
der. Man fragte mich, ob diese mir zugehö-ten. Ick besorgte, daß dies
durch meinen Jungen verrathen sein könnte, wie auch der Fall war, und ant¬
wortete, ich hätte wohl Etwas von Truhen und Felleisen vergraben, es
wären aber keine moskovitischen, sondern ungarische Kleider darin, ich hätte
früher die Intention gehabt, mit dem kaiserlichen Gesandten nach Konstanti¬
nopel zu reisen, und mir dazu die ungarischen Kleiner machen lassen. Mit
dieser Antwort ließen sie sich taliter qmiliter begnügen. Den 3. November
um Mitternacht sind wir unter Se^el gegangen und gegen Oeland, eine
Insel mit hohem Berge gekommen. Mit diesem Berg haben die Lchiffsleute
einen besonderen Aberglauben, denn sie wollen nicht zulassen, daß man ihn
mit Namen nennt, wenn man daran vor Anker liegt oder vorüberfährt.
Denn sie sagen, wenn man ihn nennt, kann man nicht davon wegkommen,
oder aber es begegnet dem Schiff sonst ein Unglück, sie erzählen auch sonst
viel Fabeln davon, wie, daß darin eine Höhle sei, in welcher ein großer
Schatz liegt, man könne aber den Eingang dazu nicht immer finden, wenn
man will, sondern nur bisweilen, wenn man am wenigsten daran denkt.
Am 24. November lagen wir vor Helsingfors. da ist ein deutscher Gold¬
schmied aus der Stadt zu uns aufs sah ff gekommen und hat unter Anderem
vermeldet, vor etlichen Tagen sei doit in der Stadt ein Deutscher ge-
fangen worden, der sich den Dolmetsch eines deutschen Herrn nannte, wel¬
cher vom kaiserlichen Hofe mit Briefen nach Moskau verschickt worden, und
dieser Dolmetsch heiße mit Namen Hermann sternenarm. Als ich dies hörte.


zu erkunden. Darauf gab ich ihm zur Antwort, wenn es nicht anders sein
könne, wäre ich damit zufrieden; aber ich «erhoffte, sie würden ohne das
meinen wahren Worten Glauben schenken. Und sofern ich nicht eine
für meine Verhältnisse passende Stellung hier fände, würden sie mir er¬
lauben, wieder nach Deutschland zu reisen. Nach gehaltener Mahlzeit kam
der Schwager des Statthalters von Narva. Peter Dem, zu mir, sagte mir,
daß er auch ein Deutscher, von Geburt ein Preuße, seine Mutter aber eine
geborene Freund aus Schweidnitz in Schlesien sei. und dieweil ich auch ein
Schlesier und also sein halber Landsmann wäre, wollte er mir treulich rathen,
daß ich zur Verhütung vieler Ungelegenheit mich auf den König berufen
und stracks zu ihm begehren sollte; denn wenn ich hier bliebe und sie dem
König nach Schweden schriftlich berichteten, daß sie etliche verdächtige Per¬
sonen in Rußland gefangen hätten, so könnte leicht geschehen, daß der König
zurückbefähle, uns mit der Tortur anzufassen. Diese gutherzige Erinnerung
des Dem habe ich wohl in Acht genommen.

Am 14. October kam uns die Nachricht, die Knechte, welche uns gefangen,
hätten an dem Ort. wo sie uns zuerst antrafen, etliche Truhen und Fell¬
eisen in der Erde vergraben gefunden und darinnen viele moskovitische Klei¬
der. Man fragte mich, ob diese mir zugehö-ten. Ick besorgte, daß dies
durch meinen Jungen verrathen sein könnte, wie auch der Fall war, und ant¬
wortete, ich hätte wohl Etwas von Truhen und Felleisen vergraben, es
wären aber keine moskovitischen, sondern ungarische Kleider darin, ich hätte
früher die Intention gehabt, mit dem kaiserlichen Gesandten nach Konstanti¬
nopel zu reisen, und mir dazu die ungarischen Kleiner machen lassen. Mit
dieser Antwort ließen sie sich taliter qmiliter begnügen. Den 3. November
um Mitternacht sind wir unter Se^el gegangen und gegen Oeland, eine
Insel mit hohem Berge gekommen. Mit diesem Berg haben die Lchiffsleute
einen besonderen Aberglauben, denn sie wollen nicht zulassen, daß man ihn
mit Namen nennt, wenn man daran vor Anker liegt oder vorüberfährt.
Denn sie sagen, wenn man ihn nennt, kann man nicht davon wegkommen,
oder aber es begegnet dem Schiff sonst ein Unglück, sie erzählen auch sonst
viel Fabeln davon, wie, daß darin eine Höhle sei, in welcher ein großer
Schatz liegt, man könne aber den Eingang dazu nicht immer finden, wenn
man will, sondern nur bisweilen, wenn man am wenigsten daran denkt.
Am 24. November lagen wir vor Helsingfors. da ist ein deutscher Gold¬
schmied aus der Stadt zu uns aufs sah ff gekommen und hat unter Anderem
vermeldet, vor etlichen Tagen sei doit in der Stadt ein Deutscher ge-
fangen worden, der sich den Dolmetsch eines deutschen Herrn nannte, wel¬
cher vom kaiserlichen Hofe mit Briefen nach Moskau verschickt worden, und
dieser Dolmetsch heiße mit Namen Hermann sternenarm. Als ich dies hörte.


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[0475] zu erkunden. Darauf gab ich ihm zur Antwort, wenn es nicht anders sein könne, wäre ich damit zufrieden; aber ich «erhoffte, sie würden ohne das meinen wahren Worten Glauben schenken. Und sofern ich nicht eine für meine Verhältnisse passende Stellung hier fände, würden sie mir er¬ lauben, wieder nach Deutschland zu reisen. Nach gehaltener Mahlzeit kam der Schwager des Statthalters von Narva. Peter Dem, zu mir, sagte mir, daß er auch ein Deutscher, von Geburt ein Preuße, seine Mutter aber eine geborene Freund aus Schweidnitz in Schlesien sei. und dieweil ich auch ein Schlesier und also sein halber Landsmann wäre, wollte er mir treulich rathen, daß ich zur Verhütung vieler Ungelegenheit mich auf den König berufen und stracks zu ihm begehren sollte; denn wenn ich hier bliebe und sie dem König nach Schweden schriftlich berichteten, daß sie etliche verdächtige Per¬ sonen in Rußland gefangen hätten, so könnte leicht geschehen, daß der König zurückbefähle, uns mit der Tortur anzufassen. Diese gutherzige Erinnerung des Dem habe ich wohl in Acht genommen. Am 14. October kam uns die Nachricht, die Knechte, welche uns gefangen, hätten an dem Ort. wo sie uns zuerst antrafen, etliche Truhen und Fell¬ eisen in der Erde vergraben gefunden und darinnen viele moskovitische Klei¬ der. Man fragte mich, ob diese mir zugehö-ten. Ick besorgte, daß dies durch meinen Jungen verrathen sein könnte, wie auch der Fall war, und ant¬ wortete, ich hätte wohl Etwas von Truhen und Felleisen vergraben, es wären aber keine moskovitischen, sondern ungarische Kleider darin, ich hätte früher die Intention gehabt, mit dem kaiserlichen Gesandten nach Konstanti¬ nopel zu reisen, und mir dazu die ungarischen Kleiner machen lassen. Mit dieser Antwort ließen sie sich taliter qmiliter begnügen. Den 3. November um Mitternacht sind wir unter Se^el gegangen und gegen Oeland, eine Insel mit hohem Berge gekommen. Mit diesem Berg haben die Lchiffsleute einen besonderen Aberglauben, denn sie wollen nicht zulassen, daß man ihn mit Namen nennt, wenn man daran vor Anker liegt oder vorüberfährt. Denn sie sagen, wenn man ihn nennt, kann man nicht davon wegkommen, oder aber es begegnet dem Schiff sonst ein Unglück, sie erzählen auch sonst viel Fabeln davon, wie, daß darin eine Höhle sei, in welcher ein großer Schatz liegt, man könne aber den Eingang dazu nicht immer finden, wenn man will, sondern nur bisweilen, wenn man am wenigsten daran denkt. Am 24. November lagen wir vor Helsingfors. da ist ein deutscher Gold¬ schmied aus der Stadt zu uns aufs sah ff gekommen und hat unter Anderem vermeldet, vor etlichen Tagen sei doit in der Stadt ein Deutscher ge- fangen worden, der sich den Dolmetsch eines deutschen Herrn nannte, wel¬ cher vom kaiserlichen Hofe mit Briefen nach Moskau verschickt worden, und dieser Dolmetsch heiße mit Namen Hermann sternenarm. Als ich dies hörte.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_120192/475>, abgerufen am 28.09.2024.