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Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. I. Band.

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ihn gebeten, daß er uns um unser Geld mit dem Boot auf liefländischem
Boden aussetzen sollte, die Bootsleute aber hätten uns etwa eine Stunde
vor Tag auf russischem Boden an einem Wald abgesetzt und uns zu ver¬
stehen gegeben, daß von der Stelle nicht ganz zwei Meilen bis nach Narva
wären. Ob sie Solche" aus Unwiss.üben oder mit Fleiß, aus Bosheit ge¬
than hätten, wäre uns unbewußt. Dort hätten uns diese gegenwärtigen
Knechte gefunden, alsbald angefallen, gefangen, geplündert, auch einen der
Unseren beschädigt. Darauf antwortete David Pfeil: Sofern eure Sache
geiecht ist und der Schiffer an euch als redlichen Leuten ein solches Stück
geübt hat. wie ihr vorgebt, so hat er gehandelt als ein Schelm, und es
wäre ganz recht, wenn man einen solchen Buben Anderen zum Exempel beim
Kopf nähme. Wenn aber eure Sache falsch ist und ihr Schelme seid, so
sollt ihr Schelmenlohn empfangen." Darauf frug er, wie der Schiffer ge¬
heißen. Ich berichtete, sein Name, der bei uns ganz seltsam und ungebräuch¬
lich sei, wäre mir entfallen; so viel wüßte ich, daß er entweder aus Däne¬
mark oder Holstein wäre, da sie aus dem Schiff allein dänisch mit einander
geredet. Nach diesem Gespräch forderte mich der Unteradmiral in seine
Cojeta, wie sie es zu nennen pflegen, wo ich mit ihm und David Pfeil früh¬
stückte. Sie frugen mich um allerlei Sachen, ich gab ihnen Bescheid, wie
unsere Bedrängniß damals forderte. Unterdeß brachte man etliche gefangene
russische Bauern mit gebundenen Händen auf das Schiff, welche sie vor
mich stellten und fragten, vo sie mich zuvor gesehen hätten. Da diese aber
berichteten, daß ich ihnen ganz unbekannt wäre, waren sie damit zufrieden. --
Etwa eine Stunde darauf fuhr ich und der Unteradmiral, welcher zuvor noch
alles Geld, das ich im geheim bei mir hatte, zu sich nahm, auf einem großen
Boot zu der Armada. Als wir aber bei dem Schiffe vorüberkamen, wo der
andere Theil meiner Leute war, schrien die Knechte, die sie bis dahin be¬
gleitet und uns" gefangen hatten, dem Unteradmiral zu, daß er mich auf
dasselbe Schiff bringen sollte, denn ich wäre ihr Gefangener. Als aber der
Unleratmiral sich nicht daran kehrte, sondern stracks fortfuhr, sind sie übel
zufrieden damit gewesen und haben mich vom Schiff aus auf dem Boot er¬
schießen wollen; aber David Pserl hat sie einstlich abgewehrt.

Als wir nun zu der Armada kamen, sind wir auf der Galeere, "der
Lindwurm" genannt, zu dem Admiral Erich Bartelson gefahren, welcher
mich auch wegen meines Zustandes befragte und dem ich dieselben Antworten
gab. Wie wir so im Gespiäch sind, kommt Herr Karl Sture, von dem vor¬
nehmsten Herrengeschlecht in ganz Schweden und Deputirter des Königs bei
den vergeblichen Friedensverhandlungen mit den Russen, auch dazu, und als
er hört, daß ich mich einen vom Adel nenne, frägt er. ob ich zufrieden sei,
daß man hinaus nach Deutschland schicke, um solches auf meine Unkosten


ihn gebeten, daß er uns um unser Geld mit dem Boot auf liefländischem
Boden aussetzen sollte, die Bootsleute aber hätten uns etwa eine Stunde
vor Tag auf russischem Boden an einem Wald abgesetzt und uns zu ver¬
stehen gegeben, daß von der Stelle nicht ganz zwei Meilen bis nach Narva
wären. Ob sie Solche« aus Unwiss.üben oder mit Fleiß, aus Bosheit ge¬
than hätten, wäre uns unbewußt. Dort hätten uns diese gegenwärtigen
Knechte gefunden, alsbald angefallen, gefangen, geplündert, auch einen der
Unseren beschädigt. Darauf antwortete David Pfeil: Sofern eure Sache
geiecht ist und der Schiffer an euch als redlichen Leuten ein solches Stück
geübt hat. wie ihr vorgebt, so hat er gehandelt als ein Schelm, und es
wäre ganz recht, wenn man einen solchen Buben Anderen zum Exempel beim
Kopf nähme. Wenn aber eure Sache falsch ist und ihr Schelme seid, so
sollt ihr Schelmenlohn empfangen." Darauf frug er, wie der Schiffer ge¬
heißen. Ich berichtete, sein Name, der bei uns ganz seltsam und ungebräuch¬
lich sei, wäre mir entfallen; so viel wüßte ich, daß er entweder aus Däne¬
mark oder Holstein wäre, da sie aus dem Schiff allein dänisch mit einander
geredet. Nach diesem Gespräch forderte mich der Unteradmiral in seine
Cojeta, wie sie es zu nennen pflegen, wo ich mit ihm und David Pfeil früh¬
stückte. Sie frugen mich um allerlei Sachen, ich gab ihnen Bescheid, wie
unsere Bedrängniß damals forderte. Unterdeß brachte man etliche gefangene
russische Bauern mit gebundenen Händen auf das Schiff, welche sie vor
mich stellten und fragten, vo sie mich zuvor gesehen hätten. Da diese aber
berichteten, daß ich ihnen ganz unbekannt wäre, waren sie damit zufrieden. —
Etwa eine Stunde darauf fuhr ich und der Unteradmiral, welcher zuvor noch
alles Geld, das ich im geheim bei mir hatte, zu sich nahm, auf einem großen
Boot zu der Armada. Als wir aber bei dem Schiffe vorüberkamen, wo der
andere Theil meiner Leute war, schrien die Knechte, die sie bis dahin be¬
gleitet und uns" gefangen hatten, dem Unteradmiral zu, daß er mich auf
dasselbe Schiff bringen sollte, denn ich wäre ihr Gefangener. Als aber der
Unleratmiral sich nicht daran kehrte, sondern stracks fortfuhr, sind sie übel
zufrieden damit gewesen und haben mich vom Schiff aus auf dem Boot er¬
schießen wollen; aber David Pserl hat sie einstlich abgewehrt.

Als wir nun zu der Armada kamen, sind wir auf der Galeere, „der
Lindwurm" genannt, zu dem Admiral Erich Bartelson gefahren, welcher
mich auch wegen meines Zustandes befragte und dem ich dieselben Antworten
gab. Wie wir so im Gespiäch sind, kommt Herr Karl Sture, von dem vor¬
nehmsten Herrengeschlecht in ganz Schweden und Deputirter des Königs bei
den vergeblichen Friedensverhandlungen mit den Russen, auch dazu, und als
er hört, daß ich mich einen vom Adel nenne, frägt er. ob ich zufrieden sei,
daß man hinaus nach Deutschland schicke, um solches auf meine Unkosten


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_120192/474>, abgerufen am 28.09.2024.