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Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. I. Band.

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In der Zwischenzeit, im Jahre 1853, zeigte sich in Offenbach das Be¬
dürfniß, eine höhere Töchterschule zu gründen, in welcher Mädchen vom
6. bis 16. Lebensjahre nach einem von dem Lehrplan der Bürgerschule ver¬
schiedenen Lehrplan ihre Ausbildung erlangen sollten. Die Stadt Offenbach
fundirte diese anfänglich auf vier Klassen angelegte, bald aber, 1856, um zwei
Klassen vermehrte Schule allein.

Die Schule, welche, weil Bedürfniß, stark besucht wurde -- sie zählt
dermalen 217 Schülerinnen -- war noch nicht definitiv eingerichtet, als im
Jahre 1858 das erwähnte Gesetz die früher innegehabten Präsentationsrechte
den Standesherren wieder zurück gab und diese sich sofort bestrebten, solche
Ueberbleibsel alter Souveränetät in möglichst ausgedehntem Maße zu üben.

Der Fürst von Jsenburg-Birstein beanspruchte nun auch das Präsen¬
tationsrecht an der inzwischen errichteten höheren Töchterschule in Offenbach.

Daß ihm dasselbe auf Grund des Gesetzes von 1858 nicht gebührte,
darüber herrschte kein Zweifel, denn er vermied, die Fundation der Lehrer¬
stellen zu übernehmen, (diese Last überließ er der Stadt Offenbach) und auch
nach dem früheren Standesherrlichen Edikte stand ihm das Präsentationsrecht
nicht zu.

Wol aber sollte dieses auf die hervorgehobene Stelle des Uebereinkommens
vom 4. Januar 1834 gegründet werden; man suchte trotz ihrer Verschieden¬
heit die höhere Töchterschule unter den Begriff der dort erwähnten, fort¬
während noch bestehenden "Bürgerschule" zu zwängen.

Alle Behörden waren indessen darin einverstanden, daß dies nicht zu¬
lässig sei, und auch das Ministerium in Darmstadt bestritt dem Fürsten das
Präsentationsrecht an dieser Schule.

Da auf einmal, im Jahr 1861. änderte das Ministerium Dalwigk seine
Ansicht und erklärte in einem Erlasse vom 24. Juni 1861: da der Vertrag
vom 4. Januar 1834

"allerdings auch die Auslegung zulasse, daß dadurch des Herrn Fürsten
Durchlaucht auch das Präsentationsrecht zu allen in Offenbach später
errichtet werdenden weiteren Schulen, welche den Charakter einer
Volksschule an sich tragen, zugestanden worden sei, dieses aber bei der in
Rede stehenden höheren Töchterschule, ungeachtet ihrer besonderen Bestimmung,
wenigstens im Allgemeinen der Fall sei, so habe das unterzeichnete Ministerium
(v. Dalwigk) nunmehr beschlossen, das von des Herrn Fürsten Durchlaucht
in Anspruch genommene Präsentationsrscht zu den Lehrerstellen an der höheren
Töchterschule in Offenbach nicht weiter zu beanstanden."

Um jene Zeit, im Jahre 1861. trat auch noch ein anderes Ereigniß in
Offenbach ein. Die Fürsten von Jsenburg-Birstein bekannten sich bis dahin
ebenso wie die Gemeinde Offenbach zur reformirten Confession; so auch der


In der Zwischenzeit, im Jahre 1853, zeigte sich in Offenbach das Be¬
dürfniß, eine höhere Töchterschule zu gründen, in welcher Mädchen vom
6. bis 16. Lebensjahre nach einem von dem Lehrplan der Bürgerschule ver¬
schiedenen Lehrplan ihre Ausbildung erlangen sollten. Die Stadt Offenbach
fundirte diese anfänglich auf vier Klassen angelegte, bald aber, 1856, um zwei
Klassen vermehrte Schule allein.

Die Schule, welche, weil Bedürfniß, stark besucht wurde — sie zählt
dermalen 217 Schülerinnen — war noch nicht definitiv eingerichtet, als im
Jahre 1858 das erwähnte Gesetz die früher innegehabten Präsentationsrechte
den Standesherren wieder zurück gab und diese sich sofort bestrebten, solche
Ueberbleibsel alter Souveränetät in möglichst ausgedehntem Maße zu üben.

Der Fürst von Jsenburg-Birstein beanspruchte nun auch das Präsen¬
tationsrecht an der inzwischen errichteten höheren Töchterschule in Offenbach.

Daß ihm dasselbe auf Grund des Gesetzes von 1858 nicht gebührte,
darüber herrschte kein Zweifel, denn er vermied, die Fundation der Lehrer¬
stellen zu übernehmen, (diese Last überließ er der Stadt Offenbach) und auch
nach dem früheren Standesherrlichen Edikte stand ihm das Präsentationsrecht
nicht zu.

Wol aber sollte dieses auf die hervorgehobene Stelle des Uebereinkommens
vom 4. Januar 1834 gegründet werden; man suchte trotz ihrer Verschieden¬
heit die höhere Töchterschule unter den Begriff der dort erwähnten, fort¬
während noch bestehenden „Bürgerschule" zu zwängen.

Alle Behörden waren indessen darin einverstanden, daß dies nicht zu¬
lässig sei, und auch das Ministerium in Darmstadt bestritt dem Fürsten das
Präsentationsrecht an dieser Schule.

Da auf einmal, im Jahr 1861. änderte das Ministerium Dalwigk seine
Ansicht und erklärte in einem Erlasse vom 24. Juni 1861: da der Vertrag
vom 4. Januar 1834

„allerdings auch die Auslegung zulasse, daß dadurch des Herrn Fürsten
Durchlaucht auch das Präsentationsrecht zu allen in Offenbach später
errichtet werdenden weiteren Schulen, welche den Charakter einer
Volksschule an sich tragen, zugestanden worden sei, dieses aber bei der in
Rede stehenden höheren Töchterschule, ungeachtet ihrer besonderen Bestimmung,
wenigstens im Allgemeinen der Fall sei, so habe das unterzeichnete Ministerium
(v. Dalwigk) nunmehr beschlossen, das von des Herrn Fürsten Durchlaucht
in Anspruch genommene Präsentationsrscht zu den Lehrerstellen an der höheren
Töchterschule in Offenbach nicht weiter zu beanstanden."

Um jene Zeit, im Jahre 1861. trat auch noch ein anderes Ereigniß in
Offenbach ein. Die Fürsten von Jsenburg-Birstein bekannten sich bis dahin
ebenso wie die Gemeinde Offenbach zur reformirten Confession; so auch der


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_120192/460>, abgerufen am 28.09.2024.