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Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. I. Band.

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konnte. Die eine der beiden anderen Abtheilungen enthält eine kleine Tem¬
pelnische und einen Altar; nicht weit davon an der Mauer ist eine Vor¬
richtung, die man für ein musikalisches Orchester hat erkennen wollen. In
der anderen sieht man in Form eines offenen Quarre'es drei aufgemauerte
Tische mit nach vorn abgeschrägten Platten; unten davor läuft eine Rinne
zum Auffangen von Flüssigkeiten: offenbar diente sie zum Zerlegen und
Anrichten von Fleisch, vermuthlich von Opferfleisch. Mitten im Hofe stehen,
zu einem Kreise rangirt, 12 Postamente, wahrscheinlich für die Bildsäulen
der 12 Götter bestimmt. In welchem Begriffe vereinigen sich nun die hier
aufgeführten Merkmale? Man will in dem Gebäude einen Augustustempel
erkennen, aber wozu alsdann die 12 Postamente, welche auf ein Pantheon
deuten? Man hat es ein Hospitium genannt, wo die Fremden unter dem
Schutze der Götter gastliche Aufnahme finden sollten. Ich will dem nicht
ganz widersprechen, doch halte ich sür wahrscheinlicher, daß es eine von Au-
gustus gegründete und geschenkte Stätte sür Opferschmäuse war, denn für
jenen Zweck erscheint die Anlage, verglichen mit der Kleinheit der Stadt (die
nicht mehr als 30.000 Einwohner hatte) doch zu kostbar. Daß hier mit dem
Cultus der Götter auch der des Magens auf eine angenehme Weise ver¬
bunden wurde, bewiesen die vielen Flaschen und die Reste von Früchten, die
man gefunden. Die Malereien zumal, mit ihren Vögeln, culinarischer Still¬
leben und Früchten, beziehen sich stark auf den Theil unseres Wesens, den
die christliche Religion mehr und mehr zu unterdrücken gebot.

Von den öffentlichen Gebäuden, welche das Forum umgeben, ist noch
der Basilika Erwähnung zu thun, die dem Chalcidikum schräg gegenüber,
ganz unten auf dasselbe in die hier verdoppelten Säulen des Portikus mün¬
det. Wiederum einer dieser großen Höfe mit dem grandiosesten jontschen
Portikus, mit Reiter- und Fußstandbildern, deren Basen noch erhalten sind.
Dem Eingange gegenüber an der Hinterwand war das durch sechs korinthi¬
sche Säulen geschmückte Tribunal der Duumvirn, die hier, auf erhöhtem
Platze, vor allem Volk Recht sprachen. Der Raum, der durch die Erhöhung
des Richtersitzes gewonnen ist, ist abgeschlossen und gewölbt; er mag als
Aufenthalt für die zu Verhörenden oder als Archiv für die Documente ge¬
dient haben. Die ganze Basilika, deren Säulen noch bis zu ziemlicher Höhe
erhalten sind, macht einen außerordentlich großartigen, feierlichen Eindruck.
Die Justiz trat hier in all ihrem Ernst und ihrer Würde dem Volke gegen¬
über. Doch mag der Eindruck nicht auf Alle der nämliche gewesen sein; an
der Mauer hat ein Mißvergnügter seinen Zweifel an der Unparteilichkeit der
Justiz durch die Worte verewigt: Huoä prstium legi? Was kostet das Gesetz?

Und nun ein Gang durch die stillen Straßen der Stadt. Die breiteren
derselben messen etwa Is Schritt, wovon die Hälfte auf die beiden Trottoirs


konnte. Die eine der beiden anderen Abtheilungen enthält eine kleine Tem¬
pelnische und einen Altar; nicht weit davon an der Mauer ist eine Vor¬
richtung, die man für ein musikalisches Orchester hat erkennen wollen. In
der anderen sieht man in Form eines offenen Quarre'es drei aufgemauerte
Tische mit nach vorn abgeschrägten Platten; unten davor läuft eine Rinne
zum Auffangen von Flüssigkeiten: offenbar diente sie zum Zerlegen und
Anrichten von Fleisch, vermuthlich von Opferfleisch. Mitten im Hofe stehen,
zu einem Kreise rangirt, 12 Postamente, wahrscheinlich für die Bildsäulen
der 12 Götter bestimmt. In welchem Begriffe vereinigen sich nun die hier
aufgeführten Merkmale? Man will in dem Gebäude einen Augustustempel
erkennen, aber wozu alsdann die 12 Postamente, welche auf ein Pantheon
deuten? Man hat es ein Hospitium genannt, wo die Fremden unter dem
Schutze der Götter gastliche Aufnahme finden sollten. Ich will dem nicht
ganz widersprechen, doch halte ich sür wahrscheinlicher, daß es eine von Au-
gustus gegründete und geschenkte Stätte sür Opferschmäuse war, denn für
jenen Zweck erscheint die Anlage, verglichen mit der Kleinheit der Stadt (die
nicht mehr als 30.000 Einwohner hatte) doch zu kostbar. Daß hier mit dem
Cultus der Götter auch der des Magens auf eine angenehme Weise ver¬
bunden wurde, bewiesen die vielen Flaschen und die Reste von Früchten, die
man gefunden. Die Malereien zumal, mit ihren Vögeln, culinarischer Still¬
leben und Früchten, beziehen sich stark auf den Theil unseres Wesens, den
die christliche Religion mehr und mehr zu unterdrücken gebot.

Von den öffentlichen Gebäuden, welche das Forum umgeben, ist noch
der Basilika Erwähnung zu thun, die dem Chalcidikum schräg gegenüber,
ganz unten auf dasselbe in die hier verdoppelten Säulen des Portikus mün¬
det. Wiederum einer dieser großen Höfe mit dem grandiosesten jontschen
Portikus, mit Reiter- und Fußstandbildern, deren Basen noch erhalten sind.
Dem Eingange gegenüber an der Hinterwand war das durch sechs korinthi¬
sche Säulen geschmückte Tribunal der Duumvirn, die hier, auf erhöhtem
Platze, vor allem Volk Recht sprachen. Der Raum, der durch die Erhöhung
des Richtersitzes gewonnen ist, ist abgeschlossen und gewölbt; er mag als
Aufenthalt für die zu Verhörenden oder als Archiv für die Documente ge¬
dient haben. Die ganze Basilika, deren Säulen noch bis zu ziemlicher Höhe
erhalten sind, macht einen außerordentlich großartigen, feierlichen Eindruck.
Die Justiz trat hier in all ihrem Ernst und ihrer Würde dem Volke gegen¬
über. Doch mag der Eindruck nicht auf Alle der nämliche gewesen sein; an
der Mauer hat ein Mißvergnügter seinen Zweifel an der Unparteilichkeit der
Justiz durch die Worte verewigt: Huoä prstium legi? Was kostet das Gesetz?

Und nun ein Gang durch die stillen Straßen der Stadt. Die breiteren
derselben messen etwa Is Schritt, wovon die Hälfte auf die beiden Trottoirs


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[0443] konnte. Die eine der beiden anderen Abtheilungen enthält eine kleine Tem¬ pelnische und einen Altar; nicht weit davon an der Mauer ist eine Vor¬ richtung, die man für ein musikalisches Orchester hat erkennen wollen. In der anderen sieht man in Form eines offenen Quarre'es drei aufgemauerte Tische mit nach vorn abgeschrägten Platten; unten davor läuft eine Rinne zum Auffangen von Flüssigkeiten: offenbar diente sie zum Zerlegen und Anrichten von Fleisch, vermuthlich von Opferfleisch. Mitten im Hofe stehen, zu einem Kreise rangirt, 12 Postamente, wahrscheinlich für die Bildsäulen der 12 Götter bestimmt. In welchem Begriffe vereinigen sich nun die hier aufgeführten Merkmale? Man will in dem Gebäude einen Augustustempel erkennen, aber wozu alsdann die 12 Postamente, welche auf ein Pantheon deuten? Man hat es ein Hospitium genannt, wo die Fremden unter dem Schutze der Götter gastliche Aufnahme finden sollten. Ich will dem nicht ganz widersprechen, doch halte ich sür wahrscheinlicher, daß es eine von Au- gustus gegründete und geschenkte Stätte sür Opferschmäuse war, denn für jenen Zweck erscheint die Anlage, verglichen mit der Kleinheit der Stadt (die nicht mehr als 30.000 Einwohner hatte) doch zu kostbar. Daß hier mit dem Cultus der Götter auch der des Magens auf eine angenehme Weise ver¬ bunden wurde, bewiesen die vielen Flaschen und die Reste von Früchten, die man gefunden. Die Malereien zumal, mit ihren Vögeln, culinarischer Still¬ leben und Früchten, beziehen sich stark auf den Theil unseres Wesens, den die christliche Religion mehr und mehr zu unterdrücken gebot. Von den öffentlichen Gebäuden, welche das Forum umgeben, ist noch der Basilika Erwähnung zu thun, die dem Chalcidikum schräg gegenüber, ganz unten auf dasselbe in die hier verdoppelten Säulen des Portikus mün¬ det. Wiederum einer dieser großen Höfe mit dem grandiosesten jontschen Portikus, mit Reiter- und Fußstandbildern, deren Basen noch erhalten sind. Dem Eingange gegenüber an der Hinterwand war das durch sechs korinthi¬ sche Säulen geschmückte Tribunal der Duumvirn, die hier, auf erhöhtem Platze, vor allem Volk Recht sprachen. Der Raum, der durch die Erhöhung des Richtersitzes gewonnen ist, ist abgeschlossen und gewölbt; er mag als Aufenthalt für die zu Verhörenden oder als Archiv für die Documente ge¬ dient haben. Die ganze Basilika, deren Säulen noch bis zu ziemlicher Höhe erhalten sind, macht einen außerordentlich großartigen, feierlichen Eindruck. Die Justiz trat hier in all ihrem Ernst und ihrer Würde dem Volke gegen¬ über. Doch mag der Eindruck nicht auf Alle der nämliche gewesen sein; an der Mauer hat ein Mißvergnügter seinen Zweifel an der Unparteilichkeit der Justiz durch die Worte verewigt: Huoä prstium legi? Was kostet das Gesetz? Und nun ein Gang durch die stillen Straßen der Stadt. Die breiteren derselben messen etwa Is Schritt, wovon die Hälfte auf die beiden Trottoirs

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_120192/443>, abgerufen am 28.09.2024.