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Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. I. Band.

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nach dem Forum, wo der Staat und das öffentliche Leben sich in seinen
mannigfaltigen Functionen repräsentirt. Wie da die ganze Anordnung so
deutlich von der centralisirenden Allgewalt der Staatsidee redet! Hier wohn¬
ten die Ideale, hier lagen die letzten und höchsten Zwecke des antiken Men¬
schen, hier erwarteten ihn seine Belohnungen, hier war er gefangen in allen
seinen Gefühlen und Gedanken; hier verfügte die Gesammtheit über die
Kräfte des Einzelnen, rief der Einzelne die Gesammtheit zum Schutze seines
gekränkten Rechtes an. Das Alles lehrt auf der Stelle ein Blick, ein Gang
über das Forum. Es ist ein oblonger Platz von 200 Schritt Länge und
etwa ein Viertel so breit, ganz von öffentlichen Gebäuden umgeben; drei
Thore -- zwei aus der einen, eins auf der anderen Schmalseite -- führen
hinein; Nachts wurden sie geschlossen. Zwischen jenen zwei Thoren, etwa
SO Schritt in das Forum hereintretend, erhebt sich der Tempel des Jupiter,
zu dem eine in der Mitte durch eine Platform unterbrochene Treppe empor¬
führt. Durch die zwölf Säulen des Pronaos blickte der Gott aus seiner
Cella über das Forum, über die Stadt auf das weite Meer.

Dieser Tempel unterbricht einen prachtvollen Portikus, welcher die drei
anderen Seiten des Forums umgab und in den Resten seiner Säulenschciste
noch umgibt. Er trug eine zweite Säulenhalle über sich. Vor den Säulen
nun wieder, auf dem freien Platze, standen die Fuß- und Reiterstandbilder
derer, welche der Rath der Decurionen für besondere Verdienste ehren wollte.
Noch stehen sechzehn Postamente da; einige von ihnen waren noch gar nicht
vollendet, und in diesem Zustande sind sie auf unsere Zeit gekommen. Ueber¬
haupt war ein Theil dieser öffentlichen Bauten gerade in der Restauration
begriffen, als die Stadt zugedeckt wurde; sie waren nach dem Erdbeben, das
sie sechzehn Jahre vor der Verschüttung zum Theil zerstört hatte, erst spät
wieder dem Baumeister übergeben worden. Die deutlichen Merkmale dieses
augenblicklichen Zustandes sind die zahlreichen frischbehauenen Friesstücke, die
zwischen die Säulenschäfte hingelegt waren, um demnächst emporgewunden zu
werden. Die Restauration sollte aber zugleich, hier wie in dem benachbarten
Venustempel, eine Verschönerung sein: was ehemals im ernsten dorischen
Stile gebaut worden, sollte nun in den leichten gefälligen Geschmack, den'
die tonangebende Roma damals liebte, hinübergebildet werden. Wir finden
daher auf die dorischen Säulen, nachdem man sie angemessen erhöht, korin¬
thische Capitäle aufgesetzt.

Den oben erwähnten Tempel, den schönsten der heiteren Stadt, die in
der Venus ihre Patronin verehrte, sah der Vater der Götter zu seiner Rech,
ten. Er öffnet sich aber nicht auf das Forum, mit dem er nur durch eine
Treppe verbunden war, sondern steht inmitten seines eigenen säulenumgebe¬
nen Hofes, von allen Seiten frei zu umgehen; vor ihm einige marmorne


nach dem Forum, wo der Staat und das öffentliche Leben sich in seinen
mannigfaltigen Functionen repräsentirt. Wie da die ganze Anordnung so
deutlich von der centralisirenden Allgewalt der Staatsidee redet! Hier wohn¬
ten die Ideale, hier lagen die letzten und höchsten Zwecke des antiken Men¬
schen, hier erwarteten ihn seine Belohnungen, hier war er gefangen in allen
seinen Gefühlen und Gedanken; hier verfügte die Gesammtheit über die
Kräfte des Einzelnen, rief der Einzelne die Gesammtheit zum Schutze seines
gekränkten Rechtes an. Das Alles lehrt auf der Stelle ein Blick, ein Gang
über das Forum. Es ist ein oblonger Platz von 200 Schritt Länge und
etwa ein Viertel so breit, ganz von öffentlichen Gebäuden umgeben; drei
Thore — zwei aus der einen, eins auf der anderen Schmalseite — führen
hinein; Nachts wurden sie geschlossen. Zwischen jenen zwei Thoren, etwa
SO Schritt in das Forum hereintretend, erhebt sich der Tempel des Jupiter,
zu dem eine in der Mitte durch eine Platform unterbrochene Treppe empor¬
führt. Durch die zwölf Säulen des Pronaos blickte der Gott aus seiner
Cella über das Forum, über die Stadt auf das weite Meer.

Dieser Tempel unterbricht einen prachtvollen Portikus, welcher die drei
anderen Seiten des Forums umgab und in den Resten seiner Säulenschciste
noch umgibt. Er trug eine zweite Säulenhalle über sich. Vor den Säulen
nun wieder, auf dem freien Platze, standen die Fuß- und Reiterstandbilder
derer, welche der Rath der Decurionen für besondere Verdienste ehren wollte.
Noch stehen sechzehn Postamente da; einige von ihnen waren noch gar nicht
vollendet, und in diesem Zustande sind sie auf unsere Zeit gekommen. Ueber¬
haupt war ein Theil dieser öffentlichen Bauten gerade in der Restauration
begriffen, als die Stadt zugedeckt wurde; sie waren nach dem Erdbeben, das
sie sechzehn Jahre vor der Verschüttung zum Theil zerstört hatte, erst spät
wieder dem Baumeister übergeben worden. Die deutlichen Merkmale dieses
augenblicklichen Zustandes sind die zahlreichen frischbehauenen Friesstücke, die
zwischen die Säulenschäfte hingelegt waren, um demnächst emporgewunden zu
werden. Die Restauration sollte aber zugleich, hier wie in dem benachbarten
Venustempel, eine Verschönerung sein: was ehemals im ernsten dorischen
Stile gebaut worden, sollte nun in den leichten gefälligen Geschmack, den'
die tonangebende Roma damals liebte, hinübergebildet werden. Wir finden
daher auf die dorischen Säulen, nachdem man sie angemessen erhöht, korin¬
thische Capitäle aufgesetzt.

Den oben erwähnten Tempel, den schönsten der heiteren Stadt, die in
der Venus ihre Patronin verehrte, sah der Vater der Götter zu seiner Rech,
ten. Er öffnet sich aber nicht auf das Forum, mit dem er nur durch eine
Treppe verbunden war, sondern steht inmitten seines eigenen säulenumgebe¬
nen Hofes, von allen Seiten frei zu umgehen; vor ihm einige marmorne


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[0441] nach dem Forum, wo der Staat und das öffentliche Leben sich in seinen mannigfaltigen Functionen repräsentirt. Wie da die ganze Anordnung so deutlich von der centralisirenden Allgewalt der Staatsidee redet! Hier wohn¬ ten die Ideale, hier lagen die letzten und höchsten Zwecke des antiken Men¬ schen, hier erwarteten ihn seine Belohnungen, hier war er gefangen in allen seinen Gefühlen und Gedanken; hier verfügte die Gesammtheit über die Kräfte des Einzelnen, rief der Einzelne die Gesammtheit zum Schutze seines gekränkten Rechtes an. Das Alles lehrt auf der Stelle ein Blick, ein Gang über das Forum. Es ist ein oblonger Platz von 200 Schritt Länge und etwa ein Viertel so breit, ganz von öffentlichen Gebäuden umgeben; drei Thore — zwei aus der einen, eins auf der anderen Schmalseite — führen hinein; Nachts wurden sie geschlossen. Zwischen jenen zwei Thoren, etwa SO Schritt in das Forum hereintretend, erhebt sich der Tempel des Jupiter, zu dem eine in der Mitte durch eine Platform unterbrochene Treppe empor¬ führt. Durch die zwölf Säulen des Pronaos blickte der Gott aus seiner Cella über das Forum, über die Stadt auf das weite Meer. Dieser Tempel unterbricht einen prachtvollen Portikus, welcher die drei anderen Seiten des Forums umgab und in den Resten seiner Säulenschciste noch umgibt. Er trug eine zweite Säulenhalle über sich. Vor den Säulen nun wieder, auf dem freien Platze, standen die Fuß- und Reiterstandbilder derer, welche der Rath der Decurionen für besondere Verdienste ehren wollte. Noch stehen sechzehn Postamente da; einige von ihnen waren noch gar nicht vollendet, und in diesem Zustande sind sie auf unsere Zeit gekommen. Ueber¬ haupt war ein Theil dieser öffentlichen Bauten gerade in der Restauration begriffen, als die Stadt zugedeckt wurde; sie waren nach dem Erdbeben, das sie sechzehn Jahre vor der Verschüttung zum Theil zerstört hatte, erst spät wieder dem Baumeister übergeben worden. Die deutlichen Merkmale dieses augenblicklichen Zustandes sind die zahlreichen frischbehauenen Friesstücke, die zwischen die Säulenschäfte hingelegt waren, um demnächst emporgewunden zu werden. Die Restauration sollte aber zugleich, hier wie in dem benachbarten Venustempel, eine Verschönerung sein: was ehemals im ernsten dorischen Stile gebaut worden, sollte nun in den leichten gefälligen Geschmack, den' die tonangebende Roma damals liebte, hinübergebildet werden. Wir finden daher auf die dorischen Säulen, nachdem man sie angemessen erhöht, korin¬ thische Capitäle aufgesetzt. Den oben erwähnten Tempel, den schönsten der heiteren Stadt, die in der Venus ihre Patronin verehrte, sah der Vater der Götter zu seiner Rech, ten. Er öffnet sich aber nicht auf das Forum, mit dem er nur durch eine Treppe verbunden war, sondern steht inmitten seines eigenen säulenumgebe¬ nen Hofes, von allen Seiten frei zu umgehen; vor ihm einige marmorne

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_120192/441>, abgerufen am 28.09.2024.