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Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. I. Band.

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nickte zuerst die Königin Augusts freundlich zu, und wie nach flüchtigem
Aufenthalt der Zug sich wieder in Bewegung setzte und der Redner ein Hoch
ausbrachte auf das Haupt des norddeutschen Bundes, den Schirmherrn
Deutschlands, den Kaiser der Deutschen, in welches die Menge jubelnd ein¬
fiel, so neigte sich auch der König herzlich dankend und grüßend aus dem
Fenster vor, und fort gings -- am Hohenstaufen vorbei nach dem Zollern.
Nach wenigen Tagen kam von Zollern herab an jenen Redner ein dankendes
und entschuldigendes Schreiben. Seine Majestät. -- so wurde hier der Inhalt
erzählt --sei zuvor in Kenntniß gesetzt worden, daß eine freundliche und eine feind¬
liche Demonstration zugleich in Geislingen für ihn vorbereitet werde, er habe
es darum für passend gehalten, jede Kundgebung abzulehnen; zudem seien seine
Eindrücke am württembergischen Hofe in Friedrichshafen derart gewesen, daß
er sich entschlossen habe, möglichst schnell und ohne Aufsehen seine Reise durch
Württemberg fortzuführen.

In diefem Geislingen nun hielt die deutsche Partei in Württemberg am
28. Februar ihre Landesversammlung. Das Terrain war, wie marv sieht,
nicht ungünstig gewählt. Und es ist dem "Beobachter", der nicht übel Lust
hatte, diese Wahl als einen unbefugten Kunstgriff zu denunciren, unbedingt
zuzugeben, daß die deutsche Partei nirgend sonst einen so einmüthigen und
zugleich so festlichen Empfang gefunden hätte. Nirgends sonst wäre ein so
reichlicher Schmuck mit schwarz, weiß-rothen Fahnen entfaltet worden, wie
er den Ankommenden bereits aus der Ferne zuwinkte; denn der alte Römer¬
thurm, der aus den Buchenwäldern auf das Städtchen herabsieht, trug eine
mächtige Fahne mit den Farben des norddeutschen Bundes, und in den
Straßen war fast kein Haus ohne Schmuck von Kränzen und Fahnen, das
Rathhaus sogar nicht ausgenommen. Allein hätte die deutsche Partei einen
Ort gewählt, wo die politische Gesinnung mehr paritätisch vertheilt ist, so
wäre ihr der andere Vorwurf sicher nicht erspart worden, daß sie es darauf
anlege, die zartesten Gefühle ihrer politischen Gegner roh zu verletzen, wie
sie denn wirklich diesem Vorwurf nicht entging, als sie im August v. I.
zu Göppingen den mit großen Anstrengungen erstrittenen Wahlsieg Hölder's
durch ein Banket zu feiern sich erkühnte, und damals gleichfalls ganze Straßen
lieblich mit schwarz-weiß-rothen Fahnen verziert waren, worin der "Be¬
obachter" nichts anderes erblicken konnte, als frechen Hohn und schnöde
Herausforderung. Und daraus dürfte denn als zweifellos hervorgehen, daß
die deutsche Partei ein für allemal auf den Beifall des "Beobachters" wird
verzichten müssen.

Uebrigens ist es ja nicht an dem, daß man Geislingen, was die patrio¬
tische Denkart seiner Bürger betrifft, geradezu einem Eiland mitten im unwirth¬
lichen Ocean vergleichen dürste. Es liegt vielmehr eine gewisse Beruhigung


nickte zuerst die Königin Augusts freundlich zu, und wie nach flüchtigem
Aufenthalt der Zug sich wieder in Bewegung setzte und der Redner ein Hoch
ausbrachte auf das Haupt des norddeutschen Bundes, den Schirmherrn
Deutschlands, den Kaiser der Deutschen, in welches die Menge jubelnd ein¬
fiel, so neigte sich auch der König herzlich dankend und grüßend aus dem
Fenster vor, und fort gings — am Hohenstaufen vorbei nach dem Zollern.
Nach wenigen Tagen kam von Zollern herab an jenen Redner ein dankendes
und entschuldigendes Schreiben. Seine Majestät. — so wurde hier der Inhalt
erzählt —sei zuvor in Kenntniß gesetzt worden, daß eine freundliche und eine feind¬
liche Demonstration zugleich in Geislingen für ihn vorbereitet werde, er habe
es darum für passend gehalten, jede Kundgebung abzulehnen; zudem seien seine
Eindrücke am württembergischen Hofe in Friedrichshafen derart gewesen, daß
er sich entschlossen habe, möglichst schnell und ohne Aufsehen seine Reise durch
Württemberg fortzuführen.

In diefem Geislingen nun hielt die deutsche Partei in Württemberg am
28. Februar ihre Landesversammlung. Das Terrain war, wie marv sieht,
nicht ungünstig gewählt. Und es ist dem „Beobachter", der nicht übel Lust
hatte, diese Wahl als einen unbefugten Kunstgriff zu denunciren, unbedingt
zuzugeben, daß die deutsche Partei nirgend sonst einen so einmüthigen und
zugleich so festlichen Empfang gefunden hätte. Nirgends sonst wäre ein so
reichlicher Schmuck mit schwarz, weiß-rothen Fahnen entfaltet worden, wie
er den Ankommenden bereits aus der Ferne zuwinkte; denn der alte Römer¬
thurm, der aus den Buchenwäldern auf das Städtchen herabsieht, trug eine
mächtige Fahne mit den Farben des norddeutschen Bundes, und in den
Straßen war fast kein Haus ohne Schmuck von Kränzen und Fahnen, das
Rathhaus sogar nicht ausgenommen. Allein hätte die deutsche Partei einen
Ort gewählt, wo die politische Gesinnung mehr paritätisch vertheilt ist, so
wäre ihr der andere Vorwurf sicher nicht erspart worden, daß sie es darauf
anlege, die zartesten Gefühle ihrer politischen Gegner roh zu verletzen, wie
sie denn wirklich diesem Vorwurf nicht entging, als sie im August v. I.
zu Göppingen den mit großen Anstrengungen erstrittenen Wahlsieg Hölder's
durch ein Banket zu feiern sich erkühnte, und damals gleichfalls ganze Straßen
lieblich mit schwarz-weiß-rothen Fahnen verziert waren, worin der „Be¬
obachter" nichts anderes erblicken konnte, als frechen Hohn und schnöde
Herausforderung. Und daraus dürfte denn als zweifellos hervorgehen, daß
die deutsche Partei ein für allemal auf den Beifall des „Beobachters" wird
verzichten müssen.

Uebrigens ist es ja nicht an dem, daß man Geislingen, was die patrio¬
tische Denkart seiner Bürger betrifft, geradezu einem Eiland mitten im unwirth¬
lichen Ocean vergleichen dürste. Es liegt vielmehr eine gewisse Beruhigung


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[0432] nickte zuerst die Königin Augusts freundlich zu, und wie nach flüchtigem Aufenthalt der Zug sich wieder in Bewegung setzte und der Redner ein Hoch ausbrachte auf das Haupt des norddeutschen Bundes, den Schirmherrn Deutschlands, den Kaiser der Deutschen, in welches die Menge jubelnd ein¬ fiel, so neigte sich auch der König herzlich dankend und grüßend aus dem Fenster vor, und fort gings — am Hohenstaufen vorbei nach dem Zollern. Nach wenigen Tagen kam von Zollern herab an jenen Redner ein dankendes und entschuldigendes Schreiben. Seine Majestät. — so wurde hier der Inhalt erzählt —sei zuvor in Kenntniß gesetzt worden, daß eine freundliche und eine feind¬ liche Demonstration zugleich in Geislingen für ihn vorbereitet werde, er habe es darum für passend gehalten, jede Kundgebung abzulehnen; zudem seien seine Eindrücke am württembergischen Hofe in Friedrichshafen derart gewesen, daß er sich entschlossen habe, möglichst schnell und ohne Aufsehen seine Reise durch Württemberg fortzuführen. In diefem Geislingen nun hielt die deutsche Partei in Württemberg am 28. Februar ihre Landesversammlung. Das Terrain war, wie marv sieht, nicht ungünstig gewählt. Und es ist dem „Beobachter", der nicht übel Lust hatte, diese Wahl als einen unbefugten Kunstgriff zu denunciren, unbedingt zuzugeben, daß die deutsche Partei nirgend sonst einen so einmüthigen und zugleich so festlichen Empfang gefunden hätte. Nirgends sonst wäre ein so reichlicher Schmuck mit schwarz, weiß-rothen Fahnen entfaltet worden, wie er den Ankommenden bereits aus der Ferne zuwinkte; denn der alte Römer¬ thurm, der aus den Buchenwäldern auf das Städtchen herabsieht, trug eine mächtige Fahne mit den Farben des norddeutschen Bundes, und in den Straßen war fast kein Haus ohne Schmuck von Kränzen und Fahnen, das Rathhaus sogar nicht ausgenommen. Allein hätte die deutsche Partei einen Ort gewählt, wo die politische Gesinnung mehr paritätisch vertheilt ist, so wäre ihr der andere Vorwurf sicher nicht erspart worden, daß sie es darauf anlege, die zartesten Gefühle ihrer politischen Gegner roh zu verletzen, wie sie denn wirklich diesem Vorwurf nicht entging, als sie im August v. I. zu Göppingen den mit großen Anstrengungen erstrittenen Wahlsieg Hölder's durch ein Banket zu feiern sich erkühnte, und damals gleichfalls ganze Straßen lieblich mit schwarz-weiß-rothen Fahnen verziert waren, worin der „Be¬ obachter" nichts anderes erblicken konnte, als frechen Hohn und schnöde Herausforderung. Und daraus dürfte denn als zweifellos hervorgehen, daß die deutsche Partei ein für allemal auf den Beifall des „Beobachters" wird verzichten müssen. Uebrigens ist es ja nicht an dem, daß man Geislingen, was die patrio¬ tische Denkart seiner Bürger betrifft, geradezu einem Eiland mitten im unwirth¬ lichen Ocean vergleichen dürste. Es liegt vielmehr eine gewisse Beruhigung

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_120192/432>, abgerufen am 28.09.2024.