Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. I. Band.starke Reduction der bisherigen Zahl von Universitäten. Die Mittel, welche Wir glauben, je mehr die Zusammensetzung der maßgebenden Stelle Wer die Geschichte unserer deutschen Universitäten vorurtheilsfrei er- starke Reduction der bisherigen Zahl von Universitäten. Die Mittel, welche Wir glauben, je mehr die Zusammensetzung der maßgebenden Stelle Wer die Geschichte unserer deutschen Universitäten vorurtheilsfrei er- <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0427" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/120616"/> <p xml:id="ID_1251" prev="#ID_1250"> starke Reduction der bisherigen Zahl von Universitäten. Die Mittel, welche<lb/> für zwanzig solcher Institute nicht aufgebracht werden können, reichen für<lb/> die Hälfte davon, oder im Nothfall auch für eine geringere Zahl höchst<lb/> wahrscheinlich aus. Freilich, wenn man nur die nächst Betheiligten hört, so<lb/> hält Jeder derselben die fulminanteste Rede pro äomo, mit tausend unwiderleg-<lb/> licher Gründen gewappnet, warum gerade seine Universität unentbehrlich für<lb/> das Vaterland und die Wissenschaft ist. Auf diese Art würde man nie zum<lb/> Ziele kommen, und nur das direkte und rückhaltlose Eingreifen einer außer¬<lb/> halb stehenden Autorität kann, wie es früher bei der Aufhebung so vieler<lb/> Dutzende deutscher Universitäten auch geschehen ist, etwas durchsetzen. Wün¬<lb/> schenswert!) wäre immerhin, wenn das nicht blos nach dem sublimen Er¬<lb/> messen der Weisen am grünen Tische geschähe, sondern wenn die wirklich<lb/> Sachverständigen, wozu wir auch, aber nicht ausschließlich, manche Pro¬<lb/> fessoren rechnen, gehört würden. Unser Anonymus ist im Allgemeinen auch<lb/> auf dieses Auskunftsmittel verfallen, weil in der That für Jemand, der die<lb/> UnHaltbarkeit der faktischen Zustände anerkennt, gar kein anderes übrig bleibt.<lb/> Aber er ist doch zu sehr Professor, um eine Radicalcur zu empfehlen. Allenfalls<lb/> zwei, drei der kleinsten unter den Kleinen dieser Tage mögen geopfert werden,<lb/> aber die anderen müssen conservirt bleiben. Daß damit schon für die finanzielle<lb/> Vorfrage Nichts gewonnen ist, liegt auf der Hand. Dagegen ist es ein frucht¬<lb/> barer Gedanke, die eigentlich organische Reform der Universitäten, wozu eben<lb/> auch und zu allererst die Bestimmung über ihre Zahl gehört, dem höchsten<lb/> konstitutionellen Organ des deutschen Volkes, also einstweilen dem norddeut¬<lb/> schen Reichstag zu überweisen, der ja auch, falls Jemand darauf Gewicht<lb/> legt, nach der Verfassungsurkunde des norddeutschen Bundes ein formelles<lb/> Recht dazu besitzt. Gewiß werden die höchsten idealen und materiellen Ge¬<lb/> sichtspunkte, um die es sich handelt, gerade hier am Besten erfaßt und durch¬<lb/> drungen werden können, wenigstens mit weiterem Blicke, als wenn ein ein¬<lb/> zelner Minister, oder auch ein Ausschuß von Sachverständigen an seiner<lb/> Seite darüber entscheiden sollte.</p><lb/> <p xml:id="ID_1252"> Wir glauben, je mehr die Zusammensetzung der maßgebenden Stelle<lb/> dafür Bürgschaft gibt, daß die particularistischen Schrullen und Loe'cil-<lb/> interessen vor der Rücksicht auf das Allgemeine und das Gesammtinteresse<lb/> der Wissenschaft und Nation zurücktreten, desto gründlicher wird die Axt an<lb/> viele morsche Stämme gelegt werden, die kein anderes Recht ihres Daseins<lb/> beanspruchen dürfen, als daß sie bisher dem Namen nach ein solches ge¬<lb/> führt haben.</p><lb/> <p xml:id="ID_1253" next="#ID_1254"> Wer die Geschichte unserer deutschen Universitäten vorurtheilsfrei er-<lb/> wägt, wird den überschwänglichen Reichthum an solchen Gebilden, der be¬<lb/> sonders seit dem dreißigjährigen Krieg sich hervorthat, für ein Symptom</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0427]
starke Reduction der bisherigen Zahl von Universitäten. Die Mittel, welche
für zwanzig solcher Institute nicht aufgebracht werden können, reichen für
die Hälfte davon, oder im Nothfall auch für eine geringere Zahl höchst
wahrscheinlich aus. Freilich, wenn man nur die nächst Betheiligten hört, so
hält Jeder derselben die fulminanteste Rede pro äomo, mit tausend unwiderleg-
licher Gründen gewappnet, warum gerade seine Universität unentbehrlich für
das Vaterland und die Wissenschaft ist. Auf diese Art würde man nie zum
Ziele kommen, und nur das direkte und rückhaltlose Eingreifen einer außer¬
halb stehenden Autorität kann, wie es früher bei der Aufhebung so vieler
Dutzende deutscher Universitäten auch geschehen ist, etwas durchsetzen. Wün¬
schenswert!) wäre immerhin, wenn das nicht blos nach dem sublimen Er¬
messen der Weisen am grünen Tische geschähe, sondern wenn die wirklich
Sachverständigen, wozu wir auch, aber nicht ausschließlich, manche Pro¬
fessoren rechnen, gehört würden. Unser Anonymus ist im Allgemeinen auch
auf dieses Auskunftsmittel verfallen, weil in der That für Jemand, der die
UnHaltbarkeit der faktischen Zustände anerkennt, gar kein anderes übrig bleibt.
Aber er ist doch zu sehr Professor, um eine Radicalcur zu empfehlen. Allenfalls
zwei, drei der kleinsten unter den Kleinen dieser Tage mögen geopfert werden,
aber die anderen müssen conservirt bleiben. Daß damit schon für die finanzielle
Vorfrage Nichts gewonnen ist, liegt auf der Hand. Dagegen ist es ein frucht¬
barer Gedanke, die eigentlich organische Reform der Universitäten, wozu eben
auch und zu allererst die Bestimmung über ihre Zahl gehört, dem höchsten
konstitutionellen Organ des deutschen Volkes, also einstweilen dem norddeut¬
schen Reichstag zu überweisen, der ja auch, falls Jemand darauf Gewicht
legt, nach der Verfassungsurkunde des norddeutschen Bundes ein formelles
Recht dazu besitzt. Gewiß werden die höchsten idealen und materiellen Ge¬
sichtspunkte, um die es sich handelt, gerade hier am Besten erfaßt und durch¬
drungen werden können, wenigstens mit weiterem Blicke, als wenn ein ein¬
zelner Minister, oder auch ein Ausschuß von Sachverständigen an seiner
Seite darüber entscheiden sollte.
Wir glauben, je mehr die Zusammensetzung der maßgebenden Stelle
dafür Bürgschaft gibt, daß die particularistischen Schrullen und Loe'cil-
interessen vor der Rücksicht auf das Allgemeine und das Gesammtinteresse
der Wissenschaft und Nation zurücktreten, desto gründlicher wird die Axt an
viele morsche Stämme gelegt werden, die kein anderes Recht ihres Daseins
beanspruchen dürfen, als daß sie bisher dem Namen nach ein solches ge¬
führt haben.
Wer die Geschichte unserer deutschen Universitäten vorurtheilsfrei er-
wägt, wird den überschwänglichen Reichthum an solchen Gebilden, der be¬
sonders seit dem dreißigjährigen Krieg sich hervorthat, für ein Symptom
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