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Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. I. Band.

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Dresden d. 13. Septbr. 86.

Ich habe Leipzig verlassen müssen ohne Abschied von Ihnen nehmen zu
dürfen, ohne mir noch einmal das Versprechen von Ihnen wiederhohlen zu
lassen, daß Ihre Freundschaft mir bleiben wird. Wenn das heilige Gelübde
der meinigen einigen Werth für Sie haben kann, so empfangen Sie es jetzt
aus reinem und offenen Herzen. Sie haben mich um einen Edlen Menschen
reicher gemacht und ich schäze diese Eroberung höher als alle Geschenke, die
das Glück zu vergeben hat. Unsere Seelen haben sich berührt, lassen Sie
das eine Verwandschaft unter uns stiften, die der alles verheerenden Zeit
mutig Trotz bieten kann. Unvergeßlich sind mir die wenigen Stunden, die
ich in Ihrem nähern Umgang durchlebte, diese Erinnerung wird ein Heller
Punkt in meinem Leben seyn. Könnte ich hoffen bester Freund, daß auch
von meiner Seite etwas zu Vermehrung Ihrer Freuden geschehen wäre
und noch geschehen könnte, dann glaube ich würde ich noch einmal so stolz
auf mein Herz seyn. Leben Sie wol und glücklich. Ich könnte diesem
Brief noch einen historischen Theil anhängen, aber das übrige können Sie
ja von Hudern erfahren und die Bestätigung unsrer Freundschaft, dächte ich,
wäre für einen Brief schon Inhalt genug. Erlauben Sie, daß ich in mei¬
nen trüben und glücklichen Stunden zuweilen an die Theilnahme appellire,
die Sie mir so liebevoll zusagten, und bisher bewiesen haben, und halten
Sie die Viertelstunde nicht für verloren, die Sie meinem Andenken und einem
. Brief an mich widmen.

Körner mit seiner Frau und Schwägerin befrachten meinen Brief mit
tausend Grüßen an Sie, Ihre liebe gute Frau, mit welcher Sie meine
Freundschaft brüderlich theilen werden. Die gute Karoline und unsere Chri¬
stine Kunze küssen Sie von meinetwegen herzlich. Empfehlen Sie mich un¬
serm lieben v. Hartwig und versichern Sie Ihn meiner immer währenden
Freundschaft, aber sagen Sie ihm auch, daß er den Ohrenbläßereien der
schwarzen Göttin nicht alles glauben soll. Wir Mediciner sind darinn übler
daran als andre, weil unsre Furcht vor Krankheit mikroskopische Augen hat,
weil wir tausend Wege mehr entdecken, die die Krankheit zu unserm Leben
ausfündig macht; Aber eben diese Bekanntschaft mit dieser Materie liefert
noch ungleich mehr Gründe zu unsrer Beruhigung, worauf ich den guten
Hartwich verweise.


Noch einmal liebster Freund leben Sie glücklich ewig geliebt von
Ihrem aufrichtigsten Freund
Fried. Schiller.


Dresden d. 13. Septbr. 86.

Ich habe Leipzig verlassen müssen ohne Abschied von Ihnen nehmen zu
dürfen, ohne mir noch einmal das Versprechen von Ihnen wiederhohlen zu
lassen, daß Ihre Freundschaft mir bleiben wird. Wenn das heilige Gelübde
der meinigen einigen Werth für Sie haben kann, so empfangen Sie es jetzt
aus reinem und offenen Herzen. Sie haben mich um einen Edlen Menschen
reicher gemacht und ich schäze diese Eroberung höher als alle Geschenke, die
das Glück zu vergeben hat. Unsere Seelen haben sich berührt, lassen Sie
das eine Verwandschaft unter uns stiften, die der alles verheerenden Zeit
mutig Trotz bieten kann. Unvergeßlich sind mir die wenigen Stunden, die
ich in Ihrem nähern Umgang durchlebte, diese Erinnerung wird ein Heller
Punkt in meinem Leben seyn. Könnte ich hoffen bester Freund, daß auch
von meiner Seite etwas zu Vermehrung Ihrer Freuden geschehen wäre
und noch geschehen könnte, dann glaube ich würde ich noch einmal so stolz
auf mein Herz seyn. Leben Sie wol und glücklich. Ich könnte diesem
Brief noch einen historischen Theil anhängen, aber das übrige können Sie
ja von Hudern erfahren und die Bestätigung unsrer Freundschaft, dächte ich,
wäre für einen Brief schon Inhalt genug. Erlauben Sie, daß ich in mei¬
nen trüben und glücklichen Stunden zuweilen an die Theilnahme appellire,
die Sie mir so liebevoll zusagten, und bisher bewiesen haben, und halten
Sie die Viertelstunde nicht für verloren, die Sie meinem Andenken und einem
. Brief an mich widmen.

Körner mit seiner Frau und Schwägerin befrachten meinen Brief mit
tausend Grüßen an Sie, Ihre liebe gute Frau, mit welcher Sie meine
Freundschaft brüderlich theilen werden. Die gute Karoline und unsere Chri¬
stine Kunze küssen Sie von meinetwegen herzlich. Empfehlen Sie mich un¬
serm lieben v. Hartwig und versichern Sie Ihn meiner immer währenden
Freundschaft, aber sagen Sie ihm auch, daß er den Ohrenbläßereien der
schwarzen Göttin nicht alles glauben soll. Wir Mediciner sind darinn übler
daran als andre, weil unsre Furcht vor Krankheit mikroskopische Augen hat,
weil wir tausend Wege mehr entdecken, die die Krankheit zu unserm Leben
ausfündig macht; Aber eben diese Bekanntschaft mit dieser Materie liefert
noch ungleich mehr Gründe zu unsrer Beruhigung, worauf ich den guten
Hartwich verweise.


Noch einmal liebster Freund leben Sie glücklich ewig geliebt von
Ihrem aufrichtigsten Freund
Fried. Schiller.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_120192/411>, abgerufen am 28.09.2024.