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Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. I. Band.

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zu setzen suchte. Noch bevor dieser Kampf ausgefochten war, führte Johann's
verhängnißvolle Ehe mit der polnischen Prinzessin Katharina, zu einem top.
pelten Conflict: innerhalb Schwedens trat, gleichzeitig mit Alba's nieder-
ländischen Siegen und dem Beginn der französischen Bürgerkriege, eine Re¬
action im katholischen Sinne ein, welche sich zunächst in einer veränderten
Richtung der Politik fühlbar machte, und wenig später begann der lange er¬
bitterte Krieg mit Polen, dessen abtrünniger König schon im I. 1593 aus
seiner schwedischen Herrschaft verdrängt wurde. Seit der Thronbesteigung
Karl's IX. steht der Antagonismus Polens gegen die protestantische Monarchie
des baltischen Nordens im engsten Zusammenhang mit den Plänen der
Habsburgischen Universalmonarchie und deren Absichten auf die Herrschaft
über die Ostsee. Der Gegensatz gegen Dänemark hat darum nicht aufgehört,
aber er ist in zweite Linie gerückt, und gewinnt seine entscheidende Färbung
fortan durch die Beziehungen Schwedens zu der protestantischen Opposition
in Deutschland.

Die folgenden Bücher gehen im Einzelnen den Windungen der schwedischen
Politik nach, bevor diese durch die Landung in Pommern den letzten und
entscheidenden Schritt that, um an die Spitze der lang geplanten, aber immer
nicht zu Stande gekommenen protestantischen Konföderation gegen die habs-
burgisch-spanischen Herrschastsansprüche zu treten. Eingeleitet ist das zweite
Buch durch eine Charakteristik der Person und des Entwicklungsganges des
Helden selbst. Auf diese wird um so größeres Gewicht zu legen sein, als sie
eigentlich den einzigen Abschnitt des gesammten ersten Bandes unserer Schrift
bildet, welcher es mit den handelnden Personen als solchen zu thun hat; in den
folgenden Büchern und Capiteln treten die den Gang der Ereignisse
bedingenden Männer wieder so vollständig hinter die geschilderten Verhält¬
nisse und diplomatischen Verwickelungen zurück, daß das Interesse des Lesers
leicht erlahmt, mindestens von seiner Frische und Ursprünglichkeit verliert.
Der Verfasser, der bereits in der Vorrede gesagt hat, "er wolle nicht den
Verlauf des Lebens, sondern die Reihe von Verhältnissen darlegen, in welche
Gustav Adolf eingegriffen hat", geht diesem seinen Hauptzweck so direkt nach,
ist mit der Bewältigung der schwierigen Aufgabe, die verschiedenen Phasen
der europäischen Gesammtsituation zu schildern und auseinander abzuleiten,
so ausschließlich beschäftigt, daß er zu näherer Bekanntschaft mit den Per-
sonen nicht die Zeit hat. Wir wollen unerörtert lassen, in wie weit die Ge¬
schichte der Politik eines Staates wahrhaft anschaulich gemacht werden kann,
wenn sie nicht zugleich eine Geschichte der betheiligten Politiker ist. und wo
der Punkt beginnt, an welchem das Handeln der Personen nicht mehr
auf die sie beherrschenden Verhältnisse zurückgeführt werden kann, sondern
umgekehrt die Personen vor den Verhältnissen in den Vordergrund treten
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zu setzen suchte. Noch bevor dieser Kampf ausgefochten war, führte Johann's
verhängnißvolle Ehe mit der polnischen Prinzessin Katharina, zu einem top.
pelten Conflict: innerhalb Schwedens trat, gleichzeitig mit Alba's nieder-
ländischen Siegen und dem Beginn der französischen Bürgerkriege, eine Re¬
action im katholischen Sinne ein, welche sich zunächst in einer veränderten
Richtung der Politik fühlbar machte, und wenig später begann der lange er¬
bitterte Krieg mit Polen, dessen abtrünniger König schon im I. 1593 aus
seiner schwedischen Herrschaft verdrängt wurde. Seit der Thronbesteigung
Karl's IX. steht der Antagonismus Polens gegen die protestantische Monarchie
des baltischen Nordens im engsten Zusammenhang mit den Plänen der
Habsburgischen Universalmonarchie und deren Absichten auf die Herrschaft
über die Ostsee. Der Gegensatz gegen Dänemark hat darum nicht aufgehört,
aber er ist in zweite Linie gerückt, und gewinnt seine entscheidende Färbung
fortan durch die Beziehungen Schwedens zu der protestantischen Opposition
in Deutschland.

Die folgenden Bücher gehen im Einzelnen den Windungen der schwedischen
Politik nach, bevor diese durch die Landung in Pommern den letzten und
entscheidenden Schritt that, um an die Spitze der lang geplanten, aber immer
nicht zu Stande gekommenen protestantischen Konföderation gegen die habs-
burgisch-spanischen Herrschastsansprüche zu treten. Eingeleitet ist das zweite
Buch durch eine Charakteristik der Person und des Entwicklungsganges des
Helden selbst. Auf diese wird um so größeres Gewicht zu legen sein, als sie
eigentlich den einzigen Abschnitt des gesammten ersten Bandes unserer Schrift
bildet, welcher es mit den handelnden Personen als solchen zu thun hat; in den
folgenden Büchern und Capiteln treten die den Gang der Ereignisse
bedingenden Männer wieder so vollständig hinter die geschilderten Verhält¬
nisse und diplomatischen Verwickelungen zurück, daß das Interesse des Lesers
leicht erlahmt, mindestens von seiner Frische und Ursprünglichkeit verliert.
Der Verfasser, der bereits in der Vorrede gesagt hat, „er wolle nicht den
Verlauf des Lebens, sondern die Reihe von Verhältnissen darlegen, in welche
Gustav Adolf eingegriffen hat", geht diesem seinen Hauptzweck so direkt nach,
ist mit der Bewältigung der schwierigen Aufgabe, die verschiedenen Phasen
der europäischen Gesammtsituation zu schildern und auseinander abzuleiten,
so ausschließlich beschäftigt, daß er zu näherer Bekanntschaft mit den Per-
sonen nicht die Zeit hat. Wir wollen unerörtert lassen, in wie weit die Ge¬
schichte der Politik eines Staates wahrhaft anschaulich gemacht werden kann,
wenn sie nicht zugleich eine Geschichte der betheiligten Politiker ist. und wo
der Punkt beginnt, an welchem das Handeln der Personen nicht mehr
auf die sie beherrschenden Verhältnisse zurückgeführt werden kann, sondern
umgekehrt die Personen vor den Verhältnissen in den Vordergrund treten
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[0407] zu setzen suchte. Noch bevor dieser Kampf ausgefochten war, führte Johann's verhängnißvolle Ehe mit der polnischen Prinzessin Katharina, zu einem top. pelten Conflict: innerhalb Schwedens trat, gleichzeitig mit Alba's nieder- ländischen Siegen und dem Beginn der französischen Bürgerkriege, eine Re¬ action im katholischen Sinne ein, welche sich zunächst in einer veränderten Richtung der Politik fühlbar machte, und wenig später begann der lange er¬ bitterte Krieg mit Polen, dessen abtrünniger König schon im I. 1593 aus seiner schwedischen Herrschaft verdrängt wurde. Seit der Thronbesteigung Karl's IX. steht der Antagonismus Polens gegen die protestantische Monarchie des baltischen Nordens im engsten Zusammenhang mit den Plänen der Habsburgischen Universalmonarchie und deren Absichten auf die Herrschaft über die Ostsee. Der Gegensatz gegen Dänemark hat darum nicht aufgehört, aber er ist in zweite Linie gerückt, und gewinnt seine entscheidende Färbung fortan durch die Beziehungen Schwedens zu der protestantischen Opposition in Deutschland. Die folgenden Bücher gehen im Einzelnen den Windungen der schwedischen Politik nach, bevor diese durch die Landung in Pommern den letzten und entscheidenden Schritt that, um an die Spitze der lang geplanten, aber immer nicht zu Stande gekommenen protestantischen Konföderation gegen die habs- burgisch-spanischen Herrschastsansprüche zu treten. Eingeleitet ist das zweite Buch durch eine Charakteristik der Person und des Entwicklungsganges des Helden selbst. Auf diese wird um so größeres Gewicht zu legen sein, als sie eigentlich den einzigen Abschnitt des gesammten ersten Bandes unserer Schrift bildet, welcher es mit den handelnden Personen als solchen zu thun hat; in den folgenden Büchern und Capiteln treten die den Gang der Ereignisse bedingenden Männer wieder so vollständig hinter die geschilderten Verhält¬ nisse und diplomatischen Verwickelungen zurück, daß das Interesse des Lesers leicht erlahmt, mindestens von seiner Frische und Ursprünglichkeit verliert. Der Verfasser, der bereits in der Vorrede gesagt hat, „er wolle nicht den Verlauf des Lebens, sondern die Reihe von Verhältnissen darlegen, in welche Gustav Adolf eingegriffen hat", geht diesem seinen Hauptzweck so direkt nach, ist mit der Bewältigung der schwierigen Aufgabe, die verschiedenen Phasen der europäischen Gesammtsituation zu schildern und auseinander abzuleiten, so ausschließlich beschäftigt, daß er zu näherer Bekanntschaft mit den Per- sonen nicht die Zeit hat. Wir wollen unerörtert lassen, in wie weit die Ge¬ schichte der Politik eines Staates wahrhaft anschaulich gemacht werden kann, wenn sie nicht zugleich eine Geschichte der betheiligten Politiker ist. und wo der Punkt beginnt, an welchem das Handeln der Personen nicht mehr auf die sie beherrschenden Verhältnisse zurückgeführt werden kann, sondern umgekehrt die Personen vor den Verhältnissen in den Vordergrund treten * 50

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_120192/407>, abgerufen am 28.09.2024.