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Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. I. Band.

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auf chinesische Weise von der Welt abschließen, es muß an den Welthändeln
regen Antheil nehmen, und wo immer sich eine Gelegenheit bietet, einer be¬
drückten Nation zu helfen, muß es, dem Brennus gleich, sein Schwert in die
Waage werfen. Wenn es deshalb möglich ist, daß der Sache der Freiheit
in Europa durch uns zum Siege verholfen werden kann, so lehrt uns die
gesunde Vernunft, keine Gelegenheit zu verpassen, durch irgend ein Opfer ihr
diesen Sieg zu sichern, indem dieses unsere beste und sicherste Selbstverthei-
digung ist. Ob auch unser Banner auf tausend europäischen Schlachtfeldern
siegreich weht, man wird uns nicht mehr hassen, als man uns bereits in den
europäischen Kabinetten haßt. In diesem Kampf handelt es sich aber nicht
um Republik oder Monarchie, sondern um den Krieg zwischen Freiheit und
Sclaverei. Es ist noch zweifelhaft, ob nicht ein erbliches Oberhaupt -- wenn
es rechtschaffen ist -- für einige Theile Europas das beste wäre. Die freieste
Regierung der Welt -- nach der unseligen -- ist die populäre Monarchie
England, und das gekrönte Haupt Victoria's ist uns bei weitem theurer, als
der Despot ohne Krone, welcher die Welt mit dem Spottnamen Prinz-
Präsident der französischen Republik verhöhnt.....Der ehrwürdige Titel
Präsident wird bald eben so verrufen sein, wie der des Königs, wenn er von
dem Despoten Frankreichs noch lange geführt wird."

Leider kann ich diese Skizze nicht schließen, ohne einer Verirrung dieses
ausgezeichneten Mannes zu gedenken, nämlich seiner Verbindung mit der
Partei der sogenannten Knownothings.

Als ein Führer dieser Fanatiker im Staate Maryland diente auch Davis
eine Zeit lang dem Fremdenhaß, freilich aus anderen Beweggründen, als die
Menge seiner Parteigenossen. Man hat versucht, ihn später reinzuwaschen,
und ihn besonders in den Augen der Deutschen zu rehabilitiren. Das ist
ebenso überflüssig wie vergeblich. Davis hatte Jahre lang mit angesehen.
Wie die massenhaft einwandernden Deutschen und Jrländer gedankenlos in
die Reihen der demokratischen Partei traten, wie sie größtenteils durch den
schamlosesten Betrug, nachdem sie kaum fünf Monate im Lande waren, zu
Bürgern gemacht wurden, und dafür durch ihre Stimmen den Demokraten
zum Siege verhalfen. wie sie, ohne nur im Geringsten zu wissen, warum es
sich handelte, abstimmten, wie sie sich von demokratischen Stimmenmäklern
schaarenweise an die Stimmplätze treiben ließen, was ihnen bekanntlich den
bezeichnenden Namen "Stimmvieh" verschaffte. Er sah das Alles, und sein
Herz erfüllte bald eine maßlose Erbitterung gegen Leute, welche vorgaben,
der Freiheit halber in dieses Land gekommen zu sein, und doch den Selaven-
halterinteressen bereitwillig in die Hände arbeiteten. Seine Ansichten über
die Deutschen erfuhren übrigens später, besonders als er unsere reiche Litera¬
tur im Original kennen lernte, eine völlige Umwandlung.


auf chinesische Weise von der Welt abschließen, es muß an den Welthändeln
regen Antheil nehmen, und wo immer sich eine Gelegenheit bietet, einer be¬
drückten Nation zu helfen, muß es, dem Brennus gleich, sein Schwert in die
Waage werfen. Wenn es deshalb möglich ist, daß der Sache der Freiheit
in Europa durch uns zum Siege verholfen werden kann, so lehrt uns die
gesunde Vernunft, keine Gelegenheit zu verpassen, durch irgend ein Opfer ihr
diesen Sieg zu sichern, indem dieses unsere beste und sicherste Selbstverthei-
digung ist. Ob auch unser Banner auf tausend europäischen Schlachtfeldern
siegreich weht, man wird uns nicht mehr hassen, als man uns bereits in den
europäischen Kabinetten haßt. In diesem Kampf handelt es sich aber nicht
um Republik oder Monarchie, sondern um den Krieg zwischen Freiheit und
Sclaverei. Es ist noch zweifelhaft, ob nicht ein erbliches Oberhaupt — wenn
es rechtschaffen ist — für einige Theile Europas das beste wäre. Die freieste
Regierung der Welt — nach der unseligen — ist die populäre Monarchie
England, und das gekrönte Haupt Victoria's ist uns bei weitem theurer, als
der Despot ohne Krone, welcher die Welt mit dem Spottnamen Prinz-
Präsident der französischen Republik verhöhnt.....Der ehrwürdige Titel
Präsident wird bald eben so verrufen sein, wie der des Königs, wenn er von
dem Despoten Frankreichs noch lange geführt wird."

Leider kann ich diese Skizze nicht schließen, ohne einer Verirrung dieses
ausgezeichneten Mannes zu gedenken, nämlich seiner Verbindung mit der
Partei der sogenannten Knownothings.

Als ein Führer dieser Fanatiker im Staate Maryland diente auch Davis
eine Zeit lang dem Fremdenhaß, freilich aus anderen Beweggründen, als die
Menge seiner Parteigenossen. Man hat versucht, ihn später reinzuwaschen,
und ihn besonders in den Augen der Deutschen zu rehabilitiren. Das ist
ebenso überflüssig wie vergeblich. Davis hatte Jahre lang mit angesehen.
Wie die massenhaft einwandernden Deutschen und Jrländer gedankenlos in
die Reihen der demokratischen Partei traten, wie sie größtenteils durch den
schamlosesten Betrug, nachdem sie kaum fünf Monate im Lande waren, zu
Bürgern gemacht wurden, und dafür durch ihre Stimmen den Demokraten
zum Siege verhalfen. wie sie, ohne nur im Geringsten zu wissen, warum es
sich handelte, abstimmten, wie sie sich von demokratischen Stimmenmäklern
schaarenweise an die Stimmplätze treiben ließen, was ihnen bekanntlich den
bezeichnenden Namen „Stimmvieh" verschaffte. Er sah das Alles, und sein
Herz erfüllte bald eine maßlose Erbitterung gegen Leute, welche vorgaben,
der Freiheit halber in dieses Land gekommen zu sein, und doch den Selaven-
halterinteressen bereitwillig in die Hände arbeiteten. Seine Ansichten über
die Deutschen erfuhren übrigens später, besonders als er unsere reiche Litera¬
tur im Original kennen lernte, eine völlige Umwandlung.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_120192/403>, abgerufen am 28.09.2024.