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Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. I. Band.

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endlich Lincoln nur zögernd und durch die Volksstimme gezwungen pro-
clamirte.

Davis war ferner einer der Ersten, welche sich für Bewaffnung der
Neger aussprachen zu einer Zeit, wo der Gedanke daran selbst in den loyalen
Staaten als Hochverrath an den Vorrechten der kaukasischen Race angesehen
wurde. Er bewies dem Volke, daß auf allen Schlachtfeldern des großen Re-
volutivnskrieges Schwarze angekämpft hätten, ja daß sogar das erste Opfer
jenes Krieges ein Neger gewesen war. Er half den Beschluß, welcher die
Negerbewaffnung verfügte, durchsetzen, und Niemand wird heute leugnen
können, daß die Neger sehr viel zur Unterdrückung der Rebellion beitrugen.

Seinen größten Erfolg erfocht Davis aber gegen die Winkelzüge Napoleon's
und den Neutralitätsbruch Englands. Zu einer Zeit, als die ganze Nation
mit Sorge der Zukunft eritgegenblickte, und die Actien der Unionssache tief
unter Pari standen, erhob er seine gewaltige Stimme gegen die in Mexico
begonnene Intrigue, und an jenem Tage, als eine Versammlung von 3000
Bürgern ihm in Philadelphia nach einer Rede ihr tausendstimmiges Bravo zu¬
rief, begann der mexicanische Kaiserthron zu wanken. Er ließ die That der
Drohung auf den Fuß folgen und setzte im Congreß den denkwürdigen Be¬
schluß durch, welcher die Räumung Mexico's und den Zusammenbruch des künst¬
lichen Kaiserthrons zur Folge hatte. Nicht bei Seward hat sich Napoleon für
das mexicanische Fiasco zu bedanken, sondern bei Henry Winter Davis.

Als man im Rathe der Nation rathlos war und nicht recht wußte,
was man mit den freigewordenen Schwarzen anfangen sollte, war Davis es
abermals, der in einer Volksversammlung zu Chicago das Zauberwort aus¬
sprach, welches die ins Stocken gerathene Bewegung wieder ins Rollen
brachte, indem er Raeengleichheit und allgemeines Stimmrecht proclamirte
zu einer Zeit, wo noch die muthigsten Männer des Fortschritts vor diesen
Gedanken zurückschraken. Und heute nach drei Jahren des Zögerns, der Agi¬
tation und des inneren Ringens hat endlich seine Partei diese Idee zu ihrem
Programm gemacht und bereits in der Präsidentenwahl mit derselben gesiegt.

Als politischer Schriftsteller hat sich Davis durch ein Buch bekannt ge¬
macht, das den Titel "der Kampf zwischen Ormuz und Ahriman im 19.
Jahrhundert" führt. In diesem Buche sind die amerikanische Republik und
das russische Kaiserreich als die Repräsentanten der beiden einander be¬
kämpfenden Gegensätze hingestellt. Das Werk erschien 1852, und machte in
Amerika Furore, da es gegen die von jedem Amerikaner bis dahin heilig
gehaltene Nichtintervenlionspolitik Washingtons auftrat, und der Republik
predigte, daß Gleichgültigkeit gegen die Fceiheitskämpfe anderer Völker nichts
Geringeres als Selbstmord sei. "Das amerikanische Volk -- so hieß es
unter Anderem -- ist in die Jahre der Reife getreten, es kann sich nicht


endlich Lincoln nur zögernd und durch die Volksstimme gezwungen pro-
clamirte.

Davis war ferner einer der Ersten, welche sich für Bewaffnung der
Neger aussprachen zu einer Zeit, wo der Gedanke daran selbst in den loyalen
Staaten als Hochverrath an den Vorrechten der kaukasischen Race angesehen
wurde. Er bewies dem Volke, daß auf allen Schlachtfeldern des großen Re-
volutivnskrieges Schwarze angekämpft hätten, ja daß sogar das erste Opfer
jenes Krieges ein Neger gewesen war. Er half den Beschluß, welcher die
Negerbewaffnung verfügte, durchsetzen, und Niemand wird heute leugnen
können, daß die Neger sehr viel zur Unterdrückung der Rebellion beitrugen.

Seinen größten Erfolg erfocht Davis aber gegen die Winkelzüge Napoleon's
und den Neutralitätsbruch Englands. Zu einer Zeit, als die ganze Nation
mit Sorge der Zukunft eritgegenblickte, und die Actien der Unionssache tief
unter Pari standen, erhob er seine gewaltige Stimme gegen die in Mexico
begonnene Intrigue, und an jenem Tage, als eine Versammlung von 3000
Bürgern ihm in Philadelphia nach einer Rede ihr tausendstimmiges Bravo zu¬
rief, begann der mexicanische Kaiserthron zu wanken. Er ließ die That der
Drohung auf den Fuß folgen und setzte im Congreß den denkwürdigen Be¬
schluß durch, welcher die Räumung Mexico's und den Zusammenbruch des künst¬
lichen Kaiserthrons zur Folge hatte. Nicht bei Seward hat sich Napoleon für
das mexicanische Fiasco zu bedanken, sondern bei Henry Winter Davis.

Als man im Rathe der Nation rathlos war und nicht recht wußte,
was man mit den freigewordenen Schwarzen anfangen sollte, war Davis es
abermals, der in einer Volksversammlung zu Chicago das Zauberwort aus¬
sprach, welches die ins Stocken gerathene Bewegung wieder ins Rollen
brachte, indem er Raeengleichheit und allgemeines Stimmrecht proclamirte
zu einer Zeit, wo noch die muthigsten Männer des Fortschritts vor diesen
Gedanken zurückschraken. Und heute nach drei Jahren des Zögerns, der Agi¬
tation und des inneren Ringens hat endlich seine Partei diese Idee zu ihrem
Programm gemacht und bereits in der Präsidentenwahl mit derselben gesiegt.

Als politischer Schriftsteller hat sich Davis durch ein Buch bekannt ge¬
macht, das den Titel „der Kampf zwischen Ormuz und Ahriman im 19.
Jahrhundert" führt. In diesem Buche sind die amerikanische Republik und
das russische Kaiserreich als die Repräsentanten der beiden einander be¬
kämpfenden Gegensätze hingestellt. Das Werk erschien 1852, und machte in
Amerika Furore, da es gegen die von jedem Amerikaner bis dahin heilig
gehaltene Nichtintervenlionspolitik Washingtons auftrat, und der Republik
predigte, daß Gleichgültigkeit gegen die Fceiheitskämpfe anderer Völker nichts
Geringeres als Selbstmord sei. „Das amerikanische Volk — so hieß es
unter Anderem — ist in die Jahre der Reife getreten, es kann sich nicht


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[0402] endlich Lincoln nur zögernd und durch die Volksstimme gezwungen pro- clamirte. Davis war ferner einer der Ersten, welche sich für Bewaffnung der Neger aussprachen zu einer Zeit, wo der Gedanke daran selbst in den loyalen Staaten als Hochverrath an den Vorrechten der kaukasischen Race angesehen wurde. Er bewies dem Volke, daß auf allen Schlachtfeldern des großen Re- volutivnskrieges Schwarze angekämpft hätten, ja daß sogar das erste Opfer jenes Krieges ein Neger gewesen war. Er half den Beschluß, welcher die Negerbewaffnung verfügte, durchsetzen, und Niemand wird heute leugnen können, daß die Neger sehr viel zur Unterdrückung der Rebellion beitrugen. Seinen größten Erfolg erfocht Davis aber gegen die Winkelzüge Napoleon's und den Neutralitätsbruch Englands. Zu einer Zeit, als die ganze Nation mit Sorge der Zukunft eritgegenblickte, und die Actien der Unionssache tief unter Pari standen, erhob er seine gewaltige Stimme gegen die in Mexico begonnene Intrigue, und an jenem Tage, als eine Versammlung von 3000 Bürgern ihm in Philadelphia nach einer Rede ihr tausendstimmiges Bravo zu¬ rief, begann der mexicanische Kaiserthron zu wanken. Er ließ die That der Drohung auf den Fuß folgen und setzte im Congreß den denkwürdigen Be¬ schluß durch, welcher die Räumung Mexico's und den Zusammenbruch des künst¬ lichen Kaiserthrons zur Folge hatte. Nicht bei Seward hat sich Napoleon für das mexicanische Fiasco zu bedanken, sondern bei Henry Winter Davis. Als man im Rathe der Nation rathlos war und nicht recht wußte, was man mit den freigewordenen Schwarzen anfangen sollte, war Davis es abermals, der in einer Volksversammlung zu Chicago das Zauberwort aus¬ sprach, welches die ins Stocken gerathene Bewegung wieder ins Rollen brachte, indem er Raeengleichheit und allgemeines Stimmrecht proclamirte zu einer Zeit, wo noch die muthigsten Männer des Fortschritts vor diesen Gedanken zurückschraken. Und heute nach drei Jahren des Zögerns, der Agi¬ tation und des inneren Ringens hat endlich seine Partei diese Idee zu ihrem Programm gemacht und bereits in der Präsidentenwahl mit derselben gesiegt. Als politischer Schriftsteller hat sich Davis durch ein Buch bekannt ge¬ macht, das den Titel „der Kampf zwischen Ormuz und Ahriman im 19. Jahrhundert" führt. In diesem Buche sind die amerikanische Republik und das russische Kaiserreich als die Repräsentanten der beiden einander be¬ kämpfenden Gegensätze hingestellt. Das Werk erschien 1852, und machte in Amerika Furore, da es gegen die von jedem Amerikaner bis dahin heilig gehaltene Nichtintervenlionspolitik Washingtons auftrat, und der Republik predigte, daß Gleichgültigkeit gegen die Fceiheitskämpfe anderer Völker nichts Geringeres als Selbstmord sei. „Das amerikanische Volk — so hieß es unter Anderem — ist in die Jahre der Reife getreten, es kann sich nicht

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_120192/402>, abgerufen am 28.09.2024.