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Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. I. Band.

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Pennigton Sprecher des Repräsentantenhauses wurde, mißbilligt. Meinet¬
wegen! Ihr könnt Vertreter haben, welche Eure Sclaven sind und Euren
albernen Ansichten und Capricen Rechnung tragen. Wenn Ihr mich wählt,
so werde ich nur nach meinem eigenen Ermessen Eure Interessen wahren,
und ich werde sie stets denen der Republik unterordnen." Was eine solche
Sprache in Amerika sagen will, kann Niemand, der die Zustände dieses Lan¬
des kennt, zweifelhaft sein.

Zu der republikanischen Partei stand Davis in einem eigenthümlichen
Verhältniß. Obwol Niemand seine Anhänglichkeit an ihre Principien und
seinen Patriotismus bezweifelte, so wußte man doch nie, wie man mit ihm
daran war. Den meisten republikanischen Politikern war er sogar das Lu-
kaut terribls der Partei. Wenn man bei allen anderen republikanischen
Congreßmitgliedern voraus wußte, wie sie über diese oder jene Maßregel
stimmen würden, so wußte man es bei Davis selten. Häusig stimmte er
z. B. in finanziellen und national-ökonomischen Fragen geradezu mit der
Gegenpartei. Denen, die mit der republikanischen Partei durch Dick und
Dünn liefen, die um der leidigen "Beute" Willen alle ihre Maßregeln bil¬
ligten, war Davis stets ein Dorn im Auge, und sie haßten ihn ebenso wie
die politischen Gegner. Er ging ihnen zu rasch, er war zu revolutionair, er
brachte die Partei in Gefahr, bei der großen Masse unpopulär zu werden.
Oft hatten sich im Repräsentantenhause über zwei Drittel der Vertreter vor¬
genommen, ihm nicht nachzugeben, und doch mißlang es ihm selten, seine
Maßregeln durchzusetzen. Seinen Worten und seinem Streben war der
Erfolg fast immer gewiß.

Außer der Emancipation der Negersclaven hat man Davis noch die
Räumung Mexico's durch die Franzosen und schließlich die Anbahnung der
Bewegung für allgemeines Stimmrecht im Wesentlichen zugeschrieben.

Man betrachtet gewöhnlich Abraham Lincoln als den amerikanischen
Emancipator. Lincoln war jedoch nur der Vollstrecker des großen Wortes,
nicht der Schöpfer desselben, und gerade das ist sein unsterbliches Verdienst,
daß er es ehrlich vollstreckte. Seinem ganzen Wesen nach conservativ, war
Lincoln nicht der Capitain der Emancipationspartei, sondern nur ihr Feld¬
webel; er stürmte ihr nicht voran, er schritt sicher und bedächtig hinterher;
das wichtigste Glied des Führer-Triumvirats war Henry Winter Davis.
Lincoln dachte noch nicht daran, daß die Sclavenemancipation eine Folge
des Krieges sein werde, er betrachtete denselben noch als bloßen Pflanzer¬
ausstand, mit dessen Unterdrückung die alten Verhältnisse wieder hergestellt
sein würden, als bereits Davis im Kongreß und Wendet Philips in den Volks-
Versammlungen der nördlichen Staaten, die Emancipation predigten, welche


Pennigton Sprecher des Repräsentantenhauses wurde, mißbilligt. Meinet¬
wegen! Ihr könnt Vertreter haben, welche Eure Sclaven sind und Euren
albernen Ansichten und Capricen Rechnung tragen. Wenn Ihr mich wählt,
so werde ich nur nach meinem eigenen Ermessen Eure Interessen wahren,
und ich werde sie stets denen der Republik unterordnen." Was eine solche
Sprache in Amerika sagen will, kann Niemand, der die Zustände dieses Lan¬
des kennt, zweifelhaft sein.

Zu der republikanischen Partei stand Davis in einem eigenthümlichen
Verhältniß. Obwol Niemand seine Anhänglichkeit an ihre Principien und
seinen Patriotismus bezweifelte, so wußte man doch nie, wie man mit ihm
daran war. Den meisten republikanischen Politikern war er sogar das Lu-
kaut terribls der Partei. Wenn man bei allen anderen republikanischen
Congreßmitgliedern voraus wußte, wie sie über diese oder jene Maßregel
stimmen würden, so wußte man es bei Davis selten. Häusig stimmte er
z. B. in finanziellen und national-ökonomischen Fragen geradezu mit der
Gegenpartei. Denen, die mit der republikanischen Partei durch Dick und
Dünn liefen, die um der leidigen „Beute" Willen alle ihre Maßregeln bil¬
ligten, war Davis stets ein Dorn im Auge, und sie haßten ihn ebenso wie
die politischen Gegner. Er ging ihnen zu rasch, er war zu revolutionair, er
brachte die Partei in Gefahr, bei der großen Masse unpopulär zu werden.
Oft hatten sich im Repräsentantenhause über zwei Drittel der Vertreter vor¬
genommen, ihm nicht nachzugeben, und doch mißlang es ihm selten, seine
Maßregeln durchzusetzen. Seinen Worten und seinem Streben war der
Erfolg fast immer gewiß.

Außer der Emancipation der Negersclaven hat man Davis noch die
Räumung Mexico's durch die Franzosen und schließlich die Anbahnung der
Bewegung für allgemeines Stimmrecht im Wesentlichen zugeschrieben.

Man betrachtet gewöhnlich Abraham Lincoln als den amerikanischen
Emancipator. Lincoln war jedoch nur der Vollstrecker des großen Wortes,
nicht der Schöpfer desselben, und gerade das ist sein unsterbliches Verdienst,
daß er es ehrlich vollstreckte. Seinem ganzen Wesen nach conservativ, war
Lincoln nicht der Capitain der Emancipationspartei, sondern nur ihr Feld¬
webel; er stürmte ihr nicht voran, er schritt sicher und bedächtig hinterher;
das wichtigste Glied des Führer-Triumvirats war Henry Winter Davis.
Lincoln dachte noch nicht daran, daß die Sclavenemancipation eine Folge
des Krieges sein werde, er betrachtete denselben noch als bloßen Pflanzer¬
ausstand, mit dessen Unterdrückung die alten Verhältnisse wieder hergestellt
sein würden, als bereits Davis im Kongreß und Wendet Philips in den Volks-
Versammlungen der nördlichen Staaten, die Emancipation predigten, welche


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[0401] Pennigton Sprecher des Repräsentantenhauses wurde, mißbilligt. Meinet¬ wegen! Ihr könnt Vertreter haben, welche Eure Sclaven sind und Euren albernen Ansichten und Capricen Rechnung tragen. Wenn Ihr mich wählt, so werde ich nur nach meinem eigenen Ermessen Eure Interessen wahren, und ich werde sie stets denen der Republik unterordnen." Was eine solche Sprache in Amerika sagen will, kann Niemand, der die Zustände dieses Lan¬ des kennt, zweifelhaft sein. Zu der republikanischen Partei stand Davis in einem eigenthümlichen Verhältniß. Obwol Niemand seine Anhänglichkeit an ihre Principien und seinen Patriotismus bezweifelte, so wußte man doch nie, wie man mit ihm daran war. Den meisten republikanischen Politikern war er sogar das Lu- kaut terribls der Partei. Wenn man bei allen anderen republikanischen Congreßmitgliedern voraus wußte, wie sie über diese oder jene Maßregel stimmen würden, so wußte man es bei Davis selten. Häusig stimmte er z. B. in finanziellen und national-ökonomischen Fragen geradezu mit der Gegenpartei. Denen, die mit der republikanischen Partei durch Dick und Dünn liefen, die um der leidigen „Beute" Willen alle ihre Maßregeln bil¬ ligten, war Davis stets ein Dorn im Auge, und sie haßten ihn ebenso wie die politischen Gegner. Er ging ihnen zu rasch, er war zu revolutionair, er brachte die Partei in Gefahr, bei der großen Masse unpopulär zu werden. Oft hatten sich im Repräsentantenhause über zwei Drittel der Vertreter vor¬ genommen, ihm nicht nachzugeben, und doch mißlang es ihm selten, seine Maßregeln durchzusetzen. Seinen Worten und seinem Streben war der Erfolg fast immer gewiß. Außer der Emancipation der Negersclaven hat man Davis noch die Räumung Mexico's durch die Franzosen und schließlich die Anbahnung der Bewegung für allgemeines Stimmrecht im Wesentlichen zugeschrieben. Man betrachtet gewöhnlich Abraham Lincoln als den amerikanischen Emancipator. Lincoln war jedoch nur der Vollstrecker des großen Wortes, nicht der Schöpfer desselben, und gerade das ist sein unsterbliches Verdienst, daß er es ehrlich vollstreckte. Seinem ganzen Wesen nach conservativ, war Lincoln nicht der Capitain der Emancipationspartei, sondern nur ihr Feld¬ webel; er stürmte ihr nicht voran, er schritt sicher und bedächtig hinterher; das wichtigste Glied des Führer-Triumvirats war Henry Winter Davis. Lincoln dachte noch nicht daran, daß die Sclavenemancipation eine Folge des Krieges sein werde, er betrachtete denselben noch als bloßen Pflanzer¬ ausstand, mit dessen Unterdrückung die alten Verhältnisse wieder hergestellt sein würden, als bereits Davis im Kongreß und Wendet Philips in den Volks- Versammlungen der nördlichen Staaten, die Emancipation predigten, welche

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_120192/401>, abgerufen am 21.10.2024.