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Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. I. Band.

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Und fallen wir mit solch einem heroischen Entschluß, so fallen wir mit Ehren,
und überliefern die unserer Verwahrung anvertraute Freiheit den künstigen
Generationen unbefleckt. Meine Herren, wenn wir untergehen müssen, so
laßt nicht zu, daß unsere letzte Stunde durch Schwachheit geschändet werde!
Wenn wir fallen müssen, so laßt uns bis zuletzt zu der zusammenkrachenden
Republik stehen, damit ihre Trümmer uns begraben, die Geschichte verzeichnen
kann, daß in der Mitte des 19. Jahrhunderts Männer noch lebten, die ein
besseres Schicksal verdienten, aber von Gott gestraft wurden, für die Sünden
ihrer Vorfahren. Laßt die Ruinen der Republik den spätesten Generationen
von unserer Größe und unserem Heldenmuthe zeugen. Und laßt die Frei¬
heitsgöttin ihres Kranzes baar und kinderlos auf diesen Ruinen trauern und
es den Nationen der Welt klagen: "Ich habe Kinder gesäugt und erzogen,
doch sie haben ihre Hand gegen mich erhoben."

Wesentlich diesen begeisterten Worten war zuzuschreiben, daß fortan Nie¬
mand mehr wagte, die Abstimmung über den Antrag zu fordern. Bei solchen
Gelegenheiten wurde Davis von seinen College" beider Parteien mit Lob über¬
schüttet, und seine erbittertsten Gegner gaben ihrer Bewunderung seines Ta¬
lentes nicht selten den entschiedensten Ausdruck. So sagte, während Davis
sprach, ein Demokrat von Ohio zu seinem republikanischen Nachbar: "Ich
habe wirklich geglaubt, Ihr "schwarzen Republicaner" wolltet das Land rui-
niren, doch ich fange an, besser von Euch zu denken. Ich verabscheue die
Prinzipien dieses Mannes, doch welch nobler, rechtschaffener Bursche ist er
doch". Bei einer anderen Gelegenheit, als er durch eine kurze brillante
Rede einen Vorschlag dös Repräsentanten Pike vernichtet hatte, drückte ihm
dieser die Hand und sagte treuherzig: "Sie sind in Ihrer Verrücktheit ein
Stolz unserer Republik".

Als Volksredner errang Davis noch bedeutendere Erfolge, obgleich er
nie nach Beifall haschte und dem Volke persönlich sehr fern stand, indem er
-- ganz gegen die amerikanische Praxis -- nie in die Kneipen ging. Er
war eine durchaus aristokratische Natur; nur Wenige konnten sich seiner
Freundschaft oder auch nur des näheren Verkehrs mit ihm rühmen. An
Bildung überragte er sowol das seichte amerikanische Gelehrtenthum, als
den trostlosen Beamtenstand beträchtlich, ebenso den in Baltimore sehr mäch¬
tigen Advokatenstand, aus welchem sich Letzteres größtentheils recrutirt. Die
Arbeiter und seine übrigen Constituenten kannten ihn fast nur von der Red¬
nerbühne her, und dort sagte er ihnen gerade nicht immer, was sie gern hör¬
ten. Kaum ein zweiter Mann hat sich so rücksichtslos gegen den nicht sehr ge¬
duldigen amerikanischen Souverain, das Volk, betragen, wie Davis. So sagte
er einmal, als er Candidat für den Congreß war und in einer Markthalle eine
Versammlung anredete: "Ihr Männer habt meine Stimmabgabe, durchweiche


Und fallen wir mit solch einem heroischen Entschluß, so fallen wir mit Ehren,
und überliefern die unserer Verwahrung anvertraute Freiheit den künstigen
Generationen unbefleckt. Meine Herren, wenn wir untergehen müssen, so
laßt nicht zu, daß unsere letzte Stunde durch Schwachheit geschändet werde!
Wenn wir fallen müssen, so laßt uns bis zuletzt zu der zusammenkrachenden
Republik stehen, damit ihre Trümmer uns begraben, die Geschichte verzeichnen
kann, daß in der Mitte des 19. Jahrhunderts Männer noch lebten, die ein
besseres Schicksal verdienten, aber von Gott gestraft wurden, für die Sünden
ihrer Vorfahren. Laßt die Ruinen der Republik den spätesten Generationen
von unserer Größe und unserem Heldenmuthe zeugen. Und laßt die Frei¬
heitsgöttin ihres Kranzes baar und kinderlos auf diesen Ruinen trauern und
es den Nationen der Welt klagen: „Ich habe Kinder gesäugt und erzogen,
doch sie haben ihre Hand gegen mich erhoben."

Wesentlich diesen begeisterten Worten war zuzuschreiben, daß fortan Nie¬
mand mehr wagte, die Abstimmung über den Antrag zu fordern. Bei solchen
Gelegenheiten wurde Davis von seinen College» beider Parteien mit Lob über¬
schüttet, und seine erbittertsten Gegner gaben ihrer Bewunderung seines Ta¬
lentes nicht selten den entschiedensten Ausdruck. So sagte, während Davis
sprach, ein Demokrat von Ohio zu seinem republikanischen Nachbar: „Ich
habe wirklich geglaubt, Ihr „schwarzen Republicaner" wolltet das Land rui-
niren, doch ich fange an, besser von Euch zu denken. Ich verabscheue die
Prinzipien dieses Mannes, doch welch nobler, rechtschaffener Bursche ist er
doch". Bei einer anderen Gelegenheit, als er durch eine kurze brillante
Rede einen Vorschlag dös Repräsentanten Pike vernichtet hatte, drückte ihm
dieser die Hand und sagte treuherzig: „Sie sind in Ihrer Verrücktheit ein
Stolz unserer Republik".

Als Volksredner errang Davis noch bedeutendere Erfolge, obgleich er
nie nach Beifall haschte und dem Volke persönlich sehr fern stand, indem er
— ganz gegen die amerikanische Praxis — nie in die Kneipen ging. Er
war eine durchaus aristokratische Natur; nur Wenige konnten sich seiner
Freundschaft oder auch nur des näheren Verkehrs mit ihm rühmen. An
Bildung überragte er sowol das seichte amerikanische Gelehrtenthum, als
den trostlosen Beamtenstand beträchtlich, ebenso den in Baltimore sehr mäch¬
tigen Advokatenstand, aus welchem sich Letzteres größtentheils recrutirt. Die
Arbeiter und seine übrigen Constituenten kannten ihn fast nur von der Red¬
nerbühne her, und dort sagte er ihnen gerade nicht immer, was sie gern hör¬
ten. Kaum ein zweiter Mann hat sich so rücksichtslos gegen den nicht sehr ge¬
duldigen amerikanischen Souverain, das Volk, betragen, wie Davis. So sagte
er einmal, als er Candidat für den Congreß war und in einer Markthalle eine
Versammlung anredete: „Ihr Männer habt meine Stimmabgabe, durchweiche


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_120192/400>, abgerufen am 28.09.2024.