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Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. I. Band.

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Schießen auf bewegte Ziele, Bedienung der Fanale, richtige Benutzung der
Dünen -- Alles das sind Sachen, die eine besondere Ausbildung nöthig machen,

Für die Ausschau an den Küsten hat England ein besonderes Küsten-
wachtcorps (coast Zukrä) von 5--6000 Mann ausgedienter Seeleute, die
besonders von den zahlreich an den Küsten vorhandenen Martellothürmen
Ausschau halten, ähnlich wie das frühere Königreich Sardinien ein Corps
von 4--S00 Thurm- und Küstenwächtern besaß, welches ursprünglich zur Be¬
obachtung herannahender Sarracenen gegründet war. Auch wir würden gut
thun, derartige Küstenwachen von Strandbewohnern, Fischern, Lootsen :c. zu
schaffen, welche mit den Cavallerievedetten in Verbindung stehen und mit
ihnen sich unterstützen würden. Frankreich hat in dieser Beziehung genügend
Vorsorge getroffen, wie auch seine Küsteneisenbahnen und Telegraphennetze
sehr günstig angelegt sind.

Sämmtliche Offiziere dieser Küstentruppen müssen genaue Karten des
Küstenterrains erhalten, um auch die kleinsten Vortheile sofort mit Sicher¬
heit benutzen und die dioertesten Wege einschlagen zu können, und um durch
die Angaben über die Tiefe der See bis auf Sehweite die Gefährlichkeit
eineK etwaigen Angriffs bemessen zu können. Die Artillerie endlich wird
nicht nur, wie jetzt mit den schweren Kalibern für die Forts, sondern auch
mit dem 4-Pfünder, namentlich gegen schwimmende Ziele auszuererciren sein,
und ebenso ist die Küsteninfanterie nicht im Bataillonsexerciren, sondern in
Compagniecolonnen auszubilden, so wie im Boots - und Landungsdienst, zu¬
gleich dem einzigen wesentlichen Dienst, welchen die auf Kriegsschiffen com-
mandirten Seesoldaten zu leisten haben. 24 Compagnien solcher Infanterie
dürften nach Herstellung unserer projectirten Küstenbefestigungen ausreichen,
um die zwischen denselben belegenen Stromgegenden gegen Landungen bis
zum Herannahen des Gros eines Nord- resp. Ostseecorps zu schützen. Nach .
Organisation der betreffenden Küstenvertheidigungscorps wird es durch die¬
selben in Verbindung mit befestigten Marinestationen und Marinedepots,
mit Küsteneisenbahnen und Telegraphen möglich sein, unsere ganze Küste
gegen jede feindliche Landung zu schützen. Denn Eisenbahnen und Telegraphen
bewirken, daß trotz der Dampfschiffe eine Landung prekärer ist als jemals.

Zum Schluß betrachten wir den Fall, daß schon in der nächsten Zeit,
noch vor Vollendung des Systems unserer Küstenbefestigungen und der
Schiffsbauten für unsere Flotte, ein Krieg gegen eine überlegene Seemacht
z. B. Frankreich, ausbräche. Die unvollendeten Werke der Wesermündung,
der Elbmündung, Pillaus und Memels*) würden zu einem vorläufigen Ab-



') Für das Werk am Leuchlhurm bei Memel sind 100.000 Thlr,. für da" Wert westlich
des Tiefe bei Pillau auch 100,000 Thlr. im diesjährigen Etat ausgeworfen.

Schießen auf bewegte Ziele, Bedienung der Fanale, richtige Benutzung der
Dünen — Alles das sind Sachen, die eine besondere Ausbildung nöthig machen,

Für die Ausschau an den Küsten hat England ein besonderes Küsten-
wachtcorps (coast Zukrä) von 5—6000 Mann ausgedienter Seeleute, die
besonders von den zahlreich an den Küsten vorhandenen Martellothürmen
Ausschau halten, ähnlich wie das frühere Königreich Sardinien ein Corps
von 4—S00 Thurm- und Küstenwächtern besaß, welches ursprünglich zur Be¬
obachtung herannahender Sarracenen gegründet war. Auch wir würden gut
thun, derartige Küstenwachen von Strandbewohnern, Fischern, Lootsen :c. zu
schaffen, welche mit den Cavallerievedetten in Verbindung stehen und mit
ihnen sich unterstützen würden. Frankreich hat in dieser Beziehung genügend
Vorsorge getroffen, wie auch seine Küsteneisenbahnen und Telegraphennetze
sehr günstig angelegt sind.

Sämmtliche Offiziere dieser Küstentruppen müssen genaue Karten des
Küstenterrains erhalten, um auch die kleinsten Vortheile sofort mit Sicher¬
heit benutzen und die dioertesten Wege einschlagen zu können, und um durch
die Angaben über die Tiefe der See bis auf Sehweite die Gefährlichkeit
eineK etwaigen Angriffs bemessen zu können. Die Artillerie endlich wird
nicht nur, wie jetzt mit den schweren Kalibern für die Forts, sondern auch
mit dem 4-Pfünder, namentlich gegen schwimmende Ziele auszuererciren sein,
und ebenso ist die Küsteninfanterie nicht im Bataillonsexerciren, sondern in
Compagniecolonnen auszubilden, so wie im Boots - und Landungsdienst, zu¬
gleich dem einzigen wesentlichen Dienst, welchen die auf Kriegsschiffen com-
mandirten Seesoldaten zu leisten haben. 24 Compagnien solcher Infanterie
dürften nach Herstellung unserer projectirten Küstenbefestigungen ausreichen,
um die zwischen denselben belegenen Stromgegenden gegen Landungen bis
zum Herannahen des Gros eines Nord- resp. Ostseecorps zu schützen. Nach .
Organisation der betreffenden Küstenvertheidigungscorps wird es durch die¬
selben in Verbindung mit befestigten Marinestationen und Marinedepots,
mit Küsteneisenbahnen und Telegraphen möglich sein, unsere ganze Küste
gegen jede feindliche Landung zu schützen. Denn Eisenbahnen und Telegraphen
bewirken, daß trotz der Dampfschiffe eine Landung prekärer ist als jemals.

Zum Schluß betrachten wir den Fall, daß schon in der nächsten Zeit,
noch vor Vollendung des Systems unserer Küstenbefestigungen und der
Schiffsbauten für unsere Flotte, ein Krieg gegen eine überlegene Seemacht
z. B. Frankreich, ausbräche. Die unvollendeten Werke der Wesermündung,
der Elbmündung, Pillaus und Memels*) würden zu einem vorläufigen Ab-



') Für das Werk am Leuchlhurm bei Memel sind 100.000 Thlr,. für da« Wert westlich
des Tiefe bei Pillau auch 100,000 Thlr. im diesjährigen Etat ausgeworfen.
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[0387] Schießen auf bewegte Ziele, Bedienung der Fanale, richtige Benutzung der Dünen — Alles das sind Sachen, die eine besondere Ausbildung nöthig machen, Für die Ausschau an den Küsten hat England ein besonderes Küsten- wachtcorps (coast Zukrä) von 5—6000 Mann ausgedienter Seeleute, die besonders von den zahlreich an den Küsten vorhandenen Martellothürmen Ausschau halten, ähnlich wie das frühere Königreich Sardinien ein Corps von 4—S00 Thurm- und Küstenwächtern besaß, welches ursprünglich zur Be¬ obachtung herannahender Sarracenen gegründet war. Auch wir würden gut thun, derartige Küstenwachen von Strandbewohnern, Fischern, Lootsen :c. zu schaffen, welche mit den Cavallerievedetten in Verbindung stehen und mit ihnen sich unterstützen würden. Frankreich hat in dieser Beziehung genügend Vorsorge getroffen, wie auch seine Küsteneisenbahnen und Telegraphennetze sehr günstig angelegt sind. Sämmtliche Offiziere dieser Küstentruppen müssen genaue Karten des Küstenterrains erhalten, um auch die kleinsten Vortheile sofort mit Sicher¬ heit benutzen und die dioertesten Wege einschlagen zu können, und um durch die Angaben über die Tiefe der See bis auf Sehweite die Gefährlichkeit eineK etwaigen Angriffs bemessen zu können. Die Artillerie endlich wird nicht nur, wie jetzt mit den schweren Kalibern für die Forts, sondern auch mit dem 4-Pfünder, namentlich gegen schwimmende Ziele auszuererciren sein, und ebenso ist die Küsteninfanterie nicht im Bataillonsexerciren, sondern in Compagniecolonnen auszubilden, so wie im Boots - und Landungsdienst, zu¬ gleich dem einzigen wesentlichen Dienst, welchen die auf Kriegsschiffen com- mandirten Seesoldaten zu leisten haben. 24 Compagnien solcher Infanterie dürften nach Herstellung unserer projectirten Küstenbefestigungen ausreichen, um die zwischen denselben belegenen Stromgegenden gegen Landungen bis zum Herannahen des Gros eines Nord- resp. Ostseecorps zu schützen. Nach . Organisation der betreffenden Küstenvertheidigungscorps wird es durch die¬ selben in Verbindung mit befestigten Marinestationen und Marinedepots, mit Küsteneisenbahnen und Telegraphen möglich sein, unsere ganze Küste gegen jede feindliche Landung zu schützen. Denn Eisenbahnen und Telegraphen bewirken, daß trotz der Dampfschiffe eine Landung prekärer ist als jemals. Zum Schluß betrachten wir den Fall, daß schon in der nächsten Zeit, noch vor Vollendung des Systems unserer Küstenbefestigungen und der Schiffsbauten für unsere Flotte, ein Krieg gegen eine überlegene Seemacht z. B. Frankreich, ausbräche. Die unvollendeten Werke der Wesermündung, der Elbmündung, Pillaus und Memels*) würden zu einem vorläufigen Ab- ') Für das Werk am Leuchlhurm bei Memel sind 100.000 Thlr,. für da« Wert westlich des Tiefe bei Pillau auch 100,000 Thlr. im diesjährigen Etat ausgeworfen.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_120192/387>, abgerufen am 28.09.2024.