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Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. I. Band.

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Die Vertheidigung der deutschen Küsten.

Vor 30 Jahren waren Angriffe einer feindlichen Flotte nicht so gefähr¬
lich als jetzt. Es fehlte den Schiffen die freie Bewegungsfähigkeit, jene große
Unabhängigkeit vom Winde und Wetter, welche ihnen die Einführung der
Dampfkraft verliehen hat: es fehlte die Sicherheit ihres Motors vor feind¬
lichen Geschossen; denn die Takelage, ihre einzige bewegende Kraft, konnte
durch gut treffende Schüsse gänzlich derangirt werden, und das Treffen
war bet dem großen Umfang der Takelage leicht, während heut die unter
Wasser liegende Schraube fast unverwundbar ist. Noch mehr, der Schiffs¬
körper selbst ist jetzt durch die Panzerung unverwundbar geworden, so
lange das Fahrzeug in einer gewissen Distanz bleibt, und die Einführung
der gezogenen Geschütze erlaubt ihm in dieser Distanz zu beharren, da
selbst mittlere Kaliber gegen Mauerwerk und sogar gegen Erdwerk genügende
Wirkung ausüben, und nur gepanzerten Küstenforts gegenüber unwirksam
bleiben würden, während man einst 10 Geschütze der Flotte als nothwendig
für die Beschießung jedes Strandgeschützes annahm. Will endlich eine feind¬
liche Flotte Landungstruppen aussetzen, so besitzt jetzt jedes größere Schiff
unter seinen Booten eine Dampfbarkasse, welche schnell die übrigen Boote
ans Land bugsiren kann, ohne daß in diesen der Raum für Landungstruppen
durch rudernde Matrosen beengt würde. Die Vervollkommnung der Angriffs¬
mittel ergibt, daß vor Allem das offensive Element der Vertheidigung
zu stärken ist. Wir müssen in erster Linie uns rüsten durch ein Geschwader
von Hochseeschiffen. Aber auch die Küstenvertheidigung durch Schiffe muß gegen¬
über der hohen Bewegungsfähigkeit der feindlichen Dampferflotte möglichst
mobil eingerichtet sein. Die Panzerboote der Küstenvertheidigung müssen eine
bedeutende Schnelligkeit besitzen, --. wie man sie unserem "Arminius" bereits
gegeben hat und wie sie die französische Mräe-oots "Taureau" und deren
Schwesterschiffe "Belier", Cerbere", "Boule-Dogue" besitzen, im Gegensatz zu
den unbehilflichen Monitors von Amerika, Nußland und Holland. -- Aber
auch die Landstreitkräfte müssen mit größerer Schnelligkeit als das feindliche


Grenzboten l. I8K9, 46
Die Vertheidigung der deutschen Küsten.

Vor 30 Jahren waren Angriffe einer feindlichen Flotte nicht so gefähr¬
lich als jetzt. Es fehlte den Schiffen die freie Bewegungsfähigkeit, jene große
Unabhängigkeit vom Winde und Wetter, welche ihnen die Einführung der
Dampfkraft verliehen hat: es fehlte die Sicherheit ihres Motors vor feind¬
lichen Geschossen; denn die Takelage, ihre einzige bewegende Kraft, konnte
durch gut treffende Schüsse gänzlich derangirt werden, und das Treffen
war bet dem großen Umfang der Takelage leicht, während heut die unter
Wasser liegende Schraube fast unverwundbar ist. Noch mehr, der Schiffs¬
körper selbst ist jetzt durch die Panzerung unverwundbar geworden, so
lange das Fahrzeug in einer gewissen Distanz bleibt, und die Einführung
der gezogenen Geschütze erlaubt ihm in dieser Distanz zu beharren, da
selbst mittlere Kaliber gegen Mauerwerk und sogar gegen Erdwerk genügende
Wirkung ausüben, und nur gepanzerten Küstenforts gegenüber unwirksam
bleiben würden, während man einst 10 Geschütze der Flotte als nothwendig
für die Beschießung jedes Strandgeschützes annahm. Will endlich eine feind¬
liche Flotte Landungstruppen aussetzen, so besitzt jetzt jedes größere Schiff
unter seinen Booten eine Dampfbarkasse, welche schnell die übrigen Boote
ans Land bugsiren kann, ohne daß in diesen der Raum für Landungstruppen
durch rudernde Matrosen beengt würde. Die Vervollkommnung der Angriffs¬
mittel ergibt, daß vor Allem das offensive Element der Vertheidigung
zu stärken ist. Wir müssen in erster Linie uns rüsten durch ein Geschwader
von Hochseeschiffen. Aber auch die Küstenvertheidigung durch Schiffe muß gegen¬
über der hohen Bewegungsfähigkeit der feindlichen Dampferflotte möglichst
mobil eingerichtet sein. Die Panzerboote der Küstenvertheidigung müssen eine
bedeutende Schnelligkeit besitzen, —. wie man sie unserem „Arminius" bereits
gegeben hat und wie sie die französische Mräe-oots „Taureau" und deren
Schwesterschiffe „Belier", Cerbere", „Boule-Dogue" besitzen, im Gegensatz zu
den unbehilflichen Monitors von Amerika, Nußland und Holland. — Aber
auch die Landstreitkräfte müssen mit größerer Schnelligkeit als das feindliche


Grenzboten l. I8K9, 46
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[0373] Die Vertheidigung der deutschen Küsten. Vor 30 Jahren waren Angriffe einer feindlichen Flotte nicht so gefähr¬ lich als jetzt. Es fehlte den Schiffen die freie Bewegungsfähigkeit, jene große Unabhängigkeit vom Winde und Wetter, welche ihnen die Einführung der Dampfkraft verliehen hat: es fehlte die Sicherheit ihres Motors vor feind¬ lichen Geschossen; denn die Takelage, ihre einzige bewegende Kraft, konnte durch gut treffende Schüsse gänzlich derangirt werden, und das Treffen war bet dem großen Umfang der Takelage leicht, während heut die unter Wasser liegende Schraube fast unverwundbar ist. Noch mehr, der Schiffs¬ körper selbst ist jetzt durch die Panzerung unverwundbar geworden, so lange das Fahrzeug in einer gewissen Distanz bleibt, und die Einführung der gezogenen Geschütze erlaubt ihm in dieser Distanz zu beharren, da selbst mittlere Kaliber gegen Mauerwerk und sogar gegen Erdwerk genügende Wirkung ausüben, und nur gepanzerten Küstenforts gegenüber unwirksam bleiben würden, während man einst 10 Geschütze der Flotte als nothwendig für die Beschießung jedes Strandgeschützes annahm. Will endlich eine feind¬ liche Flotte Landungstruppen aussetzen, so besitzt jetzt jedes größere Schiff unter seinen Booten eine Dampfbarkasse, welche schnell die übrigen Boote ans Land bugsiren kann, ohne daß in diesen der Raum für Landungstruppen durch rudernde Matrosen beengt würde. Die Vervollkommnung der Angriffs¬ mittel ergibt, daß vor Allem das offensive Element der Vertheidigung zu stärken ist. Wir müssen in erster Linie uns rüsten durch ein Geschwader von Hochseeschiffen. Aber auch die Küstenvertheidigung durch Schiffe muß gegen¬ über der hohen Bewegungsfähigkeit der feindlichen Dampferflotte möglichst mobil eingerichtet sein. Die Panzerboote der Küstenvertheidigung müssen eine bedeutende Schnelligkeit besitzen, —. wie man sie unserem „Arminius" bereits gegeben hat und wie sie die französische Mräe-oots „Taureau" und deren Schwesterschiffe „Belier", Cerbere", „Boule-Dogue" besitzen, im Gegensatz zu den unbehilflichen Monitors von Amerika, Nußland und Holland. — Aber auch die Landstreitkräfte müssen mit größerer Schnelligkeit als das feindliche Grenzboten l. I8K9, 46

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_120192/373>, abgerufen am 28.09.2024.