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Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. I. Band.

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vor 21 Jahren erschienene "Handbuch für Reisende in Italien, von Ernst
Förster" mit dem kürzlich vollendeten dreibändigen Bädeker'schen Italien.

Der vorliegende "Führer durch Südfrankreich" hatte insofern eine neue
Bahn zu betreten, als er neben den Bedürfnissen der Touristen auch die der
Leidenden zu berücksichtigen hatte, für welche, wenigstens bei uns in Deutsch¬
land, das südliche Frankreich wol noch häufiger das Ziel einer Reise wird,
als für Vergnügungsreisende. Darum war es wohlgethan, den Haupttheil
der Arbeit einem Arzte zu übergeben. Die Wahl der betreffenden Persön¬
lichkeit scheint auf den rechten Mann gefallen zu sein, denn die Arbeit des
Dr. Gsell-Fels in Zürich, von welchem die Schilderung von Vichy, die
ärztlichen Bemerkungen über Nizza und der ganze Abschnitt über die Pyre¬
näenbäder herrühren, ist in jeder Beziehung eine vortreffliche. Im Hinblick
auf die voraussichtlichen Hauptbenutzer des Buches finden wir es nicht nur
gerechtfertigt, sondern vielmehr dankenswerth, daß der Verf. den gewöhn¬
lichen Angaben der Reisehandbücher auch die Analysen und Gebrauchs¬
anzeigen der Mineralwässer hinzufügte. Auch die meteorologischen Verhält¬
nisse haben überall, wo sie in Frage kommen, Berücksichtigung gefunden.
So bietet das Buch eine Fülle von Angaben, welche es nicht nur zur Be¬
nutzung an Ort und Stelle, sondern auch bei der Wahl eines Bade- oder
klimatischen Kurortes, also besonders für Aerzte werthvoll machen, zumal da
wenigstens betreffs der Pyrenäenbäder eine gleich vollständige Zusammen¬
stellung in der deutschen Literatur bisher fehlte.

Auch über die Bearbeitung der Provence und der Kivjsra al xvnentö
durch den Lehrer Kümmerle läßt sich viel Gutes sagen, wobei wir aber
den Wunsch nicht unterdrücken können, die klimatischen Kurorte östlich von
Nizza in späteren Auflagen etwas ausführlicher behandelt zu sehen. Bordi-
ghera ist kaum genannt. Besonders das von Leidenden aus Deutschland
so viel besuchte Mentone hätte eine sorgfältigere Berücksichtigung verdient.
Ueber die Preise daselbst findet sich gar nichts angegeben, und man wird
somit fälschlich verleitet, sie als denen von Nizza gleich anzunehmen. In
Wirklichkeit aber sind sie noch wesentlich höher, indem man unter 7 Fr. für
Pension und 3--12 Fr. für Wohnung excl. Licht und Heizung täglich nicht
auskommen kann. Diese systematische Ausbeutung der Fremden ist um so
beklagenswerther, da sie fast nur Kranke trifft, und hat schon Manchen, der
in seiner Unkenntniß dieser Verhältnisse ohne entsprechende Mittel Mentone
als klimatischen Kurort gewählt hatte, zur Abkürzung seines Aufenthalts
gezwungen und dadurch den Kurerfolg beeinträchtigt oder aufgehoben.

Daß die Aerzte durch Beisetzung oder Weglassung eines Sternchens in
empfehlenswerthe und nichtempfehlenswerthe eingetheilt werden, läßt sich
allenfalls entschuldigen, wenn, wie es hier bei den Pyrenäenbädern der Fall


vor 21 Jahren erschienene „Handbuch für Reisende in Italien, von Ernst
Förster" mit dem kürzlich vollendeten dreibändigen Bädeker'schen Italien.

Der vorliegende „Führer durch Südfrankreich" hatte insofern eine neue
Bahn zu betreten, als er neben den Bedürfnissen der Touristen auch die der
Leidenden zu berücksichtigen hatte, für welche, wenigstens bei uns in Deutsch¬
land, das südliche Frankreich wol noch häufiger das Ziel einer Reise wird,
als für Vergnügungsreisende. Darum war es wohlgethan, den Haupttheil
der Arbeit einem Arzte zu übergeben. Die Wahl der betreffenden Persön¬
lichkeit scheint auf den rechten Mann gefallen zu sein, denn die Arbeit des
Dr. Gsell-Fels in Zürich, von welchem die Schilderung von Vichy, die
ärztlichen Bemerkungen über Nizza und der ganze Abschnitt über die Pyre¬
näenbäder herrühren, ist in jeder Beziehung eine vortreffliche. Im Hinblick
auf die voraussichtlichen Hauptbenutzer des Buches finden wir es nicht nur
gerechtfertigt, sondern vielmehr dankenswerth, daß der Verf. den gewöhn¬
lichen Angaben der Reisehandbücher auch die Analysen und Gebrauchs¬
anzeigen der Mineralwässer hinzufügte. Auch die meteorologischen Verhält¬
nisse haben überall, wo sie in Frage kommen, Berücksichtigung gefunden.
So bietet das Buch eine Fülle von Angaben, welche es nicht nur zur Be¬
nutzung an Ort und Stelle, sondern auch bei der Wahl eines Bade- oder
klimatischen Kurortes, also besonders für Aerzte werthvoll machen, zumal da
wenigstens betreffs der Pyrenäenbäder eine gleich vollständige Zusammen¬
stellung in der deutschen Literatur bisher fehlte.

Auch über die Bearbeitung der Provence und der Kivjsra al xvnentö
durch den Lehrer Kümmerle läßt sich viel Gutes sagen, wobei wir aber
den Wunsch nicht unterdrücken können, die klimatischen Kurorte östlich von
Nizza in späteren Auflagen etwas ausführlicher behandelt zu sehen. Bordi-
ghera ist kaum genannt. Besonders das von Leidenden aus Deutschland
so viel besuchte Mentone hätte eine sorgfältigere Berücksichtigung verdient.
Ueber die Preise daselbst findet sich gar nichts angegeben, und man wird
somit fälschlich verleitet, sie als denen von Nizza gleich anzunehmen. In
Wirklichkeit aber sind sie noch wesentlich höher, indem man unter 7 Fr. für
Pension und 3—12 Fr. für Wohnung excl. Licht und Heizung täglich nicht
auskommen kann. Diese systematische Ausbeutung der Fremden ist um so
beklagenswerther, da sie fast nur Kranke trifft, und hat schon Manchen, der
in seiner Unkenntniß dieser Verhältnisse ohne entsprechende Mittel Mentone
als klimatischen Kurort gewählt hatte, zur Abkürzung seines Aufenthalts
gezwungen und dadurch den Kurerfolg beeinträchtigt oder aufgehoben.

Daß die Aerzte durch Beisetzung oder Weglassung eines Sternchens in
empfehlenswerthe und nichtempfehlenswerthe eingetheilt werden, läßt sich
allenfalls entschuldigen, wenn, wie es hier bei den Pyrenäenbädern der Fall


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[0370] vor 21 Jahren erschienene „Handbuch für Reisende in Italien, von Ernst Förster" mit dem kürzlich vollendeten dreibändigen Bädeker'schen Italien. Der vorliegende „Führer durch Südfrankreich" hatte insofern eine neue Bahn zu betreten, als er neben den Bedürfnissen der Touristen auch die der Leidenden zu berücksichtigen hatte, für welche, wenigstens bei uns in Deutsch¬ land, das südliche Frankreich wol noch häufiger das Ziel einer Reise wird, als für Vergnügungsreisende. Darum war es wohlgethan, den Haupttheil der Arbeit einem Arzte zu übergeben. Die Wahl der betreffenden Persön¬ lichkeit scheint auf den rechten Mann gefallen zu sein, denn die Arbeit des Dr. Gsell-Fels in Zürich, von welchem die Schilderung von Vichy, die ärztlichen Bemerkungen über Nizza und der ganze Abschnitt über die Pyre¬ näenbäder herrühren, ist in jeder Beziehung eine vortreffliche. Im Hinblick auf die voraussichtlichen Hauptbenutzer des Buches finden wir es nicht nur gerechtfertigt, sondern vielmehr dankenswerth, daß der Verf. den gewöhn¬ lichen Angaben der Reisehandbücher auch die Analysen und Gebrauchs¬ anzeigen der Mineralwässer hinzufügte. Auch die meteorologischen Verhält¬ nisse haben überall, wo sie in Frage kommen, Berücksichtigung gefunden. So bietet das Buch eine Fülle von Angaben, welche es nicht nur zur Be¬ nutzung an Ort und Stelle, sondern auch bei der Wahl eines Bade- oder klimatischen Kurortes, also besonders für Aerzte werthvoll machen, zumal da wenigstens betreffs der Pyrenäenbäder eine gleich vollständige Zusammen¬ stellung in der deutschen Literatur bisher fehlte. Auch über die Bearbeitung der Provence und der Kivjsra al xvnentö durch den Lehrer Kümmerle läßt sich viel Gutes sagen, wobei wir aber den Wunsch nicht unterdrücken können, die klimatischen Kurorte östlich von Nizza in späteren Auflagen etwas ausführlicher behandelt zu sehen. Bordi- ghera ist kaum genannt. Besonders das von Leidenden aus Deutschland so viel besuchte Mentone hätte eine sorgfältigere Berücksichtigung verdient. Ueber die Preise daselbst findet sich gar nichts angegeben, und man wird somit fälschlich verleitet, sie als denen von Nizza gleich anzunehmen. In Wirklichkeit aber sind sie noch wesentlich höher, indem man unter 7 Fr. für Pension und 3—12 Fr. für Wohnung excl. Licht und Heizung täglich nicht auskommen kann. Diese systematische Ausbeutung der Fremden ist um so beklagenswerther, da sie fast nur Kranke trifft, und hat schon Manchen, der in seiner Unkenntniß dieser Verhältnisse ohne entsprechende Mittel Mentone als klimatischen Kurort gewählt hatte, zur Abkürzung seines Aufenthalts gezwungen und dadurch den Kurerfolg beeinträchtigt oder aufgehoben. Daß die Aerzte durch Beisetzung oder Weglassung eines Sternchens in empfehlenswerthe und nichtempfehlenswerthe eingetheilt werden, läßt sich allenfalls entschuldigen, wenn, wie es hier bei den Pyrenäenbädern der Fall

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_120192/370>, abgerufen am 28.09.2024.