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Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. I. Band.

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durfte erwarten, nachdem der Südbund in so zudringlicher Weise fort¬
während als die Rettung der süddeutschen Freiheit, ja der nationalen Idee,
als die Heilung sämmtlicher und noch einiger anderer Schäden angepriesen
worden war, daß endlich doch einmal gezeigt würde, wie denn ein solcher
Südbund gemacht werden könne und wie man sich seine Einrichtung ungefähr
vorstelle. Nichts von alledem. Es erwies sich vielmehr, daß dem-Südbund¬
gedanken Nichts verhängnißvoller ist als die öffentliche Discussion, und in dieser
Beziehung war der Gang der Debatte wirklich lehrreich. Denn die ersten Redner
der Linken begannen mit einem gewissen dithyrambischen Schwung. Man pries
mit ansprechender Naivetät die glücklichen Wirkungen, die ein solcher Süd¬
bund haben müßte, wenn er nur erst vorhanden wäre, man sprach begeistert
von dem süddeutschen Grütlt der Freiheit, das man neben dem Zwinguri
des norddeutschen Bundes bauen müsse. Aber schon der zweite Redner, ein
Professor der Staatsweisheit an der Landesuniversttät, kühlte merklich ab,
indem er mit anspruchvollem Ton sich an der Aufgabe abarbeitete, die staats¬
rechtliche Möglichkeit eines solchen Südbundes neben den Verträgen zu do-
ciren. Späterhin, unter dem Eindruck der Kritiken von nationalliberaler
Seite, kam der Südbund immer mehr ins Gedränge, sein Begriff wurde zu¬
sehends elastischer, von einem eigentlichen Bund wollte jetzt Niemand mehr
Etwas wissen. Mohl gestand ein, daß der Südbund seine Schwierigkeiten
habe, aber es liege doch im Interesse der süddeutschen Regierungen, möglichst
einig zu sein gegen jede weitere Beschränkung ihrer Selbständigkeit. Selbst
Mayer erklärte, daß der Gedanke, für den er auf der Tribüne des wiener
Schützenfestes vergebens das östreichische Volk zu begeistern versuchte, für jetzt
undurchführbar sei. Schien er ihn doch erst für möglich zu halten in jener
fernen Zeit, da einmal die Monarchien wie die Feudallasten auf friedlichem
Wege abgelöst wären. Und der Referent Probst, der den Sympathien für den
Südbundgedanken allmälig zu mißtrauen schien, legte am Ende die betreffende
Stelle seines Entwurfs, die absichtlich unbestimmt gefaßt war, dahin aus,
daß sie gar nicht den Südbund bedeute, der zu viele Schwierigkeiten biete,
sondern blos, im Sinne der bekannten Erklärung süddeutscher Zollparlaments¬
abgeordneter, eine engere Verbindung der süddeutschen Staaten, deren Zweck¬
mäßigkeit Niemand bestreiten könne. Man mußte am Ende ordentlich Mit¬
leid haben mit diesem Bunde, auf den die Volkspartei ihr Programm
gestellt hatte, der ihr Hauptgeschrei bei den Wahlen gewesen war und den
sie heute selbst preisgab. Der dithyrambische Schwung endete in platter
Verleugnung.

Der zweite Hauptangriffspunkt der Linken waren die mit Preußen ab¬
geschlossenen Verträge. Freilich das eigentliche Programm der Volkspartei,
daß der Allianzvertrag null und nichtig sei, weil erzwungen und nicht mit


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durfte erwarten, nachdem der Südbund in so zudringlicher Weise fort¬
während als die Rettung der süddeutschen Freiheit, ja der nationalen Idee,
als die Heilung sämmtlicher und noch einiger anderer Schäden angepriesen
worden war, daß endlich doch einmal gezeigt würde, wie denn ein solcher
Südbund gemacht werden könne und wie man sich seine Einrichtung ungefähr
vorstelle. Nichts von alledem. Es erwies sich vielmehr, daß dem-Südbund¬
gedanken Nichts verhängnißvoller ist als die öffentliche Discussion, und in dieser
Beziehung war der Gang der Debatte wirklich lehrreich. Denn die ersten Redner
der Linken begannen mit einem gewissen dithyrambischen Schwung. Man pries
mit ansprechender Naivetät die glücklichen Wirkungen, die ein solcher Süd¬
bund haben müßte, wenn er nur erst vorhanden wäre, man sprach begeistert
von dem süddeutschen Grütlt der Freiheit, das man neben dem Zwinguri
des norddeutschen Bundes bauen müsse. Aber schon der zweite Redner, ein
Professor der Staatsweisheit an der Landesuniversttät, kühlte merklich ab,
indem er mit anspruchvollem Ton sich an der Aufgabe abarbeitete, die staats¬
rechtliche Möglichkeit eines solchen Südbundes neben den Verträgen zu do-
ciren. Späterhin, unter dem Eindruck der Kritiken von nationalliberaler
Seite, kam der Südbund immer mehr ins Gedränge, sein Begriff wurde zu¬
sehends elastischer, von einem eigentlichen Bund wollte jetzt Niemand mehr
Etwas wissen. Mohl gestand ein, daß der Südbund seine Schwierigkeiten
habe, aber es liege doch im Interesse der süddeutschen Regierungen, möglichst
einig zu sein gegen jede weitere Beschränkung ihrer Selbständigkeit. Selbst
Mayer erklärte, daß der Gedanke, für den er auf der Tribüne des wiener
Schützenfestes vergebens das östreichische Volk zu begeistern versuchte, für jetzt
undurchführbar sei. Schien er ihn doch erst für möglich zu halten in jener
fernen Zeit, da einmal die Monarchien wie die Feudallasten auf friedlichem
Wege abgelöst wären. Und der Referent Probst, der den Sympathien für den
Südbundgedanken allmälig zu mißtrauen schien, legte am Ende die betreffende
Stelle seines Entwurfs, die absichtlich unbestimmt gefaßt war, dahin aus,
daß sie gar nicht den Südbund bedeute, der zu viele Schwierigkeiten biete,
sondern blos, im Sinne der bekannten Erklärung süddeutscher Zollparlaments¬
abgeordneter, eine engere Verbindung der süddeutschen Staaten, deren Zweck¬
mäßigkeit Niemand bestreiten könne. Man mußte am Ende ordentlich Mit¬
leid haben mit diesem Bunde, auf den die Volkspartei ihr Programm
gestellt hatte, der ihr Hauptgeschrei bei den Wahlen gewesen war und den
sie heute selbst preisgab. Der dithyrambische Schwung endete in platter
Verleugnung.

Der zweite Hauptangriffspunkt der Linken waren die mit Preußen ab¬
geschlossenen Verträge. Freilich das eigentliche Programm der Volkspartei,
daß der Allianzvertrag null und nichtig sei, weil erzwungen und nicht mit


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_120192/37>, abgerufen am 28.09.2024.