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Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. I. Band.

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ab; aus den besten Familien gingen junge Leute heimlich fort, um sich den
Insurgenten anzuschließen, der Einzelne zog die Sympathien seiner Familie
nach, und so veränderte sich die Richtung der ganzen Bewegung. Die ur¬
sprünglichen Urheber hatten ihren Zweck erreicht, die Creolen erstrebten ihrer
überwiegenden Mehrheit nach die Unabhängigkeit der Insel von Spanien,
und die Regierung konnte sich hinfort nur auf die Altspanier in Cuba ver¬
lassen.

Am 4. Januar langte der neue Generalcapitän Dulce endlich an; er
hatte früher die Insel drei Jahre lang regiert, war bet den Creolen beliebt,
dazu ein kluger Mann, mit den ausgedehntesten Vollmachten versehen, und
den eingreifendsten Reformen geneigt. Er kam zu spät. Die Creolen waren
gegen die Regierung zu erbittert, um sich noch umstimmen zu lassen, und
gerade in Havanna, wo es bis dahin ruhig geblieben war, fing bald nach
Dulce's Eintreffen die Bewegung an.

Zum Glück waren kurz vorher, und gleichzeitig mit Dulce Truppen aus
Spanien angekommen, und wenn diese noch verstärkt werden, so mag die
Revolution für dieses Mal noch niedergedrückt werden. Die letzten Nach¬
richten sprechen von Erfolgen der Truppen. Das östliche Departement ist
durch den dreimonatlichen Krieg sehr erschöpft, den Insurgenten fehlt es an
Lebensmitteln und Waffen, dabei ist keine Ordnung, keine Disciplin, und
schließlich sind die Creolen verkommene, durch Sclaverei und schlechte Regie¬
rung demoralisirte Leute, ohne Selbstbewußtsein und rechten Muth.

Dulce hat eine Generalamnestte erlassen für Alle, die vor dem 21. Febr.
die Waffen niederlegen; vielleicht ergeben sich die Insurgenten. Im anderen
Fall wird Spanien mehr Truppen schicken, und vielleicht siegen. Aber Cuba
geht ihm doch verloren, wenn nicht dieses Mal, doch nach einigen Jahren.

Das creolische Element ist zu sehr und zu lange gegen das spanische
verhetzt. Nach den letzten Nachrichten haben in der Havanna Straßenkampfe
stattgefunden, Mordanfälle auf spanische Soldaten. Es sind das Handlungen
der Verzweiflung, denn an das Gelingen eines Aufstandes in Havanna ist
nicht zu denken, das spanische Element ist dort viel zu stark. Eine Annexion
Cubas an die Vereinigten Staaten wird vorläufig von beiden Theilen noch
nicht gewünscht.

Die Cubaner müssen vor Allem ihre Sclavenfrage ordnen, ist das aber
geschehen, so fällt die Insel entweder der Union, wie ein Apfel, der reif ist
in den Schooß oder -- der Apfel verfault. --

Wenn die Creolen ihre Unabhängigkeit von Spanien erringen sollten,
so wird eine jämmerliche Wirthschaft Platz greifen. Das Volk ist unfähig
sich selbst zu regieren, es würde noch schlimmer werden, als es in Peru oder
Mexico ist.


ab; aus den besten Familien gingen junge Leute heimlich fort, um sich den
Insurgenten anzuschließen, der Einzelne zog die Sympathien seiner Familie
nach, und so veränderte sich die Richtung der ganzen Bewegung. Die ur¬
sprünglichen Urheber hatten ihren Zweck erreicht, die Creolen erstrebten ihrer
überwiegenden Mehrheit nach die Unabhängigkeit der Insel von Spanien,
und die Regierung konnte sich hinfort nur auf die Altspanier in Cuba ver¬
lassen.

Am 4. Januar langte der neue Generalcapitän Dulce endlich an; er
hatte früher die Insel drei Jahre lang regiert, war bet den Creolen beliebt,
dazu ein kluger Mann, mit den ausgedehntesten Vollmachten versehen, und
den eingreifendsten Reformen geneigt. Er kam zu spät. Die Creolen waren
gegen die Regierung zu erbittert, um sich noch umstimmen zu lassen, und
gerade in Havanna, wo es bis dahin ruhig geblieben war, fing bald nach
Dulce's Eintreffen die Bewegung an.

Zum Glück waren kurz vorher, und gleichzeitig mit Dulce Truppen aus
Spanien angekommen, und wenn diese noch verstärkt werden, so mag die
Revolution für dieses Mal noch niedergedrückt werden. Die letzten Nach¬
richten sprechen von Erfolgen der Truppen. Das östliche Departement ist
durch den dreimonatlichen Krieg sehr erschöpft, den Insurgenten fehlt es an
Lebensmitteln und Waffen, dabei ist keine Ordnung, keine Disciplin, und
schließlich sind die Creolen verkommene, durch Sclaverei und schlechte Regie¬
rung demoralisirte Leute, ohne Selbstbewußtsein und rechten Muth.

Dulce hat eine Generalamnestte erlassen für Alle, die vor dem 21. Febr.
die Waffen niederlegen; vielleicht ergeben sich die Insurgenten. Im anderen
Fall wird Spanien mehr Truppen schicken, und vielleicht siegen. Aber Cuba
geht ihm doch verloren, wenn nicht dieses Mal, doch nach einigen Jahren.

Das creolische Element ist zu sehr und zu lange gegen das spanische
verhetzt. Nach den letzten Nachrichten haben in der Havanna Straßenkampfe
stattgefunden, Mordanfälle auf spanische Soldaten. Es sind das Handlungen
der Verzweiflung, denn an das Gelingen eines Aufstandes in Havanna ist
nicht zu denken, das spanische Element ist dort viel zu stark. Eine Annexion
Cubas an die Vereinigten Staaten wird vorläufig von beiden Theilen noch
nicht gewünscht.

Die Cubaner müssen vor Allem ihre Sclavenfrage ordnen, ist das aber
geschehen, so fällt die Insel entweder der Union, wie ein Apfel, der reif ist
in den Schooß oder — der Apfel verfault. —

Wenn die Creolen ihre Unabhängigkeit von Spanien erringen sollten,
so wird eine jämmerliche Wirthschaft Platz greifen. Das Volk ist unfähig
sich selbst zu regieren, es würde noch schlimmer werden, als es in Peru oder
Mexico ist.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_120192/368>, abgerufen am 28.09.2024.