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Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. I. Band.

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dahinter Ruhenden zu lesen waren, sind nicht mehr vorhanden. Die meisten
sind wol entwendet worden; der Rest ist ins Museum gerettet. In einigen
von den Gewölben findet man Spuren von Freskobildern und Inschriften;
so erkennt man u. A. Bilder am Grabe des heiligen Januarius und daneben die
Worte: Santo ^annal-lo.....röymssoit in MC". In einem anderen Grabe
finden sich die Apostel Paulus und Petrus in strengster Stilistrung dar¬
gestellt. Die Deckengewölbe in den größeren Gewölben sind leider bis auf
wenige Spuren vollständig zerstört. Sonst gewahrt man an Denkmälern
nur noch einen wenige Fuß hohen dünnen Säulenschaft, der die Inschrift:
?!-i"pu8 trägt, darunter das hebräische Wort Eloha (Gott) und ein unleser¬
liches, welches dazu gehört. Wie ein Bild oder ein Symbol des Gottes
der Fruchtbarkeit in die Katakomben kam, die auch in heidnischer Zeit schon
als Begräbnißstätte dienten, weiß ich nicht zu deuten; vielleicht aus Zufall,
doch scheint das ohne Zweifel von Christenhand herrührende hebräische Wort
eine Demonstration zu enthalten. An dieser Säule sollen in den großen Ver¬
folgungen die Christen hingerichtet sein; vielleicht wollte man sie hier zur
Anbetung des heidnischesten aller Heidengötter zwingen.

Ueber die Art des Begräbnisses steht so viel fest, daß die Körper ohne
Särge in ihre Felsenschränke gelegt wurden. Diejenigen der reicheren Stände
wird man balsamirt, die anderen der austrocknenden Kraft des Lavafelsens
überlassen, die große Masse der Armen in ein gemeinsames Gewölbe oder in
die Erde gesenkt haben. Und daß nicht erst in christlicher Zeit hier begraben
wurde, beweisen einige der im Museum aufbewahrten Marmorplatten.
Es ist auch ganz begreiflich, daß die Art und Weise der Todtenbestattung
sich stets mit nach den natürlichen Bedingungen richtet, die da in Be¬
tracht kommen können, und daß sie nicht einzig und allein durch die
jeweilige Borstellung "von den letzten Dingen" bestimmt wird. Nament¬
lich ließ der Glaube der Alten in dieser Beziehung eine größere Frei¬
heit als der christliche, wenn nur überhaupt der Leichnam nicht un-
bestattet blieb; für ihn war es indifferent, ob der Todte dem Feuer oder der
Erde übergeben wurde. Nicht so für das Christenthum, welches die Vor-
stellung von der Auferstehung des Fleisches ausbildete. Es mußte folgerecht
die Verbrennung der Todten aufgeben und mit Vorliebe nach einer Be¬
stattungsart greifen, welche die Körper einigermaßen zu conserviren schien;
die Erkenntniß, daß unsere abgelegte Hülle in jedem Falle einem Ver¬
brennungsprocesse verfällt, lag natürlich dem Glauben fern. Was nun
speciell das Katakombenbegräbniß betrifft, so hat es an sich mit dem Christen¬
thum nicht mehr zu thun, als jedes andere Erbbegräbniß; aber die Localität
begünstigte die Vorliebe für jene Gottesdienste, die man so gern über den
Gräbern der Entschlafenen hielt und gewährte überdies in bedenklichen Zeiten


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dahinter Ruhenden zu lesen waren, sind nicht mehr vorhanden. Die meisten
sind wol entwendet worden; der Rest ist ins Museum gerettet. In einigen
von den Gewölben findet man Spuren von Freskobildern und Inschriften;
so erkennt man u. A. Bilder am Grabe des heiligen Januarius und daneben die
Worte: Santo ^annal-lo.....röymssoit in MC«. In einem anderen Grabe
finden sich die Apostel Paulus und Petrus in strengster Stilistrung dar¬
gestellt. Die Deckengewölbe in den größeren Gewölben sind leider bis auf
wenige Spuren vollständig zerstört. Sonst gewahrt man an Denkmälern
nur noch einen wenige Fuß hohen dünnen Säulenschaft, der die Inschrift:
?!-i»pu8 trägt, darunter das hebräische Wort Eloha (Gott) und ein unleser¬
liches, welches dazu gehört. Wie ein Bild oder ein Symbol des Gottes
der Fruchtbarkeit in die Katakomben kam, die auch in heidnischer Zeit schon
als Begräbnißstätte dienten, weiß ich nicht zu deuten; vielleicht aus Zufall,
doch scheint das ohne Zweifel von Christenhand herrührende hebräische Wort
eine Demonstration zu enthalten. An dieser Säule sollen in den großen Ver¬
folgungen die Christen hingerichtet sein; vielleicht wollte man sie hier zur
Anbetung des heidnischesten aller Heidengötter zwingen.

Ueber die Art des Begräbnisses steht so viel fest, daß die Körper ohne
Särge in ihre Felsenschränke gelegt wurden. Diejenigen der reicheren Stände
wird man balsamirt, die anderen der austrocknenden Kraft des Lavafelsens
überlassen, die große Masse der Armen in ein gemeinsames Gewölbe oder in
die Erde gesenkt haben. Und daß nicht erst in christlicher Zeit hier begraben
wurde, beweisen einige der im Museum aufbewahrten Marmorplatten.
Es ist auch ganz begreiflich, daß die Art und Weise der Todtenbestattung
sich stets mit nach den natürlichen Bedingungen richtet, die da in Be¬
tracht kommen können, und daß sie nicht einzig und allein durch die
jeweilige Borstellung „von den letzten Dingen" bestimmt wird. Nament¬
lich ließ der Glaube der Alten in dieser Beziehung eine größere Frei¬
heit als der christliche, wenn nur überhaupt der Leichnam nicht un-
bestattet blieb; für ihn war es indifferent, ob der Todte dem Feuer oder der
Erde übergeben wurde. Nicht so für das Christenthum, welches die Vor-
stellung von der Auferstehung des Fleisches ausbildete. Es mußte folgerecht
die Verbrennung der Todten aufgeben und mit Vorliebe nach einer Be¬
stattungsart greifen, welche die Körper einigermaßen zu conserviren schien;
die Erkenntniß, daß unsere abgelegte Hülle in jedem Falle einem Ver¬
brennungsprocesse verfällt, lag natürlich dem Glauben fern. Was nun
speciell das Katakombenbegräbniß betrifft, so hat es an sich mit dem Christen¬
thum nicht mehr zu thun, als jedes andere Erbbegräbniß; aber die Localität
begünstigte die Vorliebe für jene Gottesdienste, die man so gern über den
Gräbern der Entschlafenen hielt und gewährte überdies in bedenklichen Zeiten


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_120192/359>, abgerufen am 28.09.2024.