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Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. I. Band.

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er fügt dem malerischen einen poetischen Reiz hinzu. Denn wenn schon die
Bedürfnißlosigkeit und Natürlichkeit, welche sich in der Architektur ausspricht,
an sich von poetischem Zauber ist und uns unwillkürlich an einfache para¬
diesische Zustände gemahnt, so kann uns die Harmlosigkeit, mit der man hier
sich und sein Haus den befreundeten Elementen überläßt, vollends um alle
schweren Gedanken bringen. Hier schließt das Leben jeden Abend und fängt
jeden Morgen neu an. Mag die kommende Generation sich Häuser bauen,
wie sie will und kann; Gott weiß, wer diejenigen gebaut hat, in denen wir
Glücklichen jetzt wohnen! Das fühlt sich wie ein Stück lebendiger Poesie; --
wenigstens bei Sonnenschein; bei grauem Himmel gibt es Leute, die sich
darüber ärgern wollen, weil sie unvorsichtiger Weise zu denken anfangen
und dabei auf manche Eigenthümlichkeit des neapolitanischen Lebens gerathen,
die zwar auch die liebe Natur zur Mutter hat, aber doch nicht schön ist.

Wir waren vom" Vittorio Emanuele über ein hohes Gradito zum
Vomero hinaufgestiegen, dem obersten Rande von Neapel. Hier liegt die
Villa Floridiana, mit einer Aussicht, wie wir sie ähnlich von San Martino
aus gehabt haben. Sie ist von einem der schönsten und bestgehaltenen Parks
umgeben. Nur dem Rasen fehlte das saftige Grün, sonst hatte man ein
sommerliches Bild vor sich, da eine große Zahl von Blumen noch blühte
und der Garten nur immergrüne Bäume enthält. Einen gewissen Ruf hat
er durch seinen Reichthum an hohen Camelienstämmen erlangt; dieser im
schönsten Weiß und in allen Schätzungen von Roth blühende Hain mit
seinen dunkelglänzenden Blättern gewährte denn auch einen überaus freund¬
lichen Anblick. --




Von der parthenopeischen Universität läßt sich nicht viel rühmen. Das
Gebäude, wenn auch von engen Gassen eingeschlossen, ist groß und stattlich, die
Sammlungen haben Raum und Licht, die Bibliothek ist für die augenblick¬
liche Benutzung gut eingerichtet; -- aber in der Hauptsache fehlt es bedenk¬
lich. Der Lectionsplan ist sehr spärlich bedacht; namentlich fehlen die Spe¬
cialitäten, die wir am schwarzen Brette angekündigt zu sehen gewohnt sind.
Seminarien und freie Societäten -- jene vortrefflichen Anstalten, die bei
uns dazu bestimmt sind, in das Innere der Wissenschaft einzuführen, --
scheinen hier nicht vorhanden zu sein. Die Professoren lesen mit wenigen
Ausnahmen nur ein einziges Colleg und dieses nur in drei wöchentlichen
Stunden, sodaß die Universität trotz der großen Zahl der Studenten, von
der man sprechen hört, doch immer ziemlich leer aussieht. Und für wen ist
nun die spärlich dargereichte Nahrung bestimmt? Ein Professor sagte uns,


er fügt dem malerischen einen poetischen Reiz hinzu. Denn wenn schon die
Bedürfnißlosigkeit und Natürlichkeit, welche sich in der Architektur ausspricht,
an sich von poetischem Zauber ist und uns unwillkürlich an einfache para¬
diesische Zustände gemahnt, so kann uns die Harmlosigkeit, mit der man hier
sich und sein Haus den befreundeten Elementen überläßt, vollends um alle
schweren Gedanken bringen. Hier schließt das Leben jeden Abend und fängt
jeden Morgen neu an. Mag die kommende Generation sich Häuser bauen,
wie sie will und kann; Gott weiß, wer diejenigen gebaut hat, in denen wir
Glücklichen jetzt wohnen! Das fühlt sich wie ein Stück lebendiger Poesie; —
wenigstens bei Sonnenschein; bei grauem Himmel gibt es Leute, die sich
darüber ärgern wollen, weil sie unvorsichtiger Weise zu denken anfangen
und dabei auf manche Eigenthümlichkeit des neapolitanischen Lebens gerathen,
die zwar auch die liebe Natur zur Mutter hat, aber doch nicht schön ist.

Wir waren vom» Vittorio Emanuele über ein hohes Gradito zum
Vomero hinaufgestiegen, dem obersten Rande von Neapel. Hier liegt die
Villa Floridiana, mit einer Aussicht, wie wir sie ähnlich von San Martino
aus gehabt haben. Sie ist von einem der schönsten und bestgehaltenen Parks
umgeben. Nur dem Rasen fehlte das saftige Grün, sonst hatte man ein
sommerliches Bild vor sich, da eine große Zahl von Blumen noch blühte
und der Garten nur immergrüne Bäume enthält. Einen gewissen Ruf hat
er durch seinen Reichthum an hohen Camelienstämmen erlangt; dieser im
schönsten Weiß und in allen Schätzungen von Roth blühende Hain mit
seinen dunkelglänzenden Blättern gewährte denn auch einen überaus freund¬
lichen Anblick. —




Von der parthenopeischen Universität läßt sich nicht viel rühmen. Das
Gebäude, wenn auch von engen Gassen eingeschlossen, ist groß und stattlich, die
Sammlungen haben Raum und Licht, die Bibliothek ist für die augenblick¬
liche Benutzung gut eingerichtet; — aber in der Hauptsache fehlt es bedenk¬
lich. Der Lectionsplan ist sehr spärlich bedacht; namentlich fehlen die Spe¬
cialitäten, die wir am schwarzen Brette angekündigt zu sehen gewohnt sind.
Seminarien und freie Societäten — jene vortrefflichen Anstalten, die bei
uns dazu bestimmt sind, in das Innere der Wissenschaft einzuführen, —
scheinen hier nicht vorhanden zu sein. Die Professoren lesen mit wenigen
Ausnahmen nur ein einziges Colleg und dieses nur in drei wöchentlichen
Stunden, sodaß die Universität trotz der großen Zahl der Studenten, von
der man sprechen hört, doch immer ziemlich leer aussieht. Und für wen ist
nun die spärlich dargereichte Nahrung bestimmt? Ein Professor sagte uns,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_120192/356>, abgerufen am 28.09.2024.