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Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. I. Band.

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Rechnet man die Civillisten von Frankreich, England, Oestreich und
Preußen zusammen, so ergeben sich erst 68 Millionen Francs, mithin
12 Millionen weniger, als die Diener des Bösenspiels in der französischen
Hauptstadt allein an legalen Gebühren beziehen. Nimmt man den sonstigen
Gewinn der Börsenagenten, der auf das Vierfache der angegebenen Summe
geschätzt wird, so haben die Spieler blos an Sensal- und sonstigen officiellen
und nicht officiellen Gebühren jährlich gegen 360 Millionen Francs zu bezahlen,
-- mehr als fast die ganze französische Armee kostet. -- Dann erst kommt
der Gewinn der Speculanten und Spieler an die Reihe! -- Das traurige
Ende vieler Börsenagenten wird von zahlreichen Börsenspielern getheilt. Wer
wüßte nicht, daß ein Glied der Familie Mires seinem Leben mit einer Kugel
ein Ende machte, der Bankier Thureeyssen beladen mit dem Rest seiner
Schätze über den Ocean flüchtete, Baron B . . . . mit der Anklage der Fäl¬
schung in der Hand von dem nördlichen Thurm as Rotre Dame auf das
Pflaster herabsprang, nachdem er seine letzten 20 Centimes dem Wächter
gegeben hatte, Das Börsenspiel forderte diese Opfer, aber nur die Opfer, die
in gewisser Beziehung Eclat machen, gelangen in die Oeffentlichkeit.

Von diesem wilden Strudel einer leidenschaftlichen Speculation und Ge¬
winnsucht haben selbst französische Geistliche sich nicht fern zu halten gewußt.
.....Ein Geistlicher in Paris trug kein Bedenken, zu Anfang des Jah¬
res 1867 eine Aktiengesellschaft gründen zu wollen, welche sich die Kirche
Saint Eugenie nutzbar machen und ihren Ertrag ausbeuten sollte. Man
denke sich solche Actien unter den Auspicien eines Bankiers, dem Spiele an
der Börse hingegeben! Das Einschreiten des Erzbischofs machte dem Scan-
dal ein Ende, aber der ingenieuse Abbe fand bald Nachfolger. Unter Mit'
theilung sämmtlicher zur Sache gehöriger Aktenstücke brachte die "Jnde-
Pendcmce belge" folgende Notiz: Die Jesuiten bauen in Paris eine Kirche,
und da sie kein Geld haben, hat ein Pater, Lefevre, den geistreichen Einfall
gehabt:--sich selbst als Gewinn in die Lotterie zu setzen. Diese
Lotterie ist nur für Damen, ein Billet kostet 100 Francs. Wer das Loos
gewinnt, erhält den Pater Lefevre während drei Tagen zum Predigen, Messe¬
lesen u. s. w. 'Die Lotteriebillets fanden raschen Absatz!

An vergeblichen Versuchen, das Börsenspiel einzuschränken, ist die Ge¬
schichte Frankreichs reich. Eines wirklichen Erfolgs hatte sich eigentlich nur
der Nationalconvent zu rühmen; er ließ nämlich die Börse ganz schließen.
Erst am 6. Florial des Jahres III. (1796) geschah die Wiedereröffnung;
am 30. August 1796 erließ der Convent aber schon folgende Bestimmung:
In Anbetracht dessen, daß die Börsengeschäfte nur noch ein Prämienspiel
sind, wo jeder verkauft, was er nicht hat, und kauft, was er nicht nehmen.


Rechnet man die Civillisten von Frankreich, England, Oestreich und
Preußen zusammen, so ergeben sich erst 68 Millionen Francs, mithin
12 Millionen weniger, als die Diener des Bösenspiels in der französischen
Hauptstadt allein an legalen Gebühren beziehen. Nimmt man den sonstigen
Gewinn der Börsenagenten, der auf das Vierfache der angegebenen Summe
geschätzt wird, so haben die Spieler blos an Sensal- und sonstigen officiellen
und nicht officiellen Gebühren jährlich gegen 360 Millionen Francs zu bezahlen,
— mehr als fast die ganze französische Armee kostet. — Dann erst kommt
der Gewinn der Speculanten und Spieler an die Reihe! — Das traurige
Ende vieler Börsenagenten wird von zahlreichen Börsenspielern getheilt. Wer
wüßte nicht, daß ein Glied der Familie Mires seinem Leben mit einer Kugel
ein Ende machte, der Bankier Thureeyssen beladen mit dem Rest seiner
Schätze über den Ocean flüchtete, Baron B . . . . mit der Anklage der Fäl¬
schung in der Hand von dem nördlichen Thurm as Rotre Dame auf das
Pflaster herabsprang, nachdem er seine letzten 20 Centimes dem Wächter
gegeben hatte, Das Börsenspiel forderte diese Opfer, aber nur die Opfer, die
in gewisser Beziehung Eclat machen, gelangen in die Oeffentlichkeit.

Von diesem wilden Strudel einer leidenschaftlichen Speculation und Ge¬
winnsucht haben selbst französische Geistliche sich nicht fern zu halten gewußt.
.....Ein Geistlicher in Paris trug kein Bedenken, zu Anfang des Jah¬
res 1867 eine Aktiengesellschaft gründen zu wollen, welche sich die Kirche
Saint Eugenie nutzbar machen und ihren Ertrag ausbeuten sollte. Man
denke sich solche Actien unter den Auspicien eines Bankiers, dem Spiele an
der Börse hingegeben! Das Einschreiten des Erzbischofs machte dem Scan-
dal ein Ende, aber der ingenieuse Abbe fand bald Nachfolger. Unter Mit'
theilung sämmtlicher zur Sache gehöriger Aktenstücke brachte die „Jnde-
Pendcmce belge" folgende Notiz: Die Jesuiten bauen in Paris eine Kirche,
und da sie kein Geld haben, hat ein Pater, Lefevre, den geistreichen Einfall
gehabt:--sich selbst als Gewinn in die Lotterie zu setzen. Diese
Lotterie ist nur für Damen, ein Billet kostet 100 Francs. Wer das Loos
gewinnt, erhält den Pater Lefevre während drei Tagen zum Predigen, Messe¬
lesen u. s. w. 'Die Lotteriebillets fanden raschen Absatz!

An vergeblichen Versuchen, das Börsenspiel einzuschränken, ist die Ge¬
schichte Frankreichs reich. Eines wirklichen Erfolgs hatte sich eigentlich nur
der Nationalconvent zu rühmen; er ließ nämlich die Börse ganz schließen.
Erst am 6. Florial des Jahres III. (1796) geschah die Wiedereröffnung;
am 30. August 1796 erließ der Convent aber schon folgende Bestimmung:
In Anbetracht dessen, daß die Börsengeschäfte nur noch ein Prämienspiel
sind, wo jeder verkauft, was er nicht hat, und kauft, was er nicht nehmen.


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[0329] Rechnet man die Civillisten von Frankreich, England, Oestreich und Preußen zusammen, so ergeben sich erst 68 Millionen Francs, mithin 12 Millionen weniger, als die Diener des Bösenspiels in der französischen Hauptstadt allein an legalen Gebühren beziehen. Nimmt man den sonstigen Gewinn der Börsenagenten, der auf das Vierfache der angegebenen Summe geschätzt wird, so haben die Spieler blos an Sensal- und sonstigen officiellen und nicht officiellen Gebühren jährlich gegen 360 Millionen Francs zu bezahlen, — mehr als fast die ganze französische Armee kostet. — Dann erst kommt der Gewinn der Speculanten und Spieler an die Reihe! — Das traurige Ende vieler Börsenagenten wird von zahlreichen Börsenspielern getheilt. Wer wüßte nicht, daß ein Glied der Familie Mires seinem Leben mit einer Kugel ein Ende machte, der Bankier Thureeyssen beladen mit dem Rest seiner Schätze über den Ocean flüchtete, Baron B . . . . mit der Anklage der Fäl¬ schung in der Hand von dem nördlichen Thurm as Rotre Dame auf das Pflaster herabsprang, nachdem er seine letzten 20 Centimes dem Wächter gegeben hatte, Das Börsenspiel forderte diese Opfer, aber nur die Opfer, die in gewisser Beziehung Eclat machen, gelangen in die Oeffentlichkeit. Von diesem wilden Strudel einer leidenschaftlichen Speculation und Ge¬ winnsucht haben selbst französische Geistliche sich nicht fern zu halten gewußt. .....Ein Geistlicher in Paris trug kein Bedenken, zu Anfang des Jah¬ res 1867 eine Aktiengesellschaft gründen zu wollen, welche sich die Kirche Saint Eugenie nutzbar machen und ihren Ertrag ausbeuten sollte. Man denke sich solche Actien unter den Auspicien eines Bankiers, dem Spiele an der Börse hingegeben! Das Einschreiten des Erzbischofs machte dem Scan- dal ein Ende, aber der ingenieuse Abbe fand bald Nachfolger. Unter Mit' theilung sämmtlicher zur Sache gehöriger Aktenstücke brachte die „Jnde- Pendcmce belge" folgende Notiz: Die Jesuiten bauen in Paris eine Kirche, und da sie kein Geld haben, hat ein Pater, Lefevre, den geistreichen Einfall gehabt:--sich selbst als Gewinn in die Lotterie zu setzen. Diese Lotterie ist nur für Damen, ein Billet kostet 100 Francs. Wer das Loos gewinnt, erhält den Pater Lefevre während drei Tagen zum Predigen, Messe¬ lesen u. s. w. 'Die Lotteriebillets fanden raschen Absatz! An vergeblichen Versuchen, das Börsenspiel einzuschränken, ist die Ge¬ schichte Frankreichs reich. Eines wirklichen Erfolgs hatte sich eigentlich nur der Nationalconvent zu rühmen; er ließ nämlich die Börse ganz schließen. Erst am 6. Florial des Jahres III. (1796) geschah die Wiedereröffnung; am 30. August 1796 erließ der Convent aber schon folgende Bestimmung: In Anbetracht dessen, daß die Börsengeschäfte nur noch ein Prämienspiel sind, wo jeder verkauft, was er nicht hat, und kauft, was er nicht nehmen.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_120192/329>, abgerufen am 28.09.2024.