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Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. I. Band.

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Subcommission, endlich vier Plenarsitzungen der Kammer -- man sieht,
es fehlte Nichts um die Sache mit der ganzen Wichtigkeit zu betreiben, welche
ihrer weltgeschichtlichen Bedeutung entsprach. Leider wollte es die Ironie
des Schicksals, daß schließlich der Liebe und des Hasses Müh umsonst war.
Als das Werk eben aus der Scylla und Charybdis der allgemeinen und der
Speeialdebatte glücklich gerettet ans Land gebracht werden sollte, bohrte ein
tückischer Kobold es erbarmungslos in den Grund. Als sämmtliche Para¬
graphen schon einzeln durchberathen und genehmigt waren, blickte die Kammer
noch einmal auf ihr Werk zurück, und siehe, es war nicht gut. Ein Rest
von Besonnenheit wurde in ihr mächtig, und sie beschloß Nichts zu beschließen.
Das hatte ungefähr auch der Abg. Römer gewollt, der allein die Meinung
verfocht, die Kammer solle überhaupt von einer Adresse Abstand nehmen.
Nur war es ein etwas ungewöhnlicher und mühevoller Umweg, auf welchem
jetzt dieses Resultat erreicht wurde. Wenn es auch von vorn herein nicht
unwahrscheinlich schien, daß bei der eigenthümlichen Zusammensetzung der
neuen Kammer am Ende keiner von den vorgelegten Entwürfen die Mehr¬
heit erlangen werde, so war doch gerade auf diese Entwickelung des Kno¬
tens, wie sie die späte Abendstunde des 19. Decembers brachte, Niemand
gesaßt. Die Annalen des württembergischen Parlamentarismus sind um ein
denkwürdiges Blatt reicher.

Schon die Vorgeschichte der Adresse -- sofern sie überhaupt mehr als
eine Vorgeschichte hatte -- ist nicht ohne Interesse. Die Adreßcommission
bestand aus Mitgliedern von verschiedenen politischen Standpunkten. Nicht
durch die Schuld der Volkspartei, welche am liebsten wieder den Vorgang
vom September 1866 erneuert hätte, als die damalige Kammermehrheit,
verdrießlich, daß der Krieg nicht nach Wunsch gegangen, den sie wenige
Monate zuvor so siegesfröhlich beschlossen, diesen ihren Unmuth an der natio¬
nalen Partei ausließ, welche das Verbrechen begangen hatte richtiger zu
sehen und nun zur Strafe dafür von der Adreßcommission ausgeschlossen
wurde, in deren Werk kein störender Mißklang gebracht werden sollte und
die denn auch nach Kräften bemüht war, den Krieg, der bei Tauberbischofs¬
heim einen fatalen Ausgang genommen, auf dem minder gefährlichen Weg
einer Adresse muthig fortzusetzen. Solche Erclusivität wurde jetzt bei der
Wahl der Adreßcommission nicht geübt und schon daraus mochte man
schließen, daß die Sache diesmal nicht so ganz schlimm werden könne. Jeden¬
falls war es nicht die äußerste Linke, die Volkspartei, welche das Feld
beherrschte. War doch der Antragsteller selbst, Karl Mayer von Bestgheim,
nicht in die Commission gewählt worden, wie ihm überhaupt bis jetzt, seit
er sich im Namen des Volkes auf den parlamentarischen Boden herab¬
gelassen, das Glück nicht sonderlich gelächelt hat.


Subcommission, endlich vier Plenarsitzungen der Kammer — man sieht,
es fehlte Nichts um die Sache mit der ganzen Wichtigkeit zu betreiben, welche
ihrer weltgeschichtlichen Bedeutung entsprach. Leider wollte es die Ironie
des Schicksals, daß schließlich der Liebe und des Hasses Müh umsonst war.
Als das Werk eben aus der Scylla und Charybdis der allgemeinen und der
Speeialdebatte glücklich gerettet ans Land gebracht werden sollte, bohrte ein
tückischer Kobold es erbarmungslos in den Grund. Als sämmtliche Para¬
graphen schon einzeln durchberathen und genehmigt waren, blickte die Kammer
noch einmal auf ihr Werk zurück, und siehe, es war nicht gut. Ein Rest
von Besonnenheit wurde in ihr mächtig, und sie beschloß Nichts zu beschließen.
Das hatte ungefähr auch der Abg. Römer gewollt, der allein die Meinung
verfocht, die Kammer solle überhaupt von einer Adresse Abstand nehmen.
Nur war es ein etwas ungewöhnlicher und mühevoller Umweg, auf welchem
jetzt dieses Resultat erreicht wurde. Wenn es auch von vorn herein nicht
unwahrscheinlich schien, daß bei der eigenthümlichen Zusammensetzung der
neuen Kammer am Ende keiner von den vorgelegten Entwürfen die Mehr¬
heit erlangen werde, so war doch gerade auf diese Entwickelung des Kno¬
tens, wie sie die späte Abendstunde des 19. Decembers brachte, Niemand
gesaßt. Die Annalen des württembergischen Parlamentarismus sind um ein
denkwürdiges Blatt reicher.

Schon die Vorgeschichte der Adresse — sofern sie überhaupt mehr als
eine Vorgeschichte hatte — ist nicht ohne Interesse. Die Adreßcommission
bestand aus Mitgliedern von verschiedenen politischen Standpunkten. Nicht
durch die Schuld der Volkspartei, welche am liebsten wieder den Vorgang
vom September 1866 erneuert hätte, als die damalige Kammermehrheit,
verdrießlich, daß der Krieg nicht nach Wunsch gegangen, den sie wenige
Monate zuvor so siegesfröhlich beschlossen, diesen ihren Unmuth an der natio¬
nalen Partei ausließ, welche das Verbrechen begangen hatte richtiger zu
sehen und nun zur Strafe dafür von der Adreßcommission ausgeschlossen
wurde, in deren Werk kein störender Mißklang gebracht werden sollte und
die denn auch nach Kräften bemüht war, den Krieg, der bei Tauberbischofs¬
heim einen fatalen Ausgang genommen, auf dem minder gefährlichen Weg
einer Adresse muthig fortzusetzen. Solche Erclusivität wurde jetzt bei der
Wahl der Adreßcommission nicht geübt und schon daraus mochte man
schließen, daß die Sache diesmal nicht so ganz schlimm werden könne. Jeden¬
falls war es nicht die äußerste Linke, die Volkspartei, welche das Feld
beherrschte. War doch der Antragsteller selbst, Karl Mayer von Bestgheim,
nicht in die Commission gewählt worden, wie ihm überhaupt bis jetzt, seit
er sich im Namen des Volkes auf den parlamentarischen Boden herab¬
gelassen, das Glück nicht sonderlich gelächelt hat.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_120192/32>, abgerufen am 28.09.2024.