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Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. I. Band.

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neralen weiter drängen. "Wenn Ihr für Euch^diesen Staat haben wollt",
schrieb ihm Pescara, "wie Gott, die Welt und die Vernunft es verlangen,
so schreibt dem Herzog, daß er auch die Kastelle von Mailand und Cremona
übergebe, und daß er vor Euch erscheine; anders geht es nicht!" --

Nach Kurzem verlangte Karl wirklich auch die Kastelle von Mailand
und Cremona, und als der Herzog sich weigerte, ließ er das letztere mit
Sturm nehmen, während er das erstere belagerte und gleichzeitig ein Hoch-
verrathsprozeß gegen den Herzog eingeleitet wurde. Pescara erschien selbst
in Mailand, wo aber der Senat standhaft die Unterwerfung unter den Kaiser
verweigerte, und es erst nach Drohungen aller Art durchgesetzt werden konnte,
daß zwei vom Volk gewählte Beamte im Namen Aller Karl und seinen
Nachfolgern Treue schwuren. (12. Decbr.) Der kühnste Wunsch der Kaiser¬
lichen schien jetzt erfüllt. Antonio de Leva schrieb frohlockend an Karl:
"Das starke Alessaridria setzt uns in Verbindung mit Genua und folglich
mit Spanien; Lodi, Como und Lecco mit den deutschen Ländern; folglich
darf man sagen, dieser Staat ist der Schlüssel Italiens, und mit ihm ist es
leicht, seiner Herr zu werden; wer aber Herr von Italien ist, ist Herr der
Welt. Die Römer brauchten 500 Jahre, bis sie es in ihre Gewalt gebracht,
aber nachdem sie es hatten, erstreckten sie in Kurzem ihr Scepter über die
ganze Welt. Kommet also, die Krone auf das Haupt zu setzen, und von
hier sollet Ihr ausbrechen, die von Jerusalem zu nehmen". Pescara sollte
die Frucht seines Handelns nicht mehr erleben. Er war am 3. Dezbr. 1526,
im Alter von 36 Jahren, gestorben.

Die Liga war gesprengt. Auch jetzt waren es die Venetianer, welche
sich zuerst wieder aufrichteten. Gerade durch den Tod Pescara's ermuthigt,
betrieben sie sofort ein neues Bündniß mit dem Papst und den Florentinern,
weiterhin mit Frankreich, dessen König den Frieden von Madrid nur ge¬
schlossen hatte, um ihn zu brechen. Im Mai 1526 kam der Vertrag zu
Cognac zu Stande, zu dessen Bedingungen die Erhaltung Sforza's in Mai¬
land und überhaupt die Restauration aller italienischen Fürsten in den Stand
vor dem Krieg gehörte. Franz wollte sich mit der Herrschaft Asti und der
Oberherrlichkeit über Genua begnügen. Ob sich Frankreich freilich auch nach
gewonnenem Sieg damit begnügt hätte, ist eine andere Frage, und es ist
doch etwas sanguinisch, wenn de Leva meint: Frankreich scheine damit wirk¬
lich endlich seine natürliche Rolle Italien gegenüber annehmen zu wollen,
die des Verbündeten, nicht des Eroberers; es habe sich in diesem Augenblick
nicht mehr um einen Streit um die Hegemonie in Europa, sondern für die
Unabhängigkeit Italiens gehandelt.

Zum nomineller Haupt der Liga war der König von England ernannt,
der großes Interesse für das Zustandekommen gezeigt hatte, ohne jedoch selbst


neralen weiter drängen. „Wenn Ihr für Euch^diesen Staat haben wollt",
schrieb ihm Pescara, „wie Gott, die Welt und die Vernunft es verlangen,
so schreibt dem Herzog, daß er auch die Kastelle von Mailand und Cremona
übergebe, und daß er vor Euch erscheine; anders geht es nicht!" —

Nach Kurzem verlangte Karl wirklich auch die Kastelle von Mailand
und Cremona, und als der Herzog sich weigerte, ließ er das letztere mit
Sturm nehmen, während er das erstere belagerte und gleichzeitig ein Hoch-
verrathsprozeß gegen den Herzog eingeleitet wurde. Pescara erschien selbst
in Mailand, wo aber der Senat standhaft die Unterwerfung unter den Kaiser
verweigerte, und es erst nach Drohungen aller Art durchgesetzt werden konnte,
daß zwei vom Volk gewählte Beamte im Namen Aller Karl und seinen
Nachfolgern Treue schwuren. (12. Decbr.) Der kühnste Wunsch der Kaiser¬
lichen schien jetzt erfüllt. Antonio de Leva schrieb frohlockend an Karl:
„Das starke Alessaridria setzt uns in Verbindung mit Genua und folglich
mit Spanien; Lodi, Como und Lecco mit den deutschen Ländern; folglich
darf man sagen, dieser Staat ist der Schlüssel Italiens, und mit ihm ist es
leicht, seiner Herr zu werden; wer aber Herr von Italien ist, ist Herr der
Welt. Die Römer brauchten 500 Jahre, bis sie es in ihre Gewalt gebracht,
aber nachdem sie es hatten, erstreckten sie in Kurzem ihr Scepter über die
ganze Welt. Kommet also, die Krone auf das Haupt zu setzen, und von
hier sollet Ihr ausbrechen, die von Jerusalem zu nehmen". Pescara sollte
die Frucht seines Handelns nicht mehr erleben. Er war am 3. Dezbr. 1526,
im Alter von 36 Jahren, gestorben.

Die Liga war gesprengt. Auch jetzt waren es die Venetianer, welche
sich zuerst wieder aufrichteten. Gerade durch den Tod Pescara's ermuthigt,
betrieben sie sofort ein neues Bündniß mit dem Papst und den Florentinern,
weiterhin mit Frankreich, dessen König den Frieden von Madrid nur ge¬
schlossen hatte, um ihn zu brechen. Im Mai 1526 kam der Vertrag zu
Cognac zu Stande, zu dessen Bedingungen die Erhaltung Sforza's in Mai¬
land und überhaupt die Restauration aller italienischen Fürsten in den Stand
vor dem Krieg gehörte. Franz wollte sich mit der Herrschaft Asti und der
Oberherrlichkeit über Genua begnügen. Ob sich Frankreich freilich auch nach
gewonnenem Sieg damit begnügt hätte, ist eine andere Frage, und es ist
doch etwas sanguinisch, wenn de Leva meint: Frankreich scheine damit wirk¬
lich endlich seine natürliche Rolle Italien gegenüber annehmen zu wollen,
die des Verbündeten, nicht des Eroberers; es habe sich in diesem Augenblick
nicht mehr um einen Streit um die Hegemonie in Europa, sondern für die
Unabhängigkeit Italiens gehandelt.

Zum nomineller Haupt der Liga war der König von England ernannt,
der großes Interesse für das Zustandekommen gezeigt hatte, ohne jedoch selbst


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_120192/316>, abgerufen am 28.09.2024.