Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

Mailand in ihre Gewalt zu bringen. Gleichwol wartete Pescara noch aus¬
drücklichen Befehl des Kaisers ab, um das in's Werk zu setzen, Karl schien
das zu vermeiden. Er wollte nicht mehr geben als jenen Generalbefehl, um
nachher, je nachdem die Sache ausging, die Schuld auf die ausführende Hand
zu werfen. Pescara beschloß jetzt, so rasch als möglich Morone, das Haupt
und vornehmste Werkzeug der Verschwörung, in seine Gewalt zu bekommen,
überzeugt, daß er mit dessen Prozeß dem Kaiser die untrüglichen Beweise in
die Hand liefern werde, welche die Bedingungen der kaiserlichen Belehnung
vernichten mußten. Pescara lag damals krank im Kastell zu Novara.
Hieher berief er, nachdem er zuvor Truppen aus Piemont heimlich an sich
gezogen , Morone zu einer neuen Unterredung. Dieser konnte sich bereits
dem Gedanken nicht mehr verschließen, daß die Unterhandlungen mit dem
Marquis bloßer Schein seien, die Freunde warnten ihn vor Nachstellungen.
Antonio de Leva hatte laut geäußert, daß er ihn zurückhalten werde, er
selbst zögerte. Dennoch entschloß er sich endlich, mit demselben de Leva zu
gehen, nachdem er sich zuvor durch einen neuen Geleitsbrief gesichert, --
"was mich um so mehr wundert", bemerkt Guicciardini, "weil ich wol im
Gedächtniß habe, wie oft Morone mir in Genua zur Zeit Leo's gesagt hat,
es gebe keinen Menschen in Italien von größerer Bosheit und größerer
Treulosigkeit als den Marchese von Pescara". Morone kam am 13. Octbr.
in Novara an. Freundlich ausgenommen, verbreitete er sich über den Stand
der Dinge. Von Frankreich und England seien Subsidien zugesagt, die
Truppen des Papstes, der Venetianer, des Herzogs von Mailand seien
marschbereit, die Schweizer warten nur auf den Ruf, ebenso die Ausgewan¬
derten, in längstens 14 Tagen könne Alles im Feld stehen. Offenbar über,
trieb Morone die Aussichten der Verschworenen in Pescara, um desto leich¬
ter zu einer endlichen Erklärung zu drängen. Dieser sollte sich überzeugen
und zögerte nun noch einen ganzen Tag. Am Morgen des Is. October
wurde der Großkanzler durch Antonio de Leva verhaftet und in das Kastell
von Pavia abgeführt. Am 24. begab sich Pescara in Begleitung de Leva's
und des Abts von Nagers zu dem Gefangenen, um ihn auszufragen über
Alles, was sie zusammen verhandelt, und Morone legte vor diesen Zeugen
ein umfassendes Geständniß über die ganze Verschwörung ab, den Herzog
von Mailand, seinen Herrn, als Mitverschworenen und Haupturheber an¬
klagend. Damit erkaufte er sich ohne Zweifel eine milde Behandlung. Zwei
Tage nach dem Verhör empfahl ihn Pescara der Gnade des Kaisers und
am folgenden Morgen sorgte er, daß ihm sein Vermögen sichergestellt würde.
Unverzüglich bemächtigte sich Pescara aller wichtigen Plätze im Mailändi¬
schen; dem Herzog blieben nur die Kastelle von Mailand und Cremona.

Karl heuchelte anfangs Mäßigung, ließ sich aber gern von seinen Ge°


Mailand in ihre Gewalt zu bringen. Gleichwol wartete Pescara noch aus¬
drücklichen Befehl des Kaisers ab, um das in's Werk zu setzen, Karl schien
das zu vermeiden. Er wollte nicht mehr geben als jenen Generalbefehl, um
nachher, je nachdem die Sache ausging, die Schuld auf die ausführende Hand
zu werfen. Pescara beschloß jetzt, so rasch als möglich Morone, das Haupt
und vornehmste Werkzeug der Verschwörung, in seine Gewalt zu bekommen,
überzeugt, daß er mit dessen Prozeß dem Kaiser die untrüglichen Beweise in
die Hand liefern werde, welche die Bedingungen der kaiserlichen Belehnung
vernichten mußten. Pescara lag damals krank im Kastell zu Novara.
Hieher berief er, nachdem er zuvor Truppen aus Piemont heimlich an sich
gezogen , Morone zu einer neuen Unterredung. Dieser konnte sich bereits
dem Gedanken nicht mehr verschließen, daß die Unterhandlungen mit dem
Marquis bloßer Schein seien, die Freunde warnten ihn vor Nachstellungen.
Antonio de Leva hatte laut geäußert, daß er ihn zurückhalten werde, er
selbst zögerte. Dennoch entschloß er sich endlich, mit demselben de Leva zu
gehen, nachdem er sich zuvor durch einen neuen Geleitsbrief gesichert, —
„was mich um so mehr wundert", bemerkt Guicciardini, „weil ich wol im
Gedächtniß habe, wie oft Morone mir in Genua zur Zeit Leo's gesagt hat,
es gebe keinen Menschen in Italien von größerer Bosheit und größerer
Treulosigkeit als den Marchese von Pescara". Morone kam am 13. Octbr.
in Novara an. Freundlich ausgenommen, verbreitete er sich über den Stand
der Dinge. Von Frankreich und England seien Subsidien zugesagt, die
Truppen des Papstes, der Venetianer, des Herzogs von Mailand seien
marschbereit, die Schweizer warten nur auf den Ruf, ebenso die Ausgewan¬
derten, in längstens 14 Tagen könne Alles im Feld stehen. Offenbar über,
trieb Morone die Aussichten der Verschworenen in Pescara, um desto leich¬
ter zu einer endlichen Erklärung zu drängen. Dieser sollte sich überzeugen
und zögerte nun noch einen ganzen Tag. Am Morgen des Is. October
wurde der Großkanzler durch Antonio de Leva verhaftet und in das Kastell
von Pavia abgeführt. Am 24. begab sich Pescara in Begleitung de Leva's
und des Abts von Nagers zu dem Gefangenen, um ihn auszufragen über
Alles, was sie zusammen verhandelt, und Morone legte vor diesen Zeugen
ein umfassendes Geständniß über die ganze Verschwörung ab, den Herzog
von Mailand, seinen Herrn, als Mitverschworenen und Haupturheber an¬
klagend. Damit erkaufte er sich ohne Zweifel eine milde Behandlung. Zwei
Tage nach dem Verhör empfahl ihn Pescara der Gnade des Kaisers und
am folgenden Morgen sorgte er, daß ihm sein Vermögen sichergestellt würde.
Unverzüglich bemächtigte sich Pescara aller wichtigen Plätze im Mailändi¬
schen; dem Herzog blieben nur die Kastelle von Mailand und Cremona.

Karl heuchelte anfangs Mäßigung, ließ sich aber gern von seinen Ge°


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0315" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/120504"/>
          <p xml:id="ID_894" prev="#ID_893"> Mailand in ihre Gewalt zu bringen. Gleichwol wartete Pescara noch aus¬<lb/>
drücklichen Befehl des Kaisers ab, um das in's Werk zu setzen, Karl schien<lb/>
das zu vermeiden. Er wollte nicht mehr geben als jenen Generalbefehl, um<lb/>
nachher, je nachdem die Sache ausging, die Schuld auf die ausführende Hand<lb/>
zu werfen. Pescara beschloß jetzt, so rasch als möglich Morone, das Haupt<lb/>
und vornehmste Werkzeug der Verschwörung, in seine Gewalt zu bekommen,<lb/>
überzeugt, daß er mit dessen Prozeß dem Kaiser die untrüglichen Beweise in<lb/>
die Hand liefern werde, welche die Bedingungen der kaiserlichen Belehnung<lb/>
vernichten mußten. Pescara lag damals krank im Kastell zu Novara.<lb/>
Hieher berief er, nachdem er zuvor Truppen aus Piemont heimlich an sich<lb/>
gezogen , Morone zu einer neuen Unterredung. Dieser konnte sich bereits<lb/>
dem Gedanken nicht mehr verschließen, daß die Unterhandlungen mit dem<lb/>
Marquis bloßer Schein seien, die Freunde warnten ihn vor Nachstellungen.<lb/>
Antonio de Leva hatte laut geäußert, daß er ihn zurückhalten werde, er<lb/>
selbst zögerte. Dennoch entschloß er sich endlich, mit demselben de Leva zu<lb/>
gehen, nachdem er sich zuvor durch einen neuen Geleitsbrief gesichert, &#x2014;<lb/>
&#x201E;was mich um so mehr wundert", bemerkt Guicciardini, &#x201E;weil ich wol im<lb/>
Gedächtniß habe, wie oft Morone mir in Genua zur Zeit Leo's gesagt hat,<lb/>
es gebe keinen Menschen in Italien von größerer Bosheit und größerer<lb/>
Treulosigkeit als den Marchese von Pescara". Morone kam am 13. Octbr.<lb/>
in Novara an. Freundlich ausgenommen, verbreitete er sich über den Stand<lb/>
der Dinge. Von Frankreich und England seien Subsidien zugesagt, die<lb/>
Truppen des Papstes, der Venetianer, des Herzogs von Mailand seien<lb/>
marschbereit, die Schweizer warten nur auf den Ruf, ebenso die Ausgewan¬<lb/>
derten, in längstens 14 Tagen könne Alles im Feld stehen. Offenbar über,<lb/>
trieb Morone die Aussichten der Verschworenen in Pescara, um desto leich¬<lb/>
ter zu einer endlichen Erklärung zu drängen. Dieser sollte sich überzeugen<lb/>
und zögerte nun noch einen ganzen Tag. Am Morgen des Is. October<lb/>
wurde der Großkanzler durch Antonio de Leva verhaftet und in das Kastell<lb/>
von Pavia abgeführt. Am 24. begab sich Pescara in Begleitung de Leva's<lb/>
und des Abts von Nagers zu dem Gefangenen, um ihn auszufragen über<lb/>
Alles, was sie zusammen verhandelt, und Morone legte vor diesen Zeugen<lb/>
ein umfassendes Geständniß über die ganze Verschwörung ab, den Herzog<lb/>
von Mailand, seinen Herrn, als Mitverschworenen und Haupturheber an¬<lb/>
klagend. Damit erkaufte er sich ohne Zweifel eine milde Behandlung. Zwei<lb/>
Tage nach dem Verhör empfahl ihn Pescara der Gnade des Kaisers und<lb/>
am folgenden Morgen sorgte er, daß ihm sein Vermögen sichergestellt würde.<lb/>
Unverzüglich bemächtigte sich Pescara aller wichtigen Plätze im Mailändi¬<lb/>
schen; dem Herzog blieben nur die Kastelle von Mailand und Cremona.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_895" next="#ID_896"> Karl heuchelte anfangs Mäßigung, ließ sich aber gern von seinen Ge°</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0315] Mailand in ihre Gewalt zu bringen. Gleichwol wartete Pescara noch aus¬ drücklichen Befehl des Kaisers ab, um das in's Werk zu setzen, Karl schien das zu vermeiden. Er wollte nicht mehr geben als jenen Generalbefehl, um nachher, je nachdem die Sache ausging, die Schuld auf die ausführende Hand zu werfen. Pescara beschloß jetzt, so rasch als möglich Morone, das Haupt und vornehmste Werkzeug der Verschwörung, in seine Gewalt zu bekommen, überzeugt, daß er mit dessen Prozeß dem Kaiser die untrüglichen Beweise in die Hand liefern werde, welche die Bedingungen der kaiserlichen Belehnung vernichten mußten. Pescara lag damals krank im Kastell zu Novara. Hieher berief er, nachdem er zuvor Truppen aus Piemont heimlich an sich gezogen , Morone zu einer neuen Unterredung. Dieser konnte sich bereits dem Gedanken nicht mehr verschließen, daß die Unterhandlungen mit dem Marquis bloßer Schein seien, die Freunde warnten ihn vor Nachstellungen. Antonio de Leva hatte laut geäußert, daß er ihn zurückhalten werde, er selbst zögerte. Dennoch entschloß er sich endlich, mit demselben de Leva zu gehen, nachdem er sich zuvor durch einen neuen Geleitsbrief gesichert, — „was mich um so mehr wundert", bemerkt Guicciardini, „weil ich wol im Gedächtniß habe, wie oft Morone mir in Genua zur Zeit Leo's gesagt hat, es gebe keinen Menschen in Italien von größerer Bosheit und größerer Treulosigkeit als den Marchese von Pescara". Morone kam am 13. Octbr. in Novara an. Freundlich ausgenommen, verbreitete er sich über den Stand der Dinge. Von Frankreich und England seien Subsidien zugesagt, die Truppen des Papstes, der Venetianer, des Herzogs von Mailand seien marschbereit, die Schweizer warten nur auf den Ruf, ebenso die Ausgewan¬ derten, in längstens 14 Tagen könne Alles im Feld stehen. Offenbar über, trieb Morone die Aussichten der Verschworenen in Pescara, um desto leich¬ ter zu einer endlichen Erklärung zu drängen. Dieser sollte sich überzeugen und zögerte nun noch einen ganzen Tag. Am Morgen des Is. October wurde der Großkanzler durch Antonio de Leva verhaftet und in das Kastell von Pavia abgeführt. Am 24. begab sich Pescara in Begleitung de Leva's und des Abts von Nagers zu dem Gefangenen, um ihn auszufragen über Alles, was sie zusammen verhandelt, und Morone legte vor diesen Zeugen ein umfassendes Geständniß über die ganze Verschwörung ab, den Herzog von Mailand, seinen Herrn, als Mitverschworenen und Haupturheber an¬ klagend. Damit erkaufte er sich ohne Zweifel eine milde Behandlung. Zwei Tage nach dem Verhör empfahl ihn Pescara der Gnade des Kaisers und am folgenden Morgen sorgte er, daß ihm sein Vermögen sichergestellt würde. Unverzüglich bemächtigte sich Pescara aller wichtigen Plätze im Mailändi¬ schen; dem Herzog blieben nur die Kastelle von Mailand und Cremona. Karl heuchelte anfangs Mäßigung, ließ sich aber gern von seinen Ge°

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_120192
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_120192/315
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_120192/315>, abgerufen am 28.09.2024.