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Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. I. Band.

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das eine oder andere Mal oder mehrmals in meinen Plänen getäuscht werde --
schreibt er an Niccolo Crucia, April 1317 -- so werde ich darum doch nicht
feig und muthlos mich dem Unglück beugen; vielmehr will ich dann mit
neuen Hoffnungen, mit neuer Anstrengung, mit neuen Thaten versuchen das
Glück aufzuwecken, und keine Kraft der Seele und des Leibes sparen, um
neue Dinge und bessere Wandlungen herbeizuführen. Soviel der sturm¬
bringenden Winde sind, will ich erblasen, damit durch die Wucht eines einzigen
oder durch den Zusammenstoß mehrerer die Dinge derart untereinander
gerathen, daß gleichsam als Rückströmung aus der Zwingherrschaft des leicht¬
sinnigen Volkes unser Vaterland frei hervorgehe, und endlich, wenn ich die
Götter des Himmels nicht bewegen kann, will ich die Hölle anrufen, und
selbst die Hartnäckigkeit des Glücks in Vergünstigung der Feinde soll nicht
größer sein als meine Festigkeit, denn eher das Ende des Lebens will ich im
Exil erblicken, als das Ende der Hoffnung. Wenn diejenigen, welche die
veränderliche Göttin erhoben hat, ihre Herrschaft nicht mit Maß und der
Tugend gemäß führen, so ist es unvermeidlich, daß sie in Trümmer geht."
-- In der That hatten die ungeheuren Lasten, Contributionen, die Schaffote,
Confiscationen, Prosenprionen den Marschall Lautrec immer verhaßter in
Mailand gemacht. Die Privilegien des Senats waren mit Füßen getreten,
und an die Stelle des vom Volk gewählten Raths (1612 aus 900, 1516
aus ISO Mitgliedern bestehend) eine Versammlung von 60 durch den Gou¬
verneur gewählten Nobili eingesetzt. Die Franzosen schälkelen wie in Feindes¬
land. Schaarenweise vertrieb Lautrec die Reichen, um deren Güter einzu¬
ziehen. Man schätzte die Zahl der Ausgewanderten ebenso hoch als die der
Zurückgebliebenen. Haupt der Ausgewanderten war Morone; nachdem er in
Moden" mehr als 2 Jahre gewesen, begab er sich, Auslieferung an Frank¬
reich durch die Medici befürchtend zu Gian Francesco Pico von Mirandola,
und von da im Jahr 1318 wieder nach Trient an die Seite des jungen
Franz Maria Sforza.

Von hier aus war er unermüdlich bemüht, die Unzufriedenheit der Mai¬
länder zu nähren und zugleich die Schweizer für die Sache des Herzogs zu
gewinnen. Während Karl und Franz sich um die Hilfe der Schweizer stritten,
schrieb Morone an den Cardinal von Sitten, sie möchten doch vielmehr die
Restauration des Sforza begünstigen. "Vielleicht zürnst du mir, daß ich all¬
zu unruhig und zudringlich dir keine Ruhe lasse. Aber ich will lieber Einem
gleichen, der, um das Beispiel des Meisters zu befolgen, gelernt hat tausend¬
mal die Netze vergebens auszuwerfen, als Einem, der es aus Trägheit ein
einzigesmal unterläßt, und sich damit das Glück, das ihm lächelt, entschlüpfen -
läßt." Als der Krieg endlich ausbrach, ging Morone als Gesandter nach
Rom, befestigte den zögernden Papst im Bündniß mit Karl, zu dessen


das eine oder andere Mal oder mehrmals in meinen Plänen getäuscht werde —
schreibt er an Niccolo Crucia, April 1317 — so werde ich darum doch nicht
feig und muthlos mich dem Unglück beugen; vielmehr will ich dann mit
neuen Hoffnungen, mit neuer Anstrengung, mit neuen Thaten versuchen das
Glück aufzuwecken, und keine Kraft der Seele und des Leibes sparen, um
neue Dinge und bessere Wandlungen herbeizuführen. Soviel der sturm¬
bringenden Winde sind, will ich erblasen, damit durch die Wucht eines einzigen
oder durch den Zusammenstoß mehrerer die Dinge derart untereinander
gerathen, daß gleichsam als Rückströmung aus der Zwingherrschaft des leicht¬
sinnigen Volkes unser Vaterland frei hervorgehe, und endlich, wenn ich die
Götter des Himmels nicht bewegen kann, will ich die Hölle anrufen, und
selbst die Hartnäckigkeit des Glücks in Vergünstigung der Feinde soll nicht
größer sein als meine Festigkeit, denn eher das Ende des Lebens will ich im
Exil erblicken, als das Ende der Hoffnung. Wenn diejenigen, welche die
veränderliche Göttin erhoben hat, ihre Herrschaft nicht mit Maß und der
Tugend gemäß führen, so ist es unvermeidlich, daß sie in Trümmer geht."
— In der That hatten die ungeheuren Lasten, Contributionen, die Schaffote,
Confiscationen, Prosenprionen den Marschall Lautrec immer verhaßter in
Mailand gemacht. Die Privilegien des Senats waren mit Füßen getreten,
und an die Stelle des vom Volk gewählten Raths (1612 aus 900, 1516
aus ISO Mitgliedern bestehend) eine Versammlung von 60 durch den Gou¬
verneur gewählten Nobili eingesetzt. Die Franzosen schälkelen wie in Feindes¬
land. Schaarenweise vertrieb Lautrec die Reichen, um deren Güter einzu¬
ziehen. Man schätzte die Zahl der Ausgewanderten ebenso hoch als die der
Zurückgebliebenen. Haupt der Ausgewanderten war Morone; nachdem er in
Moden« mehr als 2 Jahre gewesen, begab er sich, Auslieferung an Frank¬
reich durch die Medici befürchtend zu Gian Francesco Pico von Mirandola,
und von da im Jahr 1318 wieder nach Trient an die Seite des jungen
Franz Maria Sforza.

Von hier aus war er unermüdlich bemüht, die Unzufriedenheit der Mai¬
länder zu nähren und zugleich die Schweizer für die Sache des Herzogs zu
gewinnen. Während Karl und Franz sich um die Hilfe der Schweizer stritten,
schrieb Morone an den Cardinal von Sitten, sie möchten doch vielmehr die
Restauration des Sforza begünstigen. „Vielleicht zürnst du mir, daß ich all¬
zu unruhig und zudringlich dir keine Ruhe lasse. Aber ich will lieber Einem
gleichen, der, um das Beispiel des Meisters zu befolgen, gelernt hat tausend¬
mal die Netze vergebens auszuwerfen, als Einem, der es aus Trägheit ein
einzigesmal unterläßt, und sich damit das Glück, das ihm lächelt, entschlüpfen -
läßt." Als der Krieg endlich ausbrach, ging Morone als Gesandter nach
Rom, befestigte den zögernden Papst im Bündniß mit Karl, zu dessen


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_120192/310>, abgerufen am 28.09.2024.