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Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. I. Band.

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Luft selber zusehen zu lassen, wie sie sich durch zufällige Spalte, Ritzen und
Poren der eingesogenen schädlichen Bestandtheile wieder, entledigt?

Eine aufmerksame Fürsorge, die sich in einer präeisen sanitarischen In-
struction für den Custos (oder wer sonst die äußere Wartung eines Schul¬
gebäudes übernimmt) und in dessen unausgesetzten strengsten Ueberwachung
ausprägte, könnte schon aus dem nächstliegenden Mittel regelmäßiger Lüf¬
tung viel machen. Nur muß ihr nicht jene verwerfliche Art von Sparsamkeit
entgegentreten, die mit dem möglichst geringsten Maße von Feuerung aus¬
kommen will. Die stumpfen Sinne des gemeinen Mannes pflegen zwischen
Wärme und Dunst nicht zu unterscheiden; der Unternehmer und Beaufsich¬
tiger von Schulen aber ist es unwürdig, sich auf diesen veralteten Stand¬
punkt zu stellen. So viel Feuerung, als nothwendig ist, um die vollkom¬
menste Lüftung der Schulräume von der einen Benutzungsfrist zur andern
zu erlauben, gehört zu den ersten und unbedingtesten Bedürfnissen jeder
Schule ohne Ausnahme. Die Volksschule erheischt die Bewilligung der hieraus
fließenden höheren Ausgaben noch viel mehr als es die übrigen Unterrichts¬
anstalten thun, weil in ihr unvermeidlicher Weise stets eine größere Zahl von
Schülern zusammengepfercht sein wird und dieselben für die schlechte Luft des
Schulzimmers daheim kein Gegengewicht zu finden Aussicht haben.

Bisher hat auf Verminderung der von einem Lehrer gleichzeitig zu
unterrichtenden Schülerzahl wesentlich nur das pädagogische Interesse hin¬
gewirkt. Es gibt eine Zahl von Köpfen, über welche hinaus selbst der ein¬
fachste Unterricht aufhört wahrhaft ergiebig zu sein; und diese Zahl wird in
der großen Mehrzahl unsrer Volksschulen immer noch überschritten. Fortan
wird, wie man hoffen darf, ein nicht minder mächtiges hygienisches Motiv
diese Tendenz verstärken. Wichtiger am Ende noch als positive Erreichung
des Zweckes, zu welchem ein Kind die Schule besucht, ist, daß es in derselben
seine Gesundheit nicht einbüße. Die Gesundheit kann aber nicht unbeschädigt
erhalten bleiben, wenn in einem mäßig großen Zimmer fünfzig und mehr
kleine Leute mehrere Stunden hinter einander zubringen. Dieser Satz bleibt
bestehen, auch wenn durch die pünktlichste Oeffnung von Thüren und Fenstern
während der Unterrichtspausen dafür gesorgt wird, daß sie bei ihrer jedes¬
maligen Versammlung eine vollkommen athembare frische Luft vorfinden; ja
selbst dann, wenn künstliche Ventilation alle ihre Mittel an dem betreffenden
Raume erschöpft. In einem Zimmer, dessen Größe die Grenzen bequemer
pädagogischer Beherrschbarkeit nicht übersteigt, das also etwa 26 Fuß lang,
22 Fuß breit und 16 Fuß hoch wäre, sollten der Regel nach nicht mehr als
dreißig Schüler aufgenommen werden. Dieselbe Höchstzahl wird ungefähr
auch unter dem specifischen Gesichtspunkt des Lehrers richtig befunden wer¬
den; in manchen höhern Unterrichtsanstalten gilt sie als solche bereits, und


Luft selber zusehen zu lassen, wie sie sich durch zufällige Spalte, Ritzen und
Poren der eingesogenen schädlichen Bestandtheile wieder, entledigt?

Eine aufmerksame Fürsorge, die sich in einer präeisen sanitarischen In-
struction für den Custos (oder wer sonst die äußere Wartung eines Schul¬
gebäudes übernimmt) und in dessen unausgesetzten strengsten Ueberwachung
ausprägte, könnte schon aus dem nächstliegenden Mittel regelmäßiger Lüf¬
tung viel machen. Nur muß ihr nicht jene verwerfliche Art von Sparsamkeit
entgegentreten, die mit dem möglichst geringsten Maße von Feuerung aus¬
kommen will. Die stumpfen Sinne des gemeinen Mannes pflegen zwischen
Wärme und Dunst nicht zu unterscheiden; der Unternehmer und Beaufsich¬
tiger von Schulen aber ist es unwürdig, sich auf diesen veralteten Stand¬
punkt zu stellen. So viel Feuerung, als nothwendig ist, um die vollkom¬
menste Lüftung der Schulräume von der einen Benutzungsfrist zur andern
zu erlauben, gehört zu den ersten und unbedingtesten Bedürfnissen jeder
Schule ohne Ausnahme. Die Volksschule erheischt die Bewilligung der hieraus
fließenden höheren Ausgaben noch viel mehr als es die übrigen Unterrichts¬
anstalten thun, weil in ihr unvermeidlicher Weise stets eine größere Zahl von
Schülern zusammengepfercht sein wird und dieselben für die schlechte Luft des
Schulzimmers daheim kein Gegengewicht zu finden Aussicht haben.

Bisher hat auf Verminderung der von einem Lehrer gleichzeitig zu
unterrichtenden Schülerzahl wesentlich nur das pädagogische Interesse hin¬
gewirkt. Es gibt eine Zahl von Köpfen, über welche hinaus selbst der ein¬
fachste Unterricht aufhört wahrhaft ergiebig zu sein; und diese Zahl wird in
der großen Mehrzahl unsrer Volksschulen immer noch überschritten. Fortan
wird, wie man hoffen darf, ein nicht minder mächtiges hygienisches Motiv
diese Tendenz verstärken. Wichtiger am Ende noch als positive Erreichung
des Zweckes, zu welchem ein Kind die Schule besucht, ist, daß es in derselben
seine Gesundheit nicht einbüße. Die Gesundheit kann aber nicht unbeschädigt
erhalten bleiben, wenn in einem mäßig großen Zimmer fünfzig und mehr
kleine Leute mehrere Stunden hinter einander zubringen. Dieser Satz bleibt
bestehen, auch wenn durch die pünktlichste Oeffnung von Thüren und Fenstern
während der Unterrichtspausen dafür gesorgt wird, daß sie bei ihrer jedes¬
maligen Versammlung eine vollkommen athembare frische Luft vorfinden; ja
selbst dann, wenn künstliche Ventilation alle ihre Mittel an dem betreffenden
Raume erschöpft. In einem Zimmer, dessen Größe die Grenzen bequemer
pädagogischer Beherrschbarkeit nicht übersteigt, das also etwa 26 Fuß lang,
22 Fuß breit und 16 Fuß hoch wäre, sollten der Regel nach nicht mehr als
dreißig Schüler aufgenommen werden. Dieselbe Höchstzahl wird ungefähr
auch unter dem specifischen Gesichtspunkt des Lehrers richtig befunden wer¬
den; in manchen höhern Unterrichtsanstalten gilt sie als solche bereits, und


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_120192/289>, abgerufen am 28.09.2024.