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Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. I. Band.

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antiken Münzen die ungeprägtem, welche den ältern und den jüngern Stempel
zugleich erkennen zu lassen, von besonderer Wichtigkeit. Und wenn in den
Sarkophagdarstellungen gerade der jüngere Stempel, (wenn ich im Bilde
bleibend die Symbolik, die sie enthalten, so bezeichnen darf) gerade der weniger
deutliche ist, so ist bisher mit den Schwierigkeiten, welche einer besonnenen
Erklärung daraus erwachsen, das Interesse und die Bemühung, ihm gerecht
zu werden, nur gestiegen.

Bei näherer Betrachtung ergeben sich gewisse Arten von Bedeutungen,
die sich, wie sehr sie auch ineinander übergehen, doch bis auf einen gewissen
Grad auseinanderhalten lassen. Einmal sind persönliche, zufällige Beziehungen
zu den Todten selbst anzunehmen. Wie oberflächlich und spielerisch dieselben
oft gehalten waren, zeigen Beispiele, die wir durch Inschriften controliren
können. So wird auf dem Grabe eines Jünglings Diadumenos die Athleten¬
statue Diadumenos von Polhklet wiederholt; auf einem andern spielt die
Figur eines Ebers auf den Namen des Todten 1. Ltatilius ^xer an. Ueber
einer Darstellung des Achilleus und der Penthesilea erklärt ein ehrlicher
Mann von seiner verstorbenen Frau inschriftlich: nach dem treulosen Rath¬
schluß des Schicksals hatte sie die Schönheit einer Amazone, sodaß ich sie
eigentlich erst zu lieben anfing als sie todt war. In anderem Sinn mag
sich auf den Todten beziehn, was an Schilderungen des täglichen Lebens, des
Handels und Verkehrs, des Handwerks und der Kunst vorkommt. Auf
Kindersärgen sind mit Vorliebe Kinderspiele angebracht. Die .Person des
Todten tritt dagegen zurück, wo es sich um eine Veranschaulichung gewisser
Eigenschaften des Lebens überhaupt in allegorischer Weise handelt; und
gerade diese Classe von, Darstellungen führt uns oft die ansprechendsten Ge¬
danken in anmuthiger leicht faßlicher Form vor. So rudern Eroten in
Nachen über das Meer nach dem Pharus, welcher den Eingang zum Hasen
bezeichnet; eine Reihe von Wettrennern sucht auf galloppirendem Gespann
im Circus sich zu überholen, um rechtzeitig und glücklich um die gefährliche
Meta (Wendestelle) herumzukommen; von dem Kornfelde, auf dem die
Schnitter noch ihre Garben binden, wird ein hoher schwerbeladener Wagen
von den Zugthieren dem nahen Stadtthore zugefahren; eine Schaar Ge¬
sellen zieht lustig zu Pferd oder zu Fuß durch den Wald hin. Auch findet
sich wohl eine Reise zu Wasser und zu Lande geschildert. Wahrscheinlich das
Erblühen und Verwelken des Lebens ist mit der so häufigen Darstellung der
vier Jahreszeiten gemeint. Eindrücke anderer Art, aber immer mit dem all¬
gemeinen Grundgedanken rufen die Arbeiten des Harakles hervor, oder die
Ringkampfe in der Palästra, denen die Bekränzung des Siegers nicht fehlt,
oder die liebliche/ Geschichte von Eros und Psyche, wie sie sich quälen und
im Kusse wiederfinden. Die allgemeinen Schicksale des Welttreibens werden


antiken Münzen die ungeprägtem, welche den ältern und den jüngern Stempel
zugleich erkennen zu lassen, von besonderer Wichtigkeit. Und wenn in den
Sarkophagdarstellungen gerade der jüngere Stempel, (wenn ich im Bilde
bleibend die Symbolik, die sie enthalten, so bezeichnen darf) gerade der weniger
deutliche ist, so ist bisher mit den Schwierigkeiten, welche einer besonnenen
Erklärung daraus erwachsen, das Interesse und die Bemühung, ihm gerecht
zu werden, nur gestiegen.

Bei näherer Betrachtung ergeben sich gewisse Arten von Bedeutungen,
die sich, wie sehr sie auch ineinander übergehen, doch bis auf einen gewissen
Grad auseinanderhalten lassen. Einmal sind persönliche, zufällige Beziehungen
zu den Todten selbst anzunehmen. Wie oberflächlich und spielerisch dieselben
oft gehalten waren, zeigen Beispiele, die wir durch Inschriften controliren
können. So wird auf dem Grabe eines Jünglings Diadumenos die Athleten¬
statue Diadumenos von Polhklet wiederholt; auf einem andern spielt die
Figur eines Ebers auf den Namen des Todten 1. Ltatilius ^xer an. Ueber
einer Darstellung des Achilleus und der Penthesilea erklärt ein ehrlicher
Mann von seiner verstorbenen Frau inschriftlich: nach dem treulosen Rath¬
schluß des Schicksals hatte sie die Schönheit einer Amazone, sodaß ich sie
eigentlich erst zu lieben anfing als sie todt war. In anderem Sinn mag
sich auf den Todten beziehn, was an Schilderungen des täglichen Lebens, des
Handels und Verkehrs, des Handwerks und der Kunst vorkommt. Auf
Kindersärgen sind mit Vorliebe Kinderspiele angebracht. Die .Person des
Todten tritt dagegen zurück, wo es sich um eine Veranschaulichung gewisser
Eigenschaften des Lebens überhaupt in allegorischer Weise handelt; und
gerade diese Classe von, Darstellungen führt uns oft die ansprechendsten Ge¬
danken in anmuthiger leicht faßlicher Form vor. So rudern Eroten in
Nachen über das Meer nach dem Pharus, welcher den Eingang zum Hasen
bezeichnet; eine Reihe von Wettrennern sucht auf galloppirendem Gespann
im Circus sich zu überholen, um rechtzeitig und glücklich um die gefährliche
Meta (Wendestelle) herumzukommen; von dem Kornfelde, auf dem die
Schnitter noch ihre Garben binden, wird ein hoher schwerbeladener Wagen
von den Zugthieren dem nahen Stadtthore zugefahren; eine Schaar Ge¬
sellen zieht lustig zu Pferd oder zu Fuß durch den Wald hin. Auch findet
sich wohl eine Reise zu Wasser und zu Lande geschildert. Wahrscheinlich das
Erblühen und Verwelken des Lebens ist mit der so häufigen Darstellung der
vier Jahreszeiten gemeint. Eindrücke anderer Art, aber immer mit dem all¬
gemeinen Grundgedanken rufen die Arbeiten des Harakles hervor, oder die
Ringkampfe in der Palästra, denen die Bekränzung des Siegers nicht fehlt,
oder die liebliche/ Geschichte von Eros und Psyche, wie sie sich quälen und
im Kusse wiederfinden. Die allgemeinen Schicksale des Welttreibens werden


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[0262] antiken Münzen die ungeprägtem, welche den ältern und den jüngern Stempel zugleich erkennen zu lassen, von besonderer Wichtigkeit. Und wenn in den Sarkophagdarstellungen gerade der jüngere Stempel, (wenn ich im Bilde bleibend die Symbolik, die sie enthalten, so bezeichnen darf) gerade der weniger deutliche ist, so ist bisher mit den Schwierigkeiten, welche einer besonnenen Erklärung daraus erwachsen, das Interesse und die Bemühung, ihm gerecht zu werden, nur gestiegen. Bei näherer Betrachtung ergeben sich gewisse Arten von Bedeutungen, die sich, wie sehr sie auch ineinander übergehen, doch bis auf einen gewissen Grad auseinanderhalten lassen. Einmal sind persönliche, zufällige Beziehungen zu den Todten selbst anzunehmen. Wie oberflächlich und spielerisch dieselben oft gehalten waren, zeigen Beispiele, die wir durch Inschriften controliren können. So wird auf dem Grabe eines Jünglings Diadumenos die Athleten¬ statue Diadumenos von Polhklet wiederholt; auf einem andern spielt die Figur eines Ebers auf den Namen des Todten 1. Ltatilius ^xer an. Ueber einer Darstellung des Achilleus und der Penthesilea erklärt ein ehrlicher Mann von seiner verstorbenen Frau inschriftlich: nach dem treulosen Rath¬ schluß des Schicksals hatte sie die Schönheit einer Amazone, sodaß ich sie eigentlich erst zu lieben anfing als sie todt war. In anderem Sinn mag sich auf den Todten beziehn, was an Schilderungen des täglichen Lebens, des Handels und Verkehrs, des Handwerks und der Kunst vorkommt. Auf Kindersärgen sind mit Vorliebe Kinderspiele angebracht. Die .Person des Todten tritt dagegen zurück, wo es sich um eine Veranschaulichung gewisser Eigenschaften des Lebens überhaupt in allegorischer Weise handelt; und gerade diese Classe von, Darstellungen führt uns oft die ansprechendsten Ge¬ danken in anmuthiger leicht faßlicher Form vor. So rudern Eroten in Nachen über das Meer nach dem Pharus, welcher den Eingang zum Hasen bezeichnet; eine Reihe von Wettrennern sucht auf galloppirendem Gespann im Circus sich zu überholen, um rechtzeitig und glücklich um die gefährliche Meta (Wendestelle) herumzukommen; von dem Kornfelde, auf dem die Schnitter noch ihre Garben binden, wird ein hoher schwerbeladener Wagen von den Zugthieren dem nahen Stadtthore zugefahren; eine Schaar Ge¬ sellen zieht lustig zu Pferd oder zu Fuß durch den Wald hin. Auch findet sich wohl eine Reise zu Wasser und zu Lande geschildert. Wahrscheinlich das Erblühen und Verwelken des Lebens ist mit der so häufigen Darstellung der vier Jahreszeiten gemeint. Eindrücke anderer Art, aber immer mit dem all¬ gemeinen Grundgedanken rufen die Arbeiten des Harakles hervor, oder die Ringkampfe in der Palästra, denen die Bekränzung des Siegers nicht fehlt, oder die liebliche/ Geschichte von Eros und Psyche, wie sie sich quälen und im Kusse wiederfinden. Die allgemeinen Schicksale des Welttreibens werden

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_120192/262>, abgerufen am 28.09.2024.