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Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. I. Band.

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gefäße auffand. Das Zwölflafelgesetz kennt beide Arten der Bestattung.
Daß aber das Verbrennen immer mehr um sich gegriffen habe und schon in
den letzten Jahrhunderten der Republik das Ueberwiegende gewesen sei, wird
aus dem Umstände geschlossen werden dürfen, daß uns außer dem schon ge¬
nannten Scipionen-Sarkophag kein namhaster urkundlich beglaubigter Stein¬
sarg aus republikanischer Zeit erhalten ist. In der ersten Kaiserzeit ist das
Verbrennen -durchaus Regel, wie denn in der ganzen großen Gräberanlage
von Pompei kein einziger Sarkophag zu Tage gekommen ist. Erst im An¬
fang des zweiten Jahrhunderts kehrt man, und zwar wie mit einem Male,
zur Sitte des Begrabens zurück und die nun zur Mode gewordenen in
neuen Typen ausgebildeten römischen Sarkophage erfahren eine Verbreitung
über alle Theile des römischen Reichs bis an seine fernsten Grenzen, selbst
über Griechenland. In der That sind bei Ausgrabungen, die man neuer¬
dings in den Begräbnißstätten von Ostia, auf der Via Appia Labicana und
Latina anstellte, wobei es sich durchgängig um Denkmäler des zweiten und
dritten Jahrhunderts handelte, Cippen und Aschenurnen in verschwindend
kleiner Zahl zu Tage gekommen. Die spätere Zeit kennt, wie ein Schrift¬
steller des vierten Jahrhundert sagt, nicht einmal mehr Ausnahmen. So
haben wir es also mit der merkwürdigen Thatsache der plötzlichen Umwan-
delung einer tiefgreifenden Volkssitte zu thun. Und so gewiß sich der Wechsel
einer Sitte recht im Unterschied von dem Wechsel der Mode nicht aus äußern
Gründen, sondern nur durch Umgestaltung der innern Anschauungsweise er¬
klären läßt, -- in diesem Falle also ein Hinweis auf die Neigung jenes Zeit¬
alters, zu alterthümlichen Formen zurückzukehren oder seine Prachtliebe, die
sich mit einer breitern Schaustellung künstlerischen Schmuckes auch in den
Denkmälern der Todten habe genügen wollen, den Kern der Sache berühren
würde: -- so gewiß trifft Jacob Grimm in seiner schönen Abhandlung über
das Verbrennen der Leichname das Wahre, wenn er in jener Thatsache einen
Einfluß des Christenthums erkennt.

Von weiterem Belang ist die Herstellung der Sarkophage. Schon ihre
große Zahl weist auf eine Art der Anfertigung hin, welche auf die Menge,
nicht auf die Vollendung des einzelnen Stücks bedacht ist, also auf Fabrikation-
Häusig genug finden sie sich in Gräbern so wie sie unmittelbar aus dem
Magazin des Fabrikanten kamen, mit einem ausgeschriebenen v. N. (vis
Niwibus), welchem die eigentliche Grabschrift noch hätte folgen müssen, oder
mit einem nur ungefähr angelegten Brustbilde, dessen Ausführung erst
auf jedesmalige Bestellung geschah. Recht anschaulich führt uns die Relief¬
darstellung eines Sarkophags, welcher in den römischen Catakomben gefunden
wurde, in die Werkstatt eines solchen Fabrikanten ein. Ein Sarg steht
schon fertig da, an den Canelluren eines andern größern arbeiten zwei


gefäße auffand. Das Zwölflafelgesetz kennt beide Arten der Bestattung.
Daß aber das Verbrennen immer mehr um sich gegriffen habe und schon in
den letzten Jahrhunderten der Republik das Ueberwiegende gewesen sei, wird
aus dem Umstände geschlossen werden dürfen, daß uns außer dem schon ge¬
nannten Scipionen-Sarkophag kein namhaster urkundlich beglaubigter Stein¬
sarg aus republikanischer Zeit erhalten ist. In der ersten Kaiserzeit ist das
Verbrennen -durchaus Regel, wie denn in der ganzen großen Gräberanlage
von Pompei kein einziger Sarkophag zu Tage gekommen ist. Erst im An¬
fang des zweiten Jahrhunderts kehrt man, und zwar wie mit einem Male,
zur Sitte des Begrabens zurück und die nun zur Mode gewordenen in
neuen Typen ausgebildeten römischen Sarkophage erfahren eine Verbreitung
über alle Theile des römischen Reichs bis an seine fernsten Grenzen, selbst
über Griechenland. In der That sind bei Ausgrabungen, die man neuer¬
dings in den Begräbnißstätten von Ostia, auf der Via Appia Labicana und
Latina anstellte, wobei es sich durchgängig um Denkmäler des zweiten und
dritten Jahrhunderts handelte, Cippen und Aschenurnen in verschwindend
kleiner Zahl zu Tage gekommen. Die spätere Zeit kennt, wie ein Schrift¬
steller des vierten Jahrhundert sagt, nicht einmal mehr Ausnahmen. So
haben wir es also mit der merkwürdigen Thatsache der plötzlichen Umwan-
delung einer tiefgreifenden Volkssitte zu thun. Und so gewiß sich der Wechsel
einer Sitte recht im Unterschied von dem Wechsel der Mode nicht aus äußern
Gründen, sondern nur durch Umgestaltung der innern Anschauungsweise er¬
klären läßt, — in diesem Falle also ein Hinweis auf die Neigung jenes Zeit¬
alters, zu alterthümlichen Formen zurückzukehren oder seine Prachtliebe, die
sich mit einer breitern Schaustellung künstlerischen Schmuckes auch in den
Denkmälern der Todten habe genügen wollen, den Kern der Sache berühren
würde: — so gewiß trifft Jacob Grimm in seiner schönen Abhandlung über
das Verbrennen der Leichname das Wahre, wenn er in jener Thatsache einen
Einfluß des Christenthums erkennt.

Von weiterem Belang ist die Herstellung der Sarkophage. Schon ihre
große Zahl weist auf eine Art der Anfertigung hin, welche auf die Menge,
nicht auf die Vollendung des einzelnen Stücks bedacht ist, also auf Fabrikation-
Häusig genug finden sie sich in Gräbern so wie sie unmittelbar aus dem
Magazin des Fabrikanten kamen, mit einem ausgeschriebenen v. N. (vis
Niwibus), welchem die eigentliche Grabschrift noch hätte folgen müssen, oder
mit einem nur ungefähr angelegten Brustbilde, dessen Ausführung erst
auf jedesmalige Bestellung geschah. Recht anschaulich führt uns die Relief¬
darstellung eines Sarkophags, welcher in den römischen Catakomben gefunden
wurde, in die Werkstatt eines solchen Fabrikanten ein. Ein Sarg steht
schon fertig da, an den Canelluren eines andern größern arbeiten zwei


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_120192/258>, abgerufen am 28.09.2024.