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Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. I. Band.

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den Zollverein wurden die Grundlagen dieses Steuersystems und namentlich
der ordentlichen Contribution erschüttert. Bei dem hauptsächlichsten Theile
der städtischen Steuern zur ordentlichen Contribution, der Handelsclassen¬
steuer und der fixirten Mahl- und Schlachtsteuer, wurde eine Beschränkung
des Gewerbebetriebes auf die Städte vorausgesetzt, welche durch die neuen
Bundesgesetze aufgehoben war. Die Gewerbe der Kaufleute, Bäcker und
Schlächter können jetzt auch auf dem platten Lande betrieben werden und
die sehr erheblichen Beschränkungen, welchen die Einfuhr von Mühlenfabrikaten,
Brod und Fleisch in die Städte bisher unterworfen war, ließen sich der For¬
derung des freien Verkehrs gegenüber nicht länger aufrecht erhalten. Ange¬
sichts der Verbrauchssteuern des Zollvereins war die Heranziehung der
Brauer und Brenner zu Landessteuern von ihrem Betriebe nicht länger
ausführbar. Die Handelsclafsensteuer war unter der Voraussetzung eines
niedrigen Grenzzolls eingeführt worden; mit der Einführung des Zollvereins¬
tarifes wurde diese Voraussetzung hinfällig. Die Erwägung dieser Verände¬
rungen hatte schon dem Landtage von 1867 Veranlassung gegeben, eine Re¬
vision des Steuerwesens zu beantragen, und es waren, da auch die Regie¬
rung sich der Einsicht in die UnHaltbarkeit der bestehenden Steuereinrichtungen
nicht verschließen konnte, schon damals ständische Deputirte zur Vorberathung
mit landesherrlichen Commissarien erwählt, auch im Oetober 1868 nach
Schwerin berufen worden. Mit diesen wurde, wenn auch nur oberflächlich,
der Plan der Regierung durchsprachen und demnächst in Gestalt von "Grund¬
zügen eines Gesetzes, betreffend die Erhebung der dem Landesherrn zustehen¬
den ordentlichen Contribution und der Bedürfnisse der Landesrecepturcasse
nach einem einheitlichen Modus" vor den Landtag gebracht.

Die Landtagsproposition erklärte eine Revision der bestehenden inneren
Steuergesetzgebung "in Betracht der jetzigen Zeitverhältnisse, namentlich in
Berücksichtigung der durch den Zollverein überkommenen veränderten Be¬
steuerung und der größeren finanziellen Belastung des Landes durch die Be¬
ziehungen zum norddeutschen Bunde" für geboten. In ähnlicher Weise
wurde in einem großherzoglichen Rescripte vom 26. November die Revision
des Steuerwesens durch die Rücksicht auf die jetzigen Zeitverhältnisse und
die durch die Bundesgesetzgebung einer Umgestaltung entgegengeführten Ge¬
werbeverhältnisse, nebenbei auch durch den Wunsch einer endlichen Beseitigung
aller wirklichen und vermeintlichen Ungleichheiten in der Besteuerung, begrün¬
det. Der in seinen Grundzügen vorgelegte Plan ging im Wesentlichen auf
eine Zusammenfassung der verschiedenen Steuerarten in eine allgemeine Ein¬
kommensteuer. Aber in Erwägung, daß bei einer ausschließlichen Einkommen¬
steuer ein unverhältnißmäßig hoher Procentsatz erforderlich werde und daß
die Erhebung einer besonderen Grund- und Gewerbesteuer neben der Ein-


den Zollverein wurden die Grundlagen dieses Steuersystems und namentlich
der ordentlichen Contribution erschüttert. Bei dem hauptsächlichsten Theile
der städtischen Steuern zur ordentlichen Contribution, der Handelsclassen¬
steuer und der fixirten Mahl- und Schlachtsteuer, wurde eine Beschränkung
des Gewerbebetriebes auf die Städte vorausgesetzt, welche durch die neuen
Bundesgesetze aufgehoben war. Die Gewerbe der Kaufleute, Bäcker und
Schlächter können jetzt auch auf dem platten Lande betrieben werden und
die sehr erheblichen Beschränkungen, welchen die Einfuhr von Mühlenfabrikaten,
Brod und Fleisch in die Städte bisher unterworfen war, ließen sich der For¬
derung des freien Verkehrs gegenüber nicht länger aufrecht erhalten. Ange¬
sichts der Verbrauchssteuern des Zollvereins war die Heranziehung der
Brauer und Brenner zu Landessteuern von ihrem Betriebe nicht länger
ausführbar. Die Handelsclafsensteuer war unter der Voraussetzung eines
niedrigen Grenzzolls eingeführt worden; mit der Einführung des Zollvereins¬
tarifes wurde diese Voraussetzung hinfällig. Die Erwägung dieser Verände¬
rungen hatte schon dem Landtage von 1867 Veranlassung gegeben, eine Re¬
vision des Steuerwesens zu beantragen, und es waren, da auch die Regie¬
rung sich der Einsicht in die UnHaltbarkeit der bestehenden Steuereinrichtungen
nicht verschließen konnte, schon damals ständische Deputirte zur Vorberathung
mit landesherrlichen Commissarien erwählt, auch im Oetober 1868 nach
Schwerin berufen worden. Mit diesen wurde, wenn auch nur oberflächlich,
der Plan der Regierung durchsprachen und demnächst in Gestalt von „Grund¬
zügen eines Gesetzes, betreffend die Erhebung der dem Landesherrn zustehen¬
den ordentlichen Contribution und der Bedürfnisse der Landesrecepturcasse
nach einem einheitlichen Modus" vor den Landtag gebracht.

Die Landtagsproposition erklärte eine Revision der bestehenden inneren
Steuergesetzgebung „in Betracht der jetzigen Zeitverhältnisse, namentlich in
Berücksichtigung der durch den Zollverein überkommenen veränderten Be¬
steuerung und der größeren finanziellen Belastung des Landes durch die Be¬
ziehungen zum norddeutschen Bunde" für geboten. In ähnlicher Weise
wurde in einem großherzoglichen Rescripte vom 26. November die Revision
des Steuerwesens durch die Rücksicht auf die jetzigen Zeitverhältnisse und
die durch die Bundesgesetzgebung einer Umgestaltung entgegengeführten Ge¬
werbeverhältnisse, nebenbei auch durch den Wunsch einer endlichen Beseitigung
aller wirklichen und vermeintlichen Ungleichheiten in der Besteuerung, begrün¬
det. Der in seinen Grundzügen vorgelegte Plan ging im Wesentlichen auf
eine Zusammenfassung der verschiedenen Steuerarten in eine allgemeine Ein¬
kommensteuer. Aber in Erwägung, daß bei einer ausschließlichen Einkommen¬
steuer ein unverhältnißmäßig hoher Procentsatz erforderlich werde und daß
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[0222] den Zollverein wurden die Grundlagen dieses Steuersystems und namentlich der ordentlichen Contribution erschüttert. Bei dem hauptsächlichsten Theile der städtischen Steuern zur ordentlichen Contribution, der Handelsclassen¬ steuer und der fixirten Mahl- und Schlachtsteuer, wurde eine Beschränkung des Gewerbebetriebes auf die Städte vorausgesetzt, welche durch die neuen Bundesgesetze aufgehoben war. Die Gewerbe der Kaufleute, Bäcker und Schlächter können jetzt auch auf dem platten Lande betrieben werden und die sehr erheblichen Beschränkungen, welchen die Einfuhr von Mühlenfabrikaten, Brod und Fleisch in die Städte bisher unterworfen war, ließen sich der For¬ derung des freien Verkehrs gegenüber nicht länger aufrecht erhalten. Ange¬ sichts der Verbrauchssteuern des Zollvereins war die Heranziehung der Brauer und Brenner zu Landessteuern von ihrem Betriebe nicht länger ausführbar. Die Handelsclafsensteuer war unter der Voraussetzung eines niedrigen Grenzzolls eingeführt worden; mit der Einführung des Zollvereins¬ tarifes wurde diese Voraussetzung hinfällig. Die Erwägung dieser Verände¬ rungen hatte schon dem Landtage von 1867 Veranlassung gegeben, eine Re¬ vision des Steuerwesens zu beantragen, und es waren, da auch die Regie¬ rung sich der Einsicht in die UnHaltbarkeit der bestehenden Steuereinrichtungen nicht verschließen konnte, schon damals ständische Deputirte zur Vorberathung mit landesherrlichen Commissarien erwählt, auch im Oetober 1868 nach Schwerin berufen worden. Mit diesen wurde, wenn auch nur oberflächlich, der Plan der Regierung durchsprachen und demnächst in Gestalt von „Grund¬ zügen eines Gesetzes, betreffend die Erhebung der dem Landesherrn zustehen¬ den ordentlichen Contribution und der Bedürfnisse der Landesrecepturcasse nach einem einheitlichen Modus" vor den Landtag gebracht. Die Landtagsproposition erklärte eine Revision der bestehenden inneren Steuergesetzgebung „in Betracht der jetzigen Zeitverhältnisse, namentlich in Berücksichtigung der durch den Zollverein überkommenen veränderten Be¬ steuerung und der größeren finanziellen Belastung des Landes durch die Be¬ ziehungen zum norddeutschen Bunde" für geboten. In ähnlicher Weise wurde in einem großherzoglichen Rescripte vom 26. November die Revision des Steuerwesens durch die Rücksicht auf die jetzigen Zeitverhältnisse und die durch die Bundesgesetzgebung einer Umgestaltung entgegengeführten Ge¬ werbeverhältnisse, nebenbei auch durch den Wunsch einer endlichen Beseitigung aller wirklichen und vermeintlichen Ungleichheiten in der Besteuerung, begrün¬ det. Der in seinen Grundzügen vorgelegte Plan ging im Wesentlichen auf eine Zusammenfassung der verschiedenen Steuerarten in eine allgemeine Ein¬ kommensteuer. Aber in Erwägung, daß bei einer ausschließlichen Einkommen¬ steuer ein unverhältnißmäßig hoher Procentsatz erforderlich werde und daß die Erhebung einer besonderen Grund- und Gewerbesteuer neben der Ein-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_120192/222>, abgerufen am 28.09.2024.