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Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. I. Band.

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lung um die Frage handelte, ob den Städten das Recht einzuräumen sei,
die Landbewohner, welche Mehl, Brod und Fleisch in die Städte einführten,
zur städtischen Gewerbesteuer heranzuziehen, äußerte sich Herr v. Plüskow
wie folgt: es handle sich bei dieser Frage darum, das Nothgewerbegesetz,
welches alle unsere Verhältnisse nach und nach durchlöchere, soviel als
möglich für Mecklenburg unwirksam zu machen. Er halte es für ein
Unglück, wenn das Gewerbe auf das Land hinausziehe und es müsse den
Ständen sehr daran gelegen sein, dasselbe möglichst auf die Städte zu beschränken.
Er sei deshalb für eine Erhöhung der Steuer der Landgewerbe durch die
Auferlegung einer städtischen Steuer, damit es dadurch dem Gewerbe un¬
möglich gemacht werde, auf dem Lande zu existiren. Fast noch stärker äußerte
sich bei derselben Gelegenheit der Landrath v. Oertzen: er halte sowohl
das Nothgewerbegesetz wie die ganze vom Bunde ausgehende Gesetzgebung
für ein Unglück Mecklenburgs, und erblicke die Ausgabe der Stände darin,
die Folgen der Bundesgesetzgebung sür das Land so viel als möglich zu para-
lysiren.

Verhältnißmäßig zahlreicher als die Ritter waren die Deputaten der
städtischen Magistrate, die sogenannte Landschaft, erschienen. Die Mitglieder
der Landschaft empfangen sämmtlich Diäten und Reisegelder, und zwar letztere
nach einer aus alter Zeit stammenden sehr einträglichen Berechnungsweise.
Erfahrungsmäßig verzichten sie nur ungern auf die Theilnahme am Landtage,
welche ihnen eine angenehme Erholung von den Strapazen der Verwaltung
der Stadtangelegenheiten darbietet, ihnen manche gesellige Unterhaltung und
Zerstreuung verschafft und keine irgendwie anstrengende Arbeit zumuthet..
Die Bürgermeister hatten sich daher auch diesmal fast vollzählig eingefunden,
und selbst gegen den Schluß des Landtages waren ungefähr zwei Dritttheile
der Berechtigten anwesend. Sie wußten auch diesmal wieder die verschieden¬
artigen Rücksichten, welche sie theils gegen die Regierung, theils gegen die
Ritter, als deren Patrimonialrichter oder Sachwalter sie vielfach fungiren,
theils gegen ihre eigenen Bürgerschaften zu nehmen haben, recht gut mit
einander zu vereinigen, und selbst in denjenigen Fragen, in welchen sie aus
Rücksicht auf ihre Bürgerschaften nicht unbedingt den Regierungsvorschlägen
zustimmen konnten, wußten sie es doch so einzurichten, daß wenigstens die
Hoffnung auf einen schließlichen Erfolg der Verhandlungen offen erhalten
blieb. Etwas mehr als gewöhnlich zeigten sich die Magistrate beflissen, den
Wünschen der Bürgerschaften Rechnung zu tragen, .und die Lcmdtagsdepu-
tirten aus ihrer Mitte in diesem Sinne zu instruiren. Einer derselben, der
Magistrat zu Parchim, fand sich sogar veranlaßt, den städtischen Deputirten,
Bürgermeister Sommer-Dierßen. abzuberufen, weil er bei seinen Ab¬
stimmungen die Jnstructionen seiner Committenten gänzlich unbeachtet ließ,


lung um die Frage handelte, ob den Städten das Recht einzuräumen sei,
die Landbewohner, welche Mehl, Brod und Fleisch in die Städte einführten,
zur städtischen Gewerbesteuer heranzuziehen, äußerte sich Herr v. Plüskow
wie folgt: es handle sich bei dieser Frage darum, das Nothgewerbegesetz,
welches alle unsere Verhältnisse nach und nach durchlöchere, soviel als
möglich für Mecklenburg unwirksam zu machen. Er halte es für ein
Unglück, wenn das Gewerbe auf das Land hinausziehe und es müsse den
Ständen sehr daran gelegen sein, dasselbe möglichst auf die Städte zu beschränken.
Er sei deshalb für eine Erhöhung der Steuer der Landgewerbe durch die
Auferlegung einer städtischen Steuer, damit es dadurch dem Gewerbe un¬
möglich gemacht werde, auf dem Lande zu existiren. Fast noch stärker äußerte
sich bei derselben Gelegenheit der Landrath v. Oertzen: er halte sowohl
das Nothgewerbegesetz wie die ganze vom Bunde ausgehende Gesetzgebung
für ein Unglück Mecklenburgs, und erblicke die Ausgabe der Stände darin,
die Folgen der Bundesgesetzgebung sür das Land so viel als möglich zu para-
lysiren.

Verhältnißmäßig zahlreicher als die Ritter waren die Deputaten der
städtischen Magistrate, die sogenannte Landschaft, erschienen. Die Mitglieder
der Landschaft empfangen sämmtlich Diäten und Reisegelder, und zwar letztere
nach einer aus alter Zeit stammenden sehr einträglichen Berechnungsweise.
Erfahrungsmäßig verzichten sie nur ungern auf die Theilnahme am Landtage,
welche ihnen eine angenehme Erholung von den Strapazen der Verwaltung
der Stadtangelegenheiten darbietet, ihnen manche gesellige Unterhaltung und
Zerstreuung verschafft und keine irgendwie anstrengende Arbeit zumuthet..
Die Bürgermeister hatten sich daher auch diesmal fast vollzählig eingefunden,
und selbst gegen den Schluß des Landtages waren ungefähr zwei Dritttheile
der Berechtigten anwesend. Sie wußten auch diesmal wieder die verschieden¬
artigen Rücksichten, welche sie theils gegen die Regierung, theils gegen die
Ritter, als deren Patrimonialrichter oder Sachwalter sie vielfach fungiren,
theils gegen ihre eigenen Bürgerschaften zu nehmen haben, recht gut mit
einander zu vereinigen, und selbst in denjenigen Fragen, in welchen sie aus
Rücksicht auf ihre Bürgerschaften nicht unbedingt den Regierungsvorschlägen
zustimmen konnten, wußten sie es doch so einzurichten, daß wenigstens die
Hoffnung auf einen schließlichen Erfolg der Verhandlungen offen erhalten
blieb. Etwas mehr als gewöhnlich zeigten sich die Magistrate beflissen, den
Wünschen der Bürgerschaften Rechnung zu tragen, .und die Lcmdtagsdepu-
tirten aus ihrer Mitte in diesem Sinne zu instruiren. Einer derselben, der
Magistrat zu Parchim, fand sich sogar veranlaßt, den städtischen Deputirten,
Bürgermeister Sommer-Dierßen. abzuberufen, weil er bei seinen Ab¬
stimmungen die Jnstructionen seiner Committenten gänzlich unbeachtet ließ,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_120192/219>, abgerufen am 28.09.2024.