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Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. I. Band.

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dieser Partei nicht zu große Unbequemlichkeit zu bereiten und hat sie z. B.
mit wunderbarer Gelassenheit sich in das allgemeine Wahlrecht für die
Bundesvertretung gefügt, so scheinen die Feudalen doch schon jetzt von einer
Vorahnung ergriffen zu sein, daß der Zeitpunkt mit raschen Schritten heran¬
naht, wo das alte mecklenburgische Staatswesen von der vordringenden
Bundesgesetzgebung dergestalt durchlöchert sein wird, daß auch die entschieden¬
sten Anhänger desselben es nicht mehr aufrecht zu erhalten vermögen.

Daß sich das Vertrauen in die Zukunft des Feudalstaats nur noch auf
einen kleinen Kreis beschränkt, ersieht man aus dem geringen Werth, welchen,
wie der schwache Besuch des letzten Landtags beweist, die Vertreter selbst auf
dessen Verhandlungen legen. Von ungefähr 700 zur Theilnahme an den
Landtagsverhandlungen berechtigten Rittergutsbesitzern waren selten mehr als
L0 anwesend und während der letzten Wochen sank diese Zahl sogar bis auf
23 herab. Außer einigen wenigen Freiwilligen, dem Herrn Pogge-Pölitz
und seinen Brüdern, welche als die früheren Führer der liberalen Partei in
der Ritterschaft jetzt fast nur noch in ihrer Person diese Partei auf Land¬
tagen repräsentiren, waren es fast nur diejenigen adeligen Ritter, welche
durch ihr ständisches Amt zur Theilnahme an der Landtagsversammlung ver¬
pflichtet sind und außerdem durch Diäten und Reisegelder für die Erfüllung
dieser Pflicht eine sehr ausreichende Entschädigung empfangen: die acht
Landräthe und drei Vice-Landmarschälle, die drei ritterschaftlichen Deputirten
zum ständischen engeren Ausschusse, verschiedene ritterschaftliche Klosterbeamte
,u. f. w. In diesem Kerne der adeligen Ritterschaft verbindet sich eine sehr
entschiedene Abneigung gegen den norddeutschen Bund mit dem Bewußtsein,
sich in das Unvermeidliche einstweilen schicken zu müssen, um nicht noch mehr
zu verlieren. Nur darin herrscht innerhalb dieses Kreises noch ein kleiner
Unterschied, daß Einige es für gerathen halten, ihre Abneigung gegen den
Bund still in sich zu verschließen, während Andere mit ihrer feindseligen
Stimmung offen hervortreten. Zu jener vorsichtigeren Classe von Gegnern
gehören der Landrath Graf v. Bassewitz, Mitglied des Reichstags, und
der Kammerherr v. Oertzen auf Kotelow, welchen eine falsche Addition der
strelitzischen Regierungskanzlei auf einige Monate in der Herbstsession von
1867 zum Mitglied des Reichstags gemacht hatte; unter den offenen
Gegnern des norddeutschen Bundes ragen besonders hervor der Landrath
Josias v. Plüskow auf Cowalz. welcher im Jahre 1866 für die Ableh¬
nung des Bündnißvertrages mit Preußen stimmte und sich neuerdings
durch seine Theilnahme an der Welfenagitation in Hannover bekannt gemacht
hat, und der Landrath v. Oertzen auf Woltow, welcher als Mitglied des
constituirenden Reichstages dem Zustandekommen der Bundesverfassung seine
passive Assistenz lieh. Als er sich am 4. Januar in der Landtagsversamm-


dieser Partei nicht zu große Unbequemlichkeit zu bereiten und hat sie z. B.
mit wunderbarer Gelassenheit sich in das allgemeine Wahlrecht für die
Bundesvertretung gefügt, so scheinen die Feudalen doch schon jetzt von einer
Vorahnung ergriffen zu sein, daß der Zeitpunkt mit raschen Schritten heran¬
naht, wo das alte mecklenburgische Staatswesen von der vordringenden
Bundesgesetzgebung dergestalt durchlöchert sein wird, daß auch die entschieden¬
sten Anhänger desselben es nicht mehr aufrecht zu erhalten vermögen.

Daß sich das Vertrauen in die Zukunft des Feudalstaats nur noch auf
einen kleinen Kreis beschränkt, ersieht man aus dem geringen Werth, welchen,
wie der schwache Besuch des letzten Landtags beweist, die Vertreter selbst auf
dessen Verhandlungen legen. Von ungefähr 700 zur Theilnahme an den
Landtagsverhandlungen berechtigten Rittergutsbesitzern waren selten mehr als
L0 anwesend und während der letzten Wochen sank diese Zahl sogar bis auf
23 herab. Außer einigen wenigen Freiwilligen, dem Herrn Pogge-Pölitz
und seinen Brüdern, welche als die früheren Führer der liberalen Partei in
der Ritterschaft jetzt fast nur noch in ihrer Person diese Partei auf Land¬
tagen repräsentiren, waren es fast nur diejenigen adeligen Ritter, welche
durch ihr ständisches Amt zur Theilnahme an der Landtagsversammlung ver¬
pflichtet sind und außerdem durch Diäten und Reisegelder für die Erfüllung
dieser Pflicht eine sehr ausreichende Entschädigung empfangen: die acht
Landräthe und drei Vice-Landmarschälle, die drei ritterschaftlichen Deputirten
zum ständischen engeren Ausschusse, verschiedene ritterschaftliche Klosterbeamte
,u. f. w. In diesem Kerne der adeligen Ritterschaft verbindet sich eine sehr
entschiedene Abneigung gegen den norddeutschen Bund mit dem Bewußtsein,
sich in das Unvermeidliche einstweilen schicken zu müssen, um nicht noch mehr
zu verlieren. Nur darin herrscht innerhalb dieses Kreises noch ein kleiner
Unterschied, daß Einige es für gerathen halten, ihre Abneigung gegen den
Bund still in sich zu verschließen, während Andere mit ihrer feindseligen
Stimmung offen hervortreten. Zu jener vorsichtigeren Classe von Gegnern
gehören der Landrath Graf v. Bassewitz, Mitglied des Reichstags, und
der Kammerherr v. Oertzen auf Kotelow, welchen eine falsche Addition der
strelitzischen Regierungskanzlei auf einige Monate in der Herbstsession von
1867 zum Mitglied des Reichstags gemacht hatte; unter den offenen
Gegnern des norddeutschen Bundes ragen besonders hervor der Landrath
Josias v. Plüskow auf Cowalz. welcher im Jahre 1866 für die Ableh¬
nung des Bündnißvertrages mit Preußen stimmte und sich neuerdings
durch seine Theilnahme an der Welfenagitation in Hannover bekannt gemacht
hat, und der Landrath v. Oertzen auf Woltow, welcher als Mitglied des
constituirenden Reichstages dem Zustandekommen der Bundesverfassung seine
passive Assistenz lieh. Als er sich am 4. Januar in der Landtagsversamm-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_120192/218>, abgerufen am 28.09.2024.