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Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. I. Band.

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Bühne des deutschen Schauspiels zu machen. Vor Allem von einer dauern¬
den und nicht zu ermüdenden Arbeitskraft, sowohl auf der Bühne, als gegen¬
über den Dichtern. Er las fast jedes eingesandte Stück selbst, zuweilen in
schlaflosen Stunden der Nacht, wenn die Tagesarbeit ihm nicht Zeit ließ.
Er führte die ganze Correspondenz mit den Schriftstellern, machte Vorschläge,
strich und richtete ein mit beharrlichem Eifer und mit schöner jugendlicher
Freude an dem Gelingen. Er trotzte auch der Beschränktheit seines Publi-
cums; hatte er ein Stück, einen gewordenen Darsteller als tüchtig im Kern
erkannt, so setzte er das Stück trotz leerer Häuser doch wieder an, und hielt
den Künstler trotz aller Angriffe doch obenauf in geeigneten Rollen, bis sich
das Publicum in das unschmackhafte Schöne der Stücke gefunden, und bis
der Schauspieler die störenden Mängel abgeschliffen hatte. Daß Laube sich
zuweilen täuschte, war natürlich, in der Regel aber behielt er Recht gegen den
Hof, die Kritik und das Publicum.

Natürlich bereitete ihm seine Leitung auch Feindschaft unter den älteren
Schauspielern, die sich zurückgesetzt fühlten, unter den schwachen und anspruchs¬
vollen Schriftstellern, die größere Begünstigung verlangten; die Einen warfen
ihm zu große Gefügigkeit nach oben vor. Andere herbe und rauhe Worte.
Aber jedes Theater ist ein despotisches Institut; es kann nur gedeihen, wenn
ein einheitlicher Wille, kurz entschlossen, sich Achtung und Gehorsam erzwingt.
Wer die ganze Fülle der Autorität bei einem Theater in sich vereinigt, dem
kommt, wie Künstlernatur ist, der unterwürfige Wille der Schauspieler viel
mehr entgegen, und wenn er wirklich etwas von dem Handwerk versteht,
wird ihm die Tageseinwirkung auch in den schonendsten Formen weit leichter.
Laube war von vornherein in einer kriegerischen Stellung; er mußte impo-
niren und Fügsamkeit erzwingen, in Wahrheit ahne die volle gesetzliche
Autorität zu haben, welche für gleichmäßige Leitung nothwendig ist. Nach
einigen Jahren erkannten die Wiener den Werth seiner gescheidten und rühr-
samen Arbeit; der Theaterbesuch stieg, auch das Ansehen der Bühne in
Deutschland wuchs, er selbst wurde der Stadt eine Autorität in allen Theater¬
sachen, und was die Hauptsache war, die Schauspieler arbeiteten -- wenige
ältere Separatisten ausgenommen -- mit Vertrauen und Hingabe unter
seiner Führung. -

Mitten in der gedeihlichsten Thätigkeit wurde Laube veranlaßt, seine
Leitung des Burgtheaters aufzugeben. Wahrscheinlich hatte seine Führung
in 18 bewegten Jahren den Höflingen nicht selten Anstoß gegeben. Man
ist in Wien zu bequem und zu wenig arbeitslustig, um kleinlich zu sein, aber
man ist sehr hochmüthig und engherzig, die Hosstaffage fängt dort erst mit
dem Freiherrn an. der Vollmensch erst mit der Durchlaucht vom alten Reichs-
adel, und es gilt als eine besondere Concession an die Zeit, wenn davon in


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Bühne des deutschen Schauspiels zu machen. Vor Allem von einer dauern¬
den und nicht zu ermüdenden Arbeitskraft, sowohl auf der Bühne, als gegen¬
über den Dichtern. Er las fast jedes eingesandte Stück selbst, zuweilen in
schlaflosen Stunden der Nacht, wenn die Tagesarbeit ihm nicht Zeit ließ.
Er führte die ganze Correspondenz mit den Schriftstellern, machte Vorschläge,
strich und richtete ein mit beharrlichem Eifer und mit schöner jugendlicher
Freude an dem Gelingen. Er trotzte auch der Beschränktheit seines Publi-
cums; hatte er ein Stück, einen gewordenen Darsteller als tüchtig im Kern
erkannt, so setzte er das Stück trotz leerer Häuser doch wieder an, und hielt
den Künstler trotz aller Angriffe doch obenauf in geeigneten Rollen, bis sich
das Publicum in das unschmackhafte Schöne der Stücke gefunden, und bis
der Schauspieler die störenden Mängel abgeschliffen hatte. Daß Laube sich
zuweilen täuschte, war natürlich, in der Regel aber behielt er Recht gegen den
Hof, die Kritik und das Publicum.

Natürlich bereitete ihm seine Leitung auch Feindschaft unter den älteren
Schauspielern, die sich zurückgesetzt fühlten, unter den schwachen und anspruchs¬
vollen Schriftstellern, die größere Begünstigung verlangten; die Einen warfen
ihm zu große Gefügigkeit nach oben vor. Andere herbe und rauhe Worte.
Aber jedes Theater ist ein despotisches Institut; es kann nur gedeihen, wenn
ein einheitlicher Wille, kurz entschlossen, sich Achtung und Gehorsam erzwingt.
Wer die ganze Fülle der Autorität bei einem Theater in sich vereinigt, dem
kommt, wie Künstlernatur ist, der unterwürfige Wille der Schauspieler viel
mehr entgegen, und wenn er wirklich etwas von dem Handwerk versteht,
wird ihm die Tageseinwirkung auch in den schonendsten Formen weit leichter.
Laube war von vornherein in einer kriegerischen Stellung; er mußte impo-
niren und Fügsamkeit erzwingen, in Wahrheit ahne die volle gesetzliche
Autorität zu haben, welche für gleichmäßige Leitung nothwendig ist. Nach
einigen Jahren erkannten die Wiener den Werth seiner gescheidten und rühr-
samen Arbeit; der Theaterbesuch stieg, auch das Ansehen der Bühne in
Deutschland wuchs, er selbst wurde der Stadt eine Autorität in allen Theater¬
sachen, und was die Hauptsache war, die Schauspieler arbeiteten — wenige
ältere Separatisten ausgenommen — mit Vertrauen und Hingabe unter
seiner Führung. -

Mitten in der gedeihlichsten Thätigkeit wurde Laube veranlaßt, seine
Leitung des Burgtheaters aufzugeben. Wahrscheinlich hatte seine Führung
in 18 bewegten Jahren den Höflingen nicht selten Anstoß gegeben. Man
ist in Wien zu bequem und zu wenig arbeitslustig, um kleinlich zu sein, aber
man ist sehr hochmüthig und engherzig, die Hosstaffage fängt dort erst mit
dem Freiherrn an. der Vollmensch erst mit der Durchlaucht vom alten Reichs-
adel, und es gilt als eine besondere Concession an die Zeit, wenn davon in


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[0215] Bühne des deutschen Schauspiels zu machen. Vor Allem von einer dauern¬ den und nicht zu ermüdenden Arbeitskraft, sowohl auf der Bühne, als gegen¬ über den Dichtern. Er las fast jedes eingesandte Stück selbst, zuweilen in schlaflosen Stunden der Nacht, wenn die Tagesarbeit ihm nicht Zeit ließ. Er führte die ganze Correspondenz mit den Schriftstellern, machte Vorschläge, strich und richtete ein mit beharrlichem Eifer und mit schöner jugendlicher Freude an dem Gelingen. Er trotzte auch der Beschränktheit seines Publi- cums; hatte er ein Stück, einen gewordenen Darsteller als tüchtig im Kern erkannt, so setzte er das Stück trotz leerer Häuser doch wieder an, und hielt den Künstler trotz aller Angriffe doch obenauf in geeigneten Rollen, bis sich das Publicum in das unschmackhafte Schöne der Stücke gefunden, und bis der Schauspieler die störenden Mängel abgeschliffen hatte. Daß Laube sich zuweilen täuschte, war natürlich, in der Regel aber behielt er Recht gegen den Hof, die Kritik und das Publicum. Natürlich bereitete ihm seine Leitung auch Feindschaft unter den älteren Schauspielern, die sich zurückgesetzt fühlten, unter den schwachen und anspruchs¬ vollen Schriftstellern, die größere Begünstigung verlangten; die Einen warfen ihm zu große Gefügigkeit nach oben vor. Andere herbe und rauhe Worte. Aber jedes Theater ist ein despotisches Institut; es kann nur gedeihen, wenn ein einheitlicher Wille, kurz entschlossen, sich Achtung und Gehorsam erzwingt. Wer die ganze Fülle der Autorität bei einem Theater in sich vereinigt, dem kommt, wie Künstlernatur ist, der unterwürfige Wille der Schauspieler viel mehr entgegen, und wenn er wirklich etwas von dem Handwerk versteht, wird ihm die Tageseinwirkung auch in den schonendsten Formen weit leichter. Laube war von vornherein in einer kriegerischen Stellung; er mußte impo- niren und Fügsamkeit erzwingen, in Wahrheit ahne die volle gesetzliche Autorität zu haben, welche für gleichmäßige Leitung nothwendig ist. Nach einigen Jahren erkannten die Wiener den Werth seiner gescheidten und rühr- samen Arbeit; der Theaterbesuch stieg, auch das Ansehen der Bühne in Deutschland wuchs, er selbst wurde der Stadt eine Autorität in allen Theater¬ sachen, und was die Hauptsache war, die Schauspieler arbeiteten — wenige ältere Separatisten ausgenommen — mit Vertrauen und Hingabe unter seiner Führung. - Mitten in der gedeihlichsten Thätigkeit wurde Laube veranlaßt, seine Leitung des Burgtheaters aufzugeben. Wahrscheinlich hatte seine Führung in 18 bewegten Jahren den Höflingen nicht selten Anstoß gegeben. Man ist in Wien zu bequem und zu wenig arbeitslustig, um kleinlich zu sein, aber man ist sehr hochmüthig und engherzig, die Hosstaffage fängt dort erst mit dem Freiherrn an. der Vollmensch erst mit der Durchlaucht vom alten Reichs- adel, und es gilt als eine besondere Concession an die Zeit, wenn davon in 26*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_120192/215>, abgerufen am 28.09.2024.