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Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. I. Band.

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Schon als Schriftsteller hatte er, -- um nur die Technik seiner Stücke hervorzu¬
heben -- das große Verdienst, daß er mehr als ein anderer der schreibenden Zelt¬
genossen, welche nicht selbst der Bühne angehörten, die Lebensbedürfnisse des
Theaters mit Kenntniß und Sorgfalt in Rechnung brachte, und ebenso die Rechte
der Autoren gegenüber den Bühnen mannhaft vertrat. Er wurde dadurch mehr
und geschickter als Gutzkow Begründer einer würdigen Stellung der Autoren
zu den Theaterleitungen; wir verdanken die Aufbesserung der Honorare. Ein¬
führung der Tantieme, die Anerkennung der Eigenthumsrechte des Autors
zum großen Theil der rührigen und bestimmten Weise, in welcher'er sich zu
den Bühnen stellte. Die detcnllirte samische Aptirung seiner Stücke veran¬
laßte aber auch die Schriftsteller, sorglicher aus ihrer Schreibstube in die
Coulissen zu sehen und sich ernsthafter darum zu kümmern, wo das Geheim¬
niß des dramatischen Lebens und der Erfolg eines Stückes auf der Bühne
zu suchen sei. Daß etwa von dem Jahre 1840 die dramatische Technik in
deutschen Bühnenstücken einen wesentlichen Fortschritt zeigt, das ist in der.
That zum großen Theil das Verdienst von Heinrich Laube.

Mit Beginn des Jahres 1850 wurde er Director des Burgtheaters. Acht¬
zehn Jahre hat er diesem Institut vorgestanden, längere Zeit, als in der Regel
einer reformirenden Kraft an der deutschen Bühne vergönnt war. Er hatte
dabei mit Schwierigkeiten zu kämpfen, welche zur Zeit der Uebernahme so
groß waren, daß sie wohl einem weniger muthigen Mann die Lust hätten
nehmen können. Zwar hatte das Theater auch unter den letzten energielosen
Jahren seines Vorgängers Holbein einige Vorzüge einer guten Hofbühne nicht
verloren. Ein theilnahmvolles, durch häufigen Besuch in kleinem Hause ge¬
bildetes Publicum, einige Talente ersten Ranges, zumal für das gemüthvolle
Lustspiel; aber alles Andere war verwüstet, das Personal höchst unvollständig,
die Leitung in den Händen herrschlustiger Regisseure, ein arges Cliquenwesen
unter dem Personal jeder Ergänzung durch frische Kräfte abgeneigt, das
Repertoire jämmerlich mangelhaft, ein langes Verzeichniß verbotener Stücke,
die ganze Wirthschaft salopp und veraltet. Auch seiner neuen Stellung fehlten
einige der Bedingungen, welche fröhliches Gedeihen verbürgen; er war als
Director einer obersten Hofcharge untergestellt, welche dem Hofe gegenüber
die Verantwortung zu tragen hatte und der Kunst ganz fremd war; erhalte
nicht einmal das Recht, neue Stücke selbständig zu wählen, das Repertoire
zu bestimmen, Schauspieler zu engagiren und zu entlassen. Wie er sich
trotzdem durchsetzte, das möge man in seinem Bericht selbst nachlesen. Un¬
ermüdlich im Aufspüren neuer Kräfte, scharfsichtig im Erkennen eines guten
Kerns in der unfertigen Ausbildung, und obgleich er nicht selbst darstellen¬
der Künstler gewesen war, doch geschickt, anzulernen und Fehler abzugewöhnen,
dabei immer von dem stolzen Wunsche erfüllt, das Burgtheater zur ersten


Schon als Schriftsteller hatte er, — um nur die Technik seiner Stücke hervorzu¬
heben — das große Verdienst, daß er mehr als ein anderer der schreibenden Zelt¬
genossen, welche nicht selbst der Bühne angehörten, die Lebensbedürfnisse des
Theaters mit Kenntniß und Sorgfalt in Rechnung brachte, und ebenso die Rechte
der Autoren gegenüber den Bühnen mannhaft vertrat. Er wurde dadurch mehr
und geschickter als Gutzkow Begründer einer würdigen Stellung der Autoren
zu den Theaterleitungen; wir verdanken die Aufbesserung der Honorare. Ein¬
führung der Tantieme, die Anerkennung der Eigenthumsrechte des Autors
zum großen Theil der rührigen und bestimmten Weise, in welcher'er sich zu
den Bühnen stellte. Die detcnllirte samische Aptirung seiner Stücke veran¬
laßte aber auch die Schriftsteller, sorglicher aus ihrer Schreibstube in die
Coulissen zu sehen und sich ernsthafter darum zu kümmern, wo das Geheim¬
niß des dramatischen Lebens und der Erfolg eines Stückes auf der Bühne
zu suchen sei. Daß etwa von dem Jahre 1840 die dramatische Technik in
deutschen Bühnenstücken einen wesentlichen Fortschritt zeigt, das ist in der.
That zum großen Theil das Verdienst von Heinrich Laube.

Mit Beginn des Jahres 1850 wurde er Director des Burgtheaters. Acht¬
zehn Jahre hat er diesem Institut vorgestanden, längere Zeit, als in der Regel
einer reformirenden Kraft an der deutschen Bühne vergönnt war. Er hatte
dabei mit Schwierigkeiten zu kämpfen, welche zur Zeit der Uebernahme so
groß waren, daß sie wohl einem weniger muthigen Mann die Lust hätten
nehmen können. Zwar hatte das Theater auch unter den letzten energielosen
Jahren seines Vorgängers Holbein einige Vorzüge einer guten Hofbühne nicht
verloren. Ein theilnahmvolles, durch häufigen Besuch in kleinem Hause ge¬
bildetes Publicum, einige Talente ersten Ranges, zumal für das gemüthvolle
Lustspiel; aber alles Andere war verwüstet, das Personal höchst unvollständig,
die Leitung in den Händen herrschlustiger Regisseure, ein arges Cliquenwesen
unter dem Personal jeder Ergänzung durch frische Kräfte abgeneigt, das
Repertoire jämmerlich mangelhaft, ein langes Verzeichniß verbotener Stücke,
die ganze Wirthschaft salopp und veraltet. Auch seiner neuen Stellung fehlten
einige der Bedingungen, welche fröhliches Gedeihen verbürgen; er war als
Director einer obersten Hofcharge untergestellt, welche dem Hofe gegenüber
die Verantwortung zu tragen hatte und der Kunst ganz fremd war; erhalte
nicht einmal das Recht, neue Stücke selbständig zu wählen, das Repertoire
zu bestimmen, Schauspieler zu engagiren und zu entlassen. Wie er sich
trotzdem durchsetzte, das möge man in seinem Bericht selbst nachlesen. Un¬
ermüdlich im Aufspüren neuer Kräfte, scharfsichtig im Erkennen eines guten
Kerns in der unfertigen Ausbildung, und obgleich er nicht selbst darstellen¬
der Künstler gewesen war, doch geschickt, anzulernen und Fehler abzugewöhnen,
dabei immer von dem stolzen Wunsche erfüllt, das Burgtheater zur ersten


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_120192/214>, abgerufen am 28.09.2024.