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Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. I. Band.

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richtung ihrer Zimmer über alle Maßen ärmlich, oft leider sogar unsauber,
ein Fehler, den das mönchische Junggesellenleben nur zu oft im Gefolge hat.
Es kommen also Bedürfnisse jetzt nicht in Betracht, welche berücksichtigt werden
müßten, wenn der Staat die Stifts-Gymnasien und Stifts-Pfarreien über¬
nehmen und durch weltliche Lehrer sowie durch vom Staate bezahlte Pfarrer
besetzen wollte. Unmöglich könnten die Pfarrer und die Gymnasiallehrer,
wenn sie einzeln Hausen müßten, mit dem auskommen, was das Stift auf¬
wendet, von dem der Einzelne Wohnung, Heizung, Kleidung und Nahrung
hat. Für das Frühstück sorgt das Stift nicht. Mittag und Abends ist der
Tisch allerdings wenn auch nicht fein, so doch reichlich, an Sonn- und Fest¬
tagen sogar überreich. In keinem Stift wird für den vollständigen Unter¬
halt des Einzelnen -- abgesehen von Wohnung, Licht, Heizung -- mehr ver¬
anschlagt, als 300 Gulden. Werden diese aber von einer Communität von
zwanzig bis vierzig und mehr Personen als eingelegt betrachtet, so ergibt
das eine Summe, von der sich allerdings in Speise und Trank ein Leben
führen läßt, um das man die Stifter nicht mit Unrecht beneidet. Geld er¬
hält eigentlich kein Mitglied des Stiftes, die Vorstände ausgenommen. Ge¬
wisse Leistungen aber, welche das Stift zu machen hat, kann sich der Einzelne
in Geld zahlen lassen, wovon er seine kleinen Bedürfnisse, wie Tabak, Früh¬
stück und Aehnliches bestreitet. Im Durchschnitt beträgt diese Begabung je
nach den Stiftern monatlich zwischen 8 und 12 Gulden. Die Vorstände
haben, wie erwähnt, mehr; über bedeutende Mittel aber verfügt allein der
Prälat, der Abt. In einigen Stiftern kann er gegen nachträgliche Ver¬
rechnung überhaupt über das Vermögen des Stiftes disponiren, in anderen,
den meisten, ist ihm für seine Person, abgesehen von seiner Verpflegung :e.,
wofür das Stift sorgt, eine bestimmte Summe ausgeworfen, bet deren Be¬
stimmung auf die nothwendige Repräsentation reichliche Rücksicht genommen
ist. Der Prälat wohnt auch in einem eigenen Theile des Stiftes, der Prä-
latur, welche in ihrer mitunter prächtigen, stets gediegenen Einrichtung und
Ausstattung vielfach bewundert, freilich oft auch als Maßstab des Lebens der
übrigen Stistsmitglieder angenommen wird. Doch ist dann ein gewaltiger
Unterschied und ein Schluß von den Verhältnissen der Prälatur auf die der
übrigen Stiftsmitglieder nicht zutreffend. Daß -indeß auch in der Prä¬
latur Vieles von dem jeweiligen Prälaten abhängt, versteht sich von selbst;
Manche haben ihre Stifter pecuniär sehr heruntergebracht, manche durch Klug¬
heit und Sparsamkeit das bewegliche und unbewegliche Vermögen vermehrt.

Alles zusammengerechnet, scheint uns, daß der Staat bei Einziehung der
Stifter mit ihrem Vermögen nicht die Lasten bestreiten könnte, welche er mit
übernehmen müßte, zumal da die Gymnasien und Schulen der Stifter
mit einer neuen besseren Organisation auch größere Summen beanspruchen


richtung ihrer Zimmer über alle Maßen ärmlich, oft leider sogar unsauber,
ein Fehler, den das mönchische Junggesellenleben nur zu oft im Gefolge hat.
Es kommen also Bedürfnisse jetzt nicht in Betracht, welche berücksichtigt werden
müßten, wenn der Staat die Stifts-Gymnasien und Stifts-Pfarreien über¬
nehmen und durch weltliche Lehrer sowie durch vom Staate bezahlte Pfarrer
besetzen wollte. Unmöglich könnten die Pfarrer und die Gymnasiallehrer,
wenn sie einzeln Hausen müßten, mit dem auskommen, was das Stift auf¬
wendet, von dem der Einzelne Wohnung, Heizung, Kleidung und Nahrung
hat. Für das Frühstück sorgt das Stift nicht. Mittag und Abends ist der
Tisch allerdings wenn auch nicht fein, so doch reichlich, an Sonn- und Fest¬
tagen sogar überreich. In keinem Stift wird für den vollständigen Unter¬
halt des Einzelnen — abgesehen von Wohnung, Licht, Heizung — mehr ver¬
anschlagt, als 300 Gulden. Werden diese aber von einer Communität von
zwanzig bis vierzig und mehr Personen als eingelegt betrachtet, so ergibt
das eine Summe, von der sich allerdings in Speise und Trank ein Leben
führen läßt, um das man die Stifter nicht mit Unrecht beneidet. Geld er¬
hält eigentlich kein Mitglied des Stiftes, die Vorstände ausgenommen. Ge¬
wisse Leistungen aber, welche das Stift zu machen hat, kann sich der Einzelne
in Geld zahlen lassen, wovon er seine kleinen Bedürfnisse, wie Tabak, Früh¬
stück und Aehnliches bestreitet. Im Durchschnitt beträgt diese Begabung je
nach den Stiftern monatlich zwischen 8 und 12 Gulden. Die Vorstände
haben, wie erwähnt, mehr; über bedeutende Mittel aber verfügt allein der
Prälat, der Abt. In einigen Stiftern kann er gegen nachträgliche Ver¬
rechnung überhaupt über das Vermögen des Stiftes disponiren, in anderen,
den meisten, ist ihm für seine Person, abgesehen von seiner Verpflegung :e.,
wofür das Stift sorgt, eine bestimmte Summe ausgeworfen, bet deren Be¬
stimmung auf die nothwendige Repräsentation reichliche Rücksicht genommen
ist. Der Prälat wohnt auch in einem eigenen Theile des Stiftes, der Prä-
latur, welche in ihrer mitunter prächtigen, stets gediegenen Einrichtung und
Ausstattung vielfach bewundert, freilich oft auch als Maßstab des Lebens der
übrigen Stistsmitglieder angenommen wird. Doch ist dann ein gewaltiger
Unterschied und ein Schluß von den Verhältnissen der Prälatur auf die der
übrigen Stiftsmitglieder nicht zutreffend. Daß -indeß auch in der Prä¬
latur Vieles von dem jeweiligen Prälaten abhängt, versteht sich von selbst;
Manche haben ihre Stifter pecuniär sehr heruntergebracht, manche durch Klug¬
heit und Sparsamkeit das bewegliche und unbewegliche Vermögen vermehrt.

Alles zusammengerechnet, scheint uns, daß der Staat bei Einziehung der
Stifter mit ihrem Vermögen nicht die Lasten bestreiten könnte, welche er mit
übernehmen müßte, zumal da die Gymnasien und Schulen der Stifter
mit einer neuen besseren Organisation auch größere Summen beanspruchen


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[0203] richtung ihrer Zimmer über alle Maßen ärmlich, oft leider sogar unsauber, ein Fehler, den das mönchische Junggesellenleben nur zu oft im Gefolge hat. Es kommen also Bedürfnisse jetzt nicht in Betracht, welche berücksichtigt werden müßten, wenn der Staat die Stifts-Gymnasien und Stifts-Pfarreien über¬ nehmen und durch weltliche Lehrer sowie durch vom Staate bezahlte Pfarrer besetzen wollte. Unmöglich könnten die Pfarrer und die Gymnasiallehrer, wenn sie einzeln Hausen müßten, mit dem auskommen, was das Stift auf¬ wendet, von dem der Einzelne Wohnung, Heizung, Kleidung und Nahrung hat. Für das Frühstück sorgt das Stift nicht. Mittag und Abends ist der Tisch allerdings wenn auch nicht fein, so doch reichlich, an Sonn- und Fest¬ tagen sogar überreich. In keinem Stift wird für den vollständigen Unter¬ halt des Einzelnen — abgesehen von Wohnung, Licht, Heizung — mehr ver¬ anschlagt, als 300 Gulden. Werden diese aber von einer Communität von zwanzig bis vierzig und mehr Personen als eingelegt betrachtet, so ergibt das eine Summe, von der sich allerdings in Speise und Trank ein Leben führen läßt, um das man die Stifter nicht mit Unrecht beneidet. Geld er¬ hält eigentlich kein Mitglied des Stiftes, die Vorstände ausgenommen. Ge¬ wisse Leistungen aber, welche das Stift zu machen hat, kann sich der Einzelne in Geld zahlen lassen, wovon er seine kleinen Bedürfnisse, wie Tabak, Früh¬ stück und Aehnliches bestreitet. Im Durchschnitt beträgt diese Begabung je nach den Stiftern monatlich zwischen 8 und 12 Gulden. Die Vorstände haben, wie erwähnt, mehr; über bedeutende Mittel aber verfügt allein der Prälat, der Abt. In einigen Stiftern kann er gegen nachträgliche Ver¬ rechnung überhaupt über das Vermögen des Stiftes disponiren, in anderen, den meisten, ist ihm für seine Person, abgesehen von seiner Verpflegung :e., wofür das Stift sorgt, eine bestimmte Summe ausgeworfen, bet deren Be¬ stimmung auf die nothwendige Repräsentation reichliche Rücksicht genommen ist. Der Prälat wohnt auch in einem eigenen Theile des Stiftes, der Prä- latur, welche in ihrer mitunter prächtigen, stets gediegenen Einrichtung und Ausstattung vielfach bewundert, freilich oft auch als Maßstab des Lebens der übrigen Stistsmitglieder angenommen wird. Doch ist dann ein gewaltiger Unterschied und ein Schluß von den Verhältnissen der Prälatur auf die der übrigen Stiftsmitglieder nicht zutreffend. Daß -indeß auch in der Prä¬ latur Vieles von dem jeweiligen Prälaten abhängt, versteht sich von selbst; Manche haben ihre Stifter pecuniär sehr heruntergebracht, manche durch Klug¬ heit und Sparsamkeit das bewegliche und unbewegliche Vermögen vermehrt. Alles zusammengerechnet, scheint uns, daß der Staat bei Einziehung der Stifter mit ihrem Vermögen nicht die Lasten bestreiten könnte, welche er mit übernehmen müßte, zumal da die Gymnasien und Schulen der Stifter mit einer neuen besseren Organisation auch größere Summen beanspruchen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_120192/203>, abgerufen am 20.10.2024.