Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

sein konnten; außerdem traf gerade während der Anwesenheit des Rittmeisters
v. d. Wense jenes Telegramm von Berlin in Gotha ein, welches die Annahme
der hannöverschen Propositionen nebst der Garantieforderung präcifirte. Ver¬
gnügt übergab der Herzog dasselbe dem Rittmeister v, d. Wense, damit dieser
seinem König die hoffnungsvolle Sachlage mittheile. Zu derselben Zeit kam
die Meldung nach Gotha, daß eine hannöversche Colonne gegen Mechterstedt
an der Eisenbahn zwischen Gotha und Eisenach vorrücke. Da diese Verletzung
der besprochenen Sistirung aller Feindseligkeiten das eingeleitete Friedens¬
werk zu gefährden drohte, so forderte der Herzog den zurückgebliebenen
Major v. Jacobi auf, einem doch sicher nicht beabsichtigten Wortbruch
dadurch vorzubeugen, daß er den Commandeur der betreffenden hannö¬
verschen Vortruppen von dem Uebereinkommen in Kenntniß setzte, damit
dieser die Feindseligkeiten bis auf Weiteres sistire. Major v. Jacobi. der
in die geheimen Gedanken des Oberst v. Dämmers und die Beschlüsse des
Hauptquartiers nicht eingeweiht war, nahm in gutem Vertrauen diese Con-
sequenz des geschlossenen Abkommens auf sich und verhinderte durch seine Be¬
nachrichtigung den Vorbruch der Avantgarde während einiger Stunden.

Wir sind zwar der Ansicht, daß dieses Eingreifen in die schwankenden
Entschlüsse des hannöverschen Hauptquartiers nicht von Bedeutung war und
daß man weder am 24ten noch 25ten Juni die Consequenz gehabt hätte, sich
wirklich zu entschließen. Aber wer einmal das Bedürfniß hat, den Lauf der
Weltgeschichte durch ein Glas Wasser und Aehnltches zu erklären, findet hier
eine Gelegenheit. Und er vermag in diesem Fall mit besonderem Behagen
zu erkennen, wie der Zufall gerade dadurch tragisch ward, weil er die Hinter"
gedenken und Täuschungen der hannöverschen Felddiplomaten bestrafte und
wie Die, welche Andere benutzen wollten, ein Opfer ihrer eigenen List wurden.
Die Sistirung der Feindseligkeit, welche Oberst Dämmers nach seiner eigenen
Aussage nur für Gotha zur Täuschung verabredet, sollte sofort die Avant¬
garde seines eigenen Heeres täuschen! --

Daß an diesem fatalen Zwischenfall weder der Herzog, noch sonst Je¬
mand in Gotha die geringste Schuld trägt, wird durch .die Schrift Herrn
v. Seebach's völlig unwiderleglich bewiesen. Und doch war dieser Vorwurf
der Welsen die Summa ihrer Anschuldigungen. Anderes, wie daß die
Sendung des Hauptmann von Zielberg dem Herzog zur Last falle, ist nur
abgeschmackt. Und wir hoffen, wer überhaupt belehrt werden und ehrlich
urtheilen will, wird jetzt das Sachverhältniß gerechter würdigen.

Allerdings nicht Herr Ouro Klopp. Dieser Historiker, den wir für
eines der unglücklichsten Producte deutscher Kleinstaaterei halten, hat von der
Natur die -- in Deutschland seltene -- Begabung erhalten, eine instinctive
Vorliebe für das Unrichtige zu haben- Man kann sicher sein, ihn in allen


sein konnten; außerdem traf gerade während der Anwesenheit des Rittmeisters
v. d. Wense jenes Telegramm von Berlin in Gotha ein, welches die Annahme
der hannöverschen Propositionen nebst der Garantieforderung präcifirte. Ver¬
gnügt übergab der Herzog dasselbe dem Rittmeister v, d. Wense, damit dieser
seinem König die hoffnungsvolle Sachlage mittheile. Zu derselben Zeit kam
die Meldung nach Gotha, daß eine hannöversche Colonne gegen Mechterstedt
an der Eisenbahn zwischen Gotha und Eisenach vorrücke. Da diese Verletzung
der besprochenen Sistirung aller Feindseligkeiten das eingeleitete Friedens¬
werk zu gefährden drohte, so forderte der Herzog den zurückgebliebenen
Major v. Jacobi auf, einem doch sicher nicht beabsichtigten Wortbruch
dadurch vorzubeugen, daß er den Commandeur der betreffenden hannö¬
verschen Vortruppen von dem Uebereinkommen in Kenntniß setzte, damit
dieser die Feindseligkeiten bis auf Weiteres sistire. Major v. Jacobi. der
in die geheimen Gedanken des Oberst v. Dämmers und die Beschlüsse des
Hauptquartiers nicht eingeweiht war, nahm in gutem Vertrauen diese Con-
sequenz des geschlossenen Abkommens auf sich und verhinderte durch seine Be¬
nachrichtigung den Vorbruch der Avantgarde während einiger Stunden.

Wir sind zwar der Ansicht, daß dieses Eingreifen in die schwankenden
Entschlüsse des hannöverschen Hauptquartiers nicht von Bedeutung war und
daß man weder am 24ten noch 25ten Juni die Consequenz gehabt hätte, sich
wirklich zu entschließen. Aber wer einmal das Bedürfniß hat, den Lauf der
Weltgeschichte durch ein Glas Wasser und Aehnltches zu erklären, findet hier
eine Gelegenheit. Und er vermag in diesem Fall mit besonderem Behagen
zu erkennen, wie der Zufall gerade dadurch tragisch ward, weil er die Hinter«
gedenken und Täuschungen der hannöverschen Felddiplomaten bestrafte und
wie Die, welche Andere benutzen wollten, ein Opfer ihrer eigenen List wurden.
Die Sistirung der Feindseligkeit, welche Oberst Dämmers nach seiner eigenen
Aussage nur für Gotha zur Täuschung verabredet, sollte sofort die Avant¬
garde seines eigenen Heeres täuschen! —

Daß an diesem fatalen Zwischenfall weder der Herzog, noch sonst Je¬
mand in Gotha die geringste Schuld trägt, wird durch .die Schrift Herrn
v. Seebach's völlig unwiderleglich bewiesen. Und doch war dieser Vorwurf
der Welsen die Summa ihrer Anschuldigungen. Anderes, wie daß die
Sendung des Hauptmann von Zielberg dem Herzog zur Last falle, ist nur
abgeschmackt. Und wir hoffen, wer überhaupt belehrt werden und ehrlich
urtheilen will, wird jetzt das Sachverhältniß gerechter würdigen.

Allerdings nicht Herr Ouro Klopp. Dieser Historiker, den wir für
eines der unglücklichsten Producte deutscher Kleinstaaterei halten, hat von der
Natur die — in Deutschland seltene — Begabung erhalten, eine instinctive
Vorliebe für das Unrichtige zu haben- Man kann sicher sein, ihn in allen


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0171" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/120360"/>
          <p xml:id="ID_495" prev="#ID_494"> sein konnten; außerdem traf gerade während der Anwesenheit des Rittmeisters<lb/>
v. d. Wense jenes Telegramm von Berlin in Gotha ein, welches die Annahme<lb/>
der hannöverschen Propositionen nebst der Garantieforderung präcifirte. Ver¬<lb/>
gnügt übergab der Herzog dasselbe dem Rittmeister v, d. Wense, damit dieser<lb/>
seinem König die hoffnungsvolle Sachlage mittheile. Zu derselben Zeit kam<lb/>
die Meldung nach Gotha, daß eine hannöversche Colonne gegen Mechterstedt<lb/>
an der Eisenbahn zwischen Gotha und Eisenach vorrücke. Da diese Verletzung<lb/>
der besprochenen Sistirung aller Feindseligkeiten das eingeleitete Friedens¬<lb/>
werk zu gefährden drohte, so forderte der Herzog den zurückgebliebenen<lb/>
Major v. Jacobi auf, einem doch sicher nicht beabsichtigten Wortbruch<lb/>
dadurch vorzubeugen, daß er den Commandeur der betreffenden hannö¬<lb/>
verschen Vortruppen von dem Uebereinkommen in Kenntniß setzte, damit<lb/>
dieser die Feindseligkeiten bis auf Weiteres sistire. Major v. Jacobi. der<lb/>
in die geheimen Gedanken des Oberst v. Dämmers und die Beschlüsse des<lb/>
Hauptquartiers nicht eingeweiht war, nahm in gutem Vertrauen diese Con-<lb/>
sequenz des geschlossenen Abkommens auf sich und verhinderte durch seine Be¬<lb/>
nachrichtigung den Vorbruch der Avantgarde während einiger Stunden.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_496"> Wir sind zwar der Ansicht, daß dieses Eingreifen in die schwankenden<lb/>
Entschlüsse des hannöverschen Hauptquartiers nicht von Bedeutung war und<lb/>
daß man weder am 24ten noch 25ten Juni die Consequenz gehabt hätte, sich<lb/>
wirklich zu entschließen. Aber wer einmal das Bedürfniß hat, den Lauf der<lb/>
Weltgeschichte durch ein Glas Wasser und Aehnltches zu erklären, findet hier<lb/>
eine Gelegenheit. Und er vermag in diesem Fall mit besonderem Behagen<lb/>
zu erkennen, wie der Zufall gerade dadurch tragisch ward, weil er die Hinter«<lb/>
gedenken und Täuschungen der hannöverschen Felddiplomaten bestrafte und<lb/>
wie Die, welche Andere benutzen wollten, ein Opfer ihrer eigenen List wurden.<lb/>
Die Sistirung der Feindseligkeit, welche Oberst Dämmers nach seiner eigenen<lb/>
Aussage nur für Gotha zur Täuschung verabredet, sollte sofort die Avant¬<lb/>
garde seines eigenen Heeres täuschen! &#x2014;</p><lb/>
          <p xml:id="ID_497"> Daß an diesem fatalen Zwischenfall weder der Herzog, noch sonst Je¬<lb/>
mand in Gotha die geringste Schuld trägt, wird durch .die Schrift Herrn<lb/>
v. Seebach's völlig unwiderleglich bewiesen. Und doch war dieser Vorwurf<lb/>
der Welsen die Summa ihrer Anschuldigungen. Anderes, wie daß die<lb/>
Sendung des Hauptmann von Zielberg dem Herzog zur Last falle, ist nur<lb/>
abgeschmackt. Und wir hoffen, wer überhaupt belehrt werden und ehrlich<lb/>
urtheilen will, wird jetzt das Sachverhältniß gerechter würdigen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_498" next="#ID_499"> Allerdings nicht Herr Ouro Klopp. Dieser Historiker, den wir für<lb/>
eines der unglücklichsten Producte deutscher Kleinstaaterei halten, hat von der<lb/>
Natur die &#x2014; in Deutschland seltene &#x2014; Begabung erhalten, eine instinctive<lb/>
Vorliebe für das Unrichtige zu haben- Man kann sicher sein, ihn in allen</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0171] sein konnten; außerdem traf gerade während der Anwesenheit des Rittmeisters v. d. Wense jenes Telegramm von Berlin in Gotha ein, welches die Annahme der hannöverschen Propositionen nebst der Garantieforderung präcifirte. Ver¬ gnügt übergab der Herzog dasselbe dem Rittmeister v, d. Wense, damit dieser seinem König die hoffnungsvolle Sachlage mittheile. Zu derselben Zeit kam die Meldung nach Gotha, daß eine hannöversche Colonne gegen Mechterstedt an der Eisenbahn zwischen Gotha und Eisenach vorrücke. Da diese Verletzung der besprochenen Sistirung aller Feindseligkeiten das eingeleitete Friedens¬ werk zu gefährden drohte, so forderte der Herzog den zurückgebliebenen Major v. Jacobi auf, einem doch sicher nicht beabsichtigten Wortbruch dadurch vorzubeugen, daß er den Commandeur der betreffenden hannö¬ verschen Vortruppen von dem Uebereinkommen in Kenntniß setzte, damit dieser die Feindseligkeiten bis auf Weiteres sistire. Major v. Jacobi. der in die geheimen Gedanken des Oberst v. Dämmers und die Beschlüsse des Hauptquartiers nicht eingeweiht war, nahm in gutem Vertrauen diese Con- sequenz des geschlossenen Abkommens auf sich und verhinderte durch seine Be¬ nachrichtigung den Vorbruch der Avantgarde während einiger Stunden. Wir sind zwar der Ansicht, daß dieses Eingreifen in die schwankenden Entschlüsse des hannöverschen Hauptquartiers nicht von Bedeutung war und daß man weder am 24ten noch 25ten Juni die Consequenz gehabt hätte, sich wirklich zu entschließen. Aber wer einmal das Bedürfniß hat, den Lauf der Weltgeschichte durch ein Glas Wasser und Aehnltches zu erklären, findet hier eine Gelegenheit. Und er vermag in diesem Fall mit besonderem Behagen zu erkennen, wie der Zufall gerade dadurch tragisch ward, weil er die Hinter« gedenken und Täuschungen der hannöverschen Felddiplomaten bestrafte und wie Die, welche Andere benutzen wollten, ein Opfer ihrer eigenen List wurden. Die Sistirung der Feindseligkeit, welche Oberst Dämmers nach seiner eigenen Aussage nur für Gotha zur Täuschung verabredet, sollte sofort die Avant¬ garde seines eigenen Heeres täuschen! — Daß an diesem fatalen Zwischenfall weder der Herzog, noch sonst Je¬ mand in Gotha die geringste Schuld trägt, wird durch .die Schrift Herrn v. Seebach's völlig unwiderleglich bewiesen. Und doch war dieser Vorwurf der Welsen die Summa ihrer Anschuldigungen. Anderes, wie daß die Sendung des Hauptmann von Zielberg dem Herzog zur Last falle, ist nur abgeschmackt. Und wir hoffen, wer überhaupt belehrt werden und ehrlich urtheilen will, wird jetzt das Sachverhältniß gerechter würdigen. Allerdings nicht Herr Ouro Klopp. Dieser Historiker, den wir für eines der unglücklichsten Producte deutscher Kleinstaaterei halten, hat von der Natur die — in Deutschland seltene — Begabung erhalten, eine instinctive Vorliebe für das Unrichtige zu haben- Man kann sicher sein, ihn in allen

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_120192
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_120192/171
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_120192/171>, abgerufen am 28.09.2024.