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Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. I. Band.

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scheint es den Gegnern am frühesten gelungen zu sein eine Bresche in die
Popularität des Mönchs zu legen. Diese Gegner Savonarola's waren die
sogenannten Arrabiati, in diesem Augenblick gefährlicher als die Anhänger
der Medici, welche ihre Zeit abwarteten. Von den gleichzeitigen Schrift¬
stellern werden diese Arrabiati als die aristokratische Partei geschildert, der
es in erster Linie um den Sturz der Verfassung zu thun war und die nur
deshalb ihre Polemik auf die Persönlichkeit des Reformators concentrirte,
weil sie es noch nicht wagte, offen gegen die Verfassung Sturm zu laufen.
Allein ihr späteres Benehmen scheint doch zu beweisen, daß ihnen der Sturz
Savonarola's mehr am Herzen lag, als der Sturz der Verfassung, die sie
unangetastet ließen. Sie arbeiten bei Moro und dem Papst an dem Sturz
des verhaßten Propheten, aber sobald sie ihr Ziel erreicht, sieht man sie im
engsten Bündniß mit Savonarola's Partei gegen die Umtriebe der Medicäer
Front machen. Es bestand zudem eine eigene Partei, die Bianchi, die auf¬
richtige Demokraten waren, denen aber die Einmischung des Mönchs in
Staatsangelegenheiten widerstrebte. Sie scheinen sich bald mit den Arrabiati
verschmolzen zu haben, und es ist gar nicht anders denkbar, als daß in
Florenz trotz der scheinbaren Alleinherrschaft der Klosterpartei oder der Heuler
und Vaterunserkäuer (?iagnoni und Nastie^pirtel'uvsti-i), wie sie von ihren
Gegnern titulirt wurden, genug nüchterne Männer vorhanden waren, die
von einer so gewaltsamen und vollends religiös gefärbten Aufregung der
Leidenschaften Uebles für den Staat fürchteten. Es kam mehr als einmal
vor, daß Savonarola auf der Kanzel in Flwta Rai-ig, alvi üorv das Blut der
Feinde der Verfassung verlangte.

Faradische Wuthausbrüche dieser Art sind freilich nicht die Regel. Sonst
ermahnt die Predigt Savonarola's immer und immer wieder die Bürger zum
Frieden und zur Eintracht. Dieser Widerspruch war ihm gerade so un¬
bewußt, als wenn er eine demokratische Verfassung empfahl und gleichzeitig
alles Parteiwesen verbannt wissen wollte. In der That wünschte er einmal
die Einsetzung von Friedensmännern, die danach streben sollen, "diese Be¬
nennungen der Bigi (Anhänger der Medici), der Bianchi und der Arrabiati
abzuschaffen, welche ein Unglück sind sür unsre Stadt." Er beklagt die
Parteiumtriebe, die jedesmal bei den Wahlen gemacht werden. Da laufen,
ruft er aus, Viele in der Stadt umher und theilen Zettel aus, auf denen
geschrieben steht, daß man den oder den nicht wählen solle. Das Volk solle
aber nicht darauf achten,, sondern nach Ueberzeugung seine Stimme einzig
denjenigen geben, welche die tauglichsten und würdigsten seien. Er selbst
rühmt sich einmal gegen den Papst, daß er die Parteien unterdrückt und die
Eintracht in der Stadt hergestellt habe. Allein höchstens in einzelnen Augen¬
blicken mochte sich Savonarola dieser Täuschung hingeben. Das Parteiwesen


scheint es den Gegnern am frühesten gelungen zu sein eine Bresche in die
Popularität des Mönchs zu legen. Diese Gegner Savonarola's waren die
sogenannten Arrabiati, in diesem Augenblick gefährlicher als die Anhänger
der Medici, welche ihre Zeit abwarteten. Von den gleichzeitigen Schrift¬
stellern werden diese Arrabiati als die aristokratische Partei geschildert, der
es in erster Linie um den Sturz der Verfassung zu thun war und die nur
deshalb ihre Polemik auf die Persönlichkeit des Reformators concentrirte,
weil sie es noch nicht wagte, offen gegen die Verfassung Sturm zu laufen.
Allein ihr späteres Benehmen scheint doch zu beweisen, daß ihnen der Sturz
Savonarola's mehr am Herzen lag, als der Sturz der Verfassung, die sie
unangetastet ließen. Sie arbeiten bei Moro und dem Papst an dem Sturz
des verhaßten Propheten, aber sobald sie ihr Ziel erreicht, sieht man sie im
engsten Bündniß mit Savonarola's Partei gegen die Umtriebe der Medicäer
Front machen. Es bestand zudem eine eigene Partei, die Bianchi, die auf¬
richtige Demokraten waren, denen aber die Einmischung des Mönchs in
Staatsangelegenheiten widerstrebte. Sie scheinen sich bald mit den Arrabiati
verschmolzen zu haben, und es ist gar nicht anders denkbar, als daß in
Florenz trotz der scheinbaren Alleinherrschaft der Klosterpartei oder der Heuler
und Vaterunserkäuer (?iagnoni und Nastie^pirtel'uvsti-i), wie sie von ihren
Gegnern titulirt wurden, genug nüchterne Männer vorhanden waren, die
von einer so gewaltsamen und vollends religiös gefärbten Aufregung der
Leidenschaften Uebles für den Staat fürchteten. Es kam mehr als einmal
vor, daß Savonarola auf der Kanzel in Flwta Rai-ig, alvi üorv das Blut der
Feinde der Verfassung verlangte.

Faradische Wuthausbrüche dieser Art sind freilich nicht die Regel. Sonst
ermahnt die Predigt Savonarola's immer und immer wieder die Bürger zum
Frieden und zur Eintracht. Dieser Widerspruch war ihm gerade so un¬
bewußt, als wenn er eine demokratische Verfassung empfahl und gleichzeitig
alles Parteiwesen verbannt wissen wollte. In der That wünschte er einmal
die Einsetzung von Friedensmännern, die danach streben sollen, „diese Be¬
nennungen der Bigi (Anhänger der Medici), der Bianchi und der Arrabiati
abzuschaffen, welche ein Unglück sind sür unsre Stadt." Er beklagt die
Parteiumtriebe, die jedesmal bei den Wahlen gemacht werden. Da laufen,
ruft er aus, Viele in der Stadt umher und theilen Zettel aus, auf denen
geschrieben steht, daß man den oder den nicht wählen solle. Das Volk solle
aber nicht darauf achten,, sondern nach Ueberzeugung seine Stimme einzig
denjenigen geben, welche die tauglichsten und würdigsten seien. Er selbst
rühmt sich einmal gegen den Papst, daß er die Parteien unterdrückt und die
Eintracht in der Stadt hergestellt habe. Allein höchstens in einzelnen Augen¬
blicken mochte sich Savonarola dieser Täuschung hingeben. Das Parteiwesen


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_120192/156>, abgerufen am 28.09.2024.