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Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. I. Band.

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Reformation: sie war für jeden Habsburgischen Staatsmann nur eine unglück¬
liche Neuerung, welche das Aufsteigen dieses Hauses zur Weltherrschaft gehin¬
dert hatte. Preußens Princip war eben diese Neuerung, durch sein Aufkom¬
men hatte nach Schwedens Sinken der Protestantismus wieder einen politischen
Einheitspunkt auf dem Continent erhalten. Friedrich der Große verwirklichte
die Befürchtungen des Kanzlers von Strahlendorff, indem er Preußen zu
einer deutschen Macht mit europäischem Charakter erhob und gleichzeitig aus
einem Territorium zu einem wirklichen Staate durchbildete. Der Huberts¬
burger Frieden konnte somit nur einen Waffenstillstand bilden in dem großen
Kampfe um Deutschland, welcher auch durch den prager Frieden noch nicht
beendet ist; bis der Krieg ausgefochten, erscheint jede Periode einer entenw
ooräisle zwischen Wien und Berlin, wie von 1815--48, von 1852--S9. als
eine Zeit der Erschlaffung und des Sinkens für den Staat der Hohenzollern.
Friedrich's Einschreiten im bairischen Erbfolgekrieg vereitelte Joseph's Pläne.
Den Vorschlag des Kaisers Deutschland mit ihm zu theilen (Mainlinie!)
beantwortete er mit dem Fürstenbunde. Ueber diese Idee einer deutschen
Conföderotion ging im 18. Jahrhundert der Ehrgeiz Preußens nicht hinaus
und demgemäß theilten sich auch die Territorien in ihren Sympathieen. Die
große Mehrzahl der kleinen Reichsstände fühlte wohl, daß sie keinen An¬
spruch mehr auf Fortdauer ihrer politischen Unabhängigkeit hatte und daß
jede tiefer gehende Aenderung sie beseitigen müsse. In Oestreich, welches Alles
beim Alten erhalten wollte, konnten sie also allein die Bürgschaft der eigenen
Fortdauer suchen. Die lebensfähigen Territorien dagegen, welche sich durch
sich selbst in ihrem Fortbestande sicher fühlten, neigten zur föderativem Ge¬
staltung der deutschen Verhältnisse und trafen darin mit Preußens Richtung
zusammen. Diese Stellung der beiden Mächte muß man sich stets vergegen¬
wärtigen um zu begreifen, wie schwer ihnen die gemeinsame Action gegen
Frankreich werden mußte, wie leicht die vom principiellen Standpunkt ge¬
schlossene Allianz gegen die Revolution sich löste und erst nach langen
Irrungen wieder hergestellt werden konnte, als es sich in der That für beide
um Sein oder Nichsein handelte. Mit dem baseler Frieden einerseits, mit
der Berufung des preußenfeindlichen Thugut andrerseits trat die Neben¬
buhlerschaft der beiden Mächte wieder in ihre volle Schärfe, um so mehr als
mit dem Steigen der französischen Macht Preußen seine conföderative Politik
mehr und mehr aufgab und sich freundlich zu den revolutionären Mächten
stellte. Die Eroberungspolitik trat nicht blos in Polen, sondern auch in
Deutschland immer offener hervor. Preußen willigte ausdrücklich in die
Abtretung des linken Rheinufers und entschädigte sich durch Säcularisationen;
es besetzte endlich 1805 auch Hannover mit Frankreichs Zustimmung.

Oestreichs Politik bewegte sich in ähnlicher Richtung, traf aber durch die


17*

Reformation: sie war für jeden Habsburgischen Staatsmann nur eine unglück¬
liche Neuerung, welche das Aufsteigen dieses Hauses zur Weltherrschaft gehin¬
dert hatte. Preußens Princip war eben diese Neuerung, durch sein Aufkom¬
men hatte nach Schwedens Sinken der Protestantismus wieder einen politischen
Einheitspunkt auf dem Continent erhalten. Friedrich der Große verwirklichte
die Befürchtungen des Kanzlers von Strahlendorff, indem er Preußen zu
einer deutschen Macht mit europäischem Charakter erhob und gleichzeitig aus
einem Territorium zu einem wirklichen Staate durchbildete. Der Huberts¬
burger Frieden konnte somit nur einen Waffenstillstand bilden in dem großen
Kampfe um Deutschland, welcher auch durch den prager Frieden noch nicht
beendet ist; bis der Krieg ausgefochten, erscheint jede Periode einer entenw
ooräisle zwischen Wien und Berlin, wie von 1815—48, von 1852—S9. als
eine Zeit der Erschlaffung und des Sinkens für den Staat der Hohenzollern.
Friedrich's Einschreiten im bairischen Erbfolgekrieg vereitelte Joseph's Pläne.
Den Vorschlag des Kaisers Deutschland mit ihm zu theilen (Mainlinie!)
beantwortete er mit dem Fürstenbunde. Ueber diese Idee einer deutschen
Conföderotion ging im 18. Jahrhundert der Ehrgeiz Preußens nicht hinaus
und demgemäß theilten sich auch die Territorien in ihren Sympathieen. Die
große Mehrzahl der kleinen Reichsstände fühlte wohl, daß sie keinen An¬
spruch mehr auf Fortdauer ihrer politischen Unabhängigkeit hatte und daß
jede tiefer gehende Aenderung sie beseitigen müsse. In Oestreich, welches Alles
beim Alten erhalten wollte, konnten sie also allein die Bürgschaft der eigenen
Fortdauer suchen. Die lebensfähigen Territorien dagegen, welche sich durch
sich selbst in ihrem Fortbestande sicher fühlten, neigten zur föderativem Ge¬
staltung der deutschen Verhältnisse und trafen darin mit Preußens Richtung
zusammen. Diese Stellung der beiden Mächte muß man sich stets vergegen¬
wärtigen um zu begreifen, wie schwer ihnen die gemeinsame Action gegen
Frankreich werden mußte, wie leicht die vom principiellen Standpunkt ge¬
schlossene Allianz gegen die Revolution sich löste und erst nach langen
Irrungen wieder hergestellt werden konnte, als es sich in der That für beide
um Sein oder Nichsein handelte. Mit dem baseler Frieden einerseits, mit
der Berufung des preußenfeindlichen Thugut andrerseits trat die Neben¬
buhlerschaft der beiden Mächte wieder in ihre volle Schärfe, um so mehr als
mit dem Steigen der französischen Macht Preußen seine conföderative Politik
mehr und mehr aufgab und sich freundlich zu den revolutionären Mächten
stellte. Die Eroberungspolitik trat nicht blos in Polen, sondern auch in
Deutschland immer offener hervor. Preußen willigte ausdrücklich in die
Abtretung des linken Rheinufers und entschädigte sich durch Säcularisationen;
es besetzte endlich 1805 auch Hannover mit Frankreichs Zustimmung.

Oestreichs Politik bewegte sich in ähnlicher Richtung, traf aber durch die


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[0144] Reformation: sie war für jeden Habsburgischen Staatsmann nur eine unglück¬ liche Neuerung, welche das Aufsteigen dieses Hauses zur Weltherrschaft gehin¬ dert hatte. Preußens Princip war eben diese Neuerung, durch sein Aufkom¬ men hatte nach Schwedens Sinken der Protestantismus wieder einen politischen Einheitspunkt auf dem Continent erhalten. Friedrich der Große verwirklichte die Befürchtungen des Kanzlers von Strahlendorff, indem er Preußen zu einer deutschen Macht mit europäischem Charakter erhob und gleichzeitig aus einem Territorium zu einem wirklichen Staate durchbildete. Der Huberts¬ burger Frieden konnte somit nur einen Waffenstillstand bilden in dem großen Kampfe um Deutschland, welcher auch durch den prager Frieden noch nicht beendet ist; bis der Krieg ausgefochten, erscheint jede Periode einer entenw ooräisle zwischen Wien und Berlin, wie von 1815—48, von 1852—S9. als eine Zeit der Erschlaffung und des Sinkens für den Staat der Hohenzollern. Friedrich's Einschreiten im bairischen Erbfolgekrieg vereitelte Joseph's Pläne. Den Vorschlag des Kaisers Deutschland mit ihm zu theilen (Mainlinie!) beantwortete er mit dem Fürstenbunde. Ueber diese Idee einer deutschen Conföderotion ging im 18. Jahrhundert der Ehrgeiz Preußens nicht hinaus und demgemäß theilten sich auch die Territorien in ihren Sympathieen. Die große Mehrzahl der kleinen Reichsstände fühlte wohl, daß sie keinen An¬ spruch mehr auf Fortdauer ihrer politischen Unabhängigkeit hatte und daß jede tiefer gehende Aenderung sie beseitigen müsse. In Oestreich, welches Alles beim Alten erhalten wollte, konnten sie also allein die Bürgschaft der eigenen Fortdauer suchen. Die lebensfähigen Territorien dagegen, welche sich durch sich selbst in ihrem Fortbestande sicher fühlten, neigten zur föderativem Ge¬ staltung der deutschen Verhältnisse und trafen darin mit Preußens Richtung zusammen. Diese Stellung der beiden Mächte muß man sich stets vergegen¬ wärtigen um zu begreifen, wie schwer ihnen die gemeinsame Action gegen Frankreich werden mußte, wie leicht die vom principiellen Standpunkt ge¬ schlossene Allianz gegen die Revolution sich löste und erst nach langen Irrungen wieder hergestellt werden konnte, als es sich in der That für beide um Sein oder Nichsein handelte. Mit dem baseler Frieden einerseits, mit der Berufung des preußenfeindlichen Thugut andrerseits trat die Neben¬ buhlerschaft der beiden Mächte wieder in ihre volle Schärfe, um so mehr als mit dem Steigen der französischen Macht Preußen seine conföderative Politik mehr und mehr aufgab und sich freundlich zu den revolutionären Mächten stellte. Die Eroberungspolitik trat nicht blos in Polen, sondern auch in Deutschland immer offener hervor. Preußen willigte ausdrücklich in die Abtretung des linken Rheinufers und entschädigte sich durch Säcularisationen; es besetzte endlich 1805 auch Hannover mit Frankreichs Zustimmung. Oestreichs Politik bewegte sich in ähnlicher Richtung, traf aber durch die 17*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_120192/144>, abgerufen am 28.09.2024.