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Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. I. Band.

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Officiere verschlechtert wurden und trotzdem die Reserveabtheilungen nicht
rechtzeitig mehr ins Feld geführt werden konnten.

So konnten denn in dem letzten Kriege nur je 3 Bataillone der ein¬
zelnen Jnfanterieregimenter rechtzeitig auf den Kriegsschauplatz gebracht
werden, die vierten standen bereit, als die Armee auf ihrem Rückzüge an der
Donau sich concentrirte, die fünften Bataillone blieben im Chaos.

Trotzdem kann man behaupten, daß Alles geleistet wurde, was mit dieser
Organisation überhaupt möglich wär.

Soviel wird genügen, um Ihnen ein wenn auch nur flüchtiges Bild des
damaligen Zustandes der bairischen Armee zu geben.

Bei etwas genauerer Einsicht in die Sachlage wird man zugeben müssen,
daß die Mißerfolge weniger der Führung des Heeres, obwohl diese ebenfalls
sehr Viel zu wünschen übrig ließ, als vielmehr der mangelhaften Organisation
und der hierdurch bedingten Unfertigkeit des ganzen Heeres zuzuschreiben
waren. Das Volk dagegen war geneigt, das umgekehrte Verfahren einzu¬
schlagen, und forderte Nichts als die Entfernung seiner Sündenböcke und die
berühmten Zündnadelgewehre.

Glücklicherweise waren jedoch Regierung und Kammern anderer Ansicht
und so kam das jetzt geltende Wehrverfassungsgesetz vom 20. Januar 1868
zu Stande, welches auch die gebildeten Elemente in die Armee zog, diese
Last auf der andern Seite durch das Institut der einjährigen Freiwilligen
milderte und die Reserven organisirte.

Die ganze bewaffnete Macht des Königreichs besteht nun aus dem ste¬
henden Heere und der Landwehr, welch' erstere sich wieder in die active Armee
und die Reserve theilt (Art. I des Gesetzes).

Die Dienstzeit in der activen Armee dauert 3 Jahre und ebenso 3 Jahre
die in der Reserve. Die Dienstzeit in der Landwehr, in welche der Pflichtige
mit Beendigung seiner Dienstzeit im stehenden Heere tritt, dauert 3 Jahre,
sodaß jeder waffenfähige Baier im Ganzen 11 Jahre, mithin bis zu seinem
32. Lebensjahre militärpflichtig bleibt (Art. 8).

Der Unterschied zwischen der activen Armee und Reserve besteht darin,
daß die Angehörigen der letzteren während ihrer ganzen Dienstzeit in der¬
selben, abgesehen vom Kriegsfall, nur zu einer im Ganzen zwei Monate be¬
tragenden Uebungszeit einberufen werden können (Art. 24).

Die active Armee soll nun bis zum 31. December 1871 ohne Er¬
rechnung der Ojficiere, Beamten und Ersatzmannschaften 1"/<, der Bevölke¬
rung nach der Zählung von 1867 betragen; von da ab aber soll die Zahl der
jährlich im Frieden in die active Armee zur Herstellung des Formations¬
standes ohne Errechnung der Ersatzmannschaften einzureihenden Wehrpflich¬
tigen mit den Kammern vereinbart werden (Contingentirung, Art. 3).


Officiere verschlechtert wurden und trotzdem die Reserveabtheilungen nicht
rechtzeitig mehr ins Feld geführt werden konnten.

So konnten denn in dem letzten Kriege nur je 3 Bataillone der ein¬
zelnen Jnfanterieregimenter rechtzeitig auf den Kriegsschauplatz gebracht
werden, die vierten standen bereit, als die Armee auf ihrem Rückzüge an der
Donau sich concentrirte, die fünften Bataillone blieben im Chaos.

Trotzdem kann man behaupten, daß Alles geleistet wurde, was mit dieser
Organisation überhaupt möglich wär.

Soviel wird genügen, um Ihnen ein wenn auch nur flüchtiges Bild des
damaligen Zustandes der bairischen Armee zu geben.

Bei etwas genauerer Einsicht in die Sachlage wird man zugeben müssen,
daß die Mißerfolge weniger der Führung des Heeres, obwohl diese ebenfalls
sehr Viel zu wünschen übrig ließ, als vielmehr der mangelhaften Organisation
und der hierdurch bedingten Unfertigkeit des ganzen Heeres zuzuschreiben
waren. Das Volk dagegen war geneigt, das umgekehrte Verfahren einzu¬
schlagen, und forderte Nichts als die Entfernung seiner Sündenböcke und die
berühmten Zündnadelgewehre.

Glücklicherweise waren jedoch Regierung und Kammern anderer Ansicht
und so kam das jetzt geltende Wehrverfassungsgesetz vom 20. Januar 1868
zu Stande, welches auch die gebildeten Elemente in die Armee zog, diese
Last auf der andern Seite durch das Institut der einjährigen Freiwilligen
milderte und die Reserven organisirte.

Die ganze bewaffnete Macht des Königreichs besteht nun aus dem ste¬
henden Heere und der Landwehr, welch' erstere sich wieder in die active Armee
und die Reserve theilt (Art. I des Gesetzes).

Die Dienstzeit in der activen Armee dauert 3 Jahre und ebenso 3 Jahre
die in der Reserve. Die Dienstzeit in der Landwehr, in welche der Pflichtige
mit Beendigung seiner Dienstzeit im stehenden Heere tritt, dauert 3 Jahre,
sodaß jeder waffenfähige Baier im Ganzen 11 Jahre, mithin bis zu seinem
32. Lebensjahre militärpflichtig bleibt (Art. 8).

Der Unterschied zwischen der activen Armee und Reserve besteht darin,
daß die Angehörigen der letzteren während ihrer ganzen Dienstzeit in der¬
selben, abgesehen vom Kriegsfall, nur zu einer im Ganzen zwei Monate be¬
tragenden Uebungszeit einberufen werden können (Art. 24).

Die active Armee soll nun bis zum 31. December 1871 ohne Er¬
rechnung der Ojficiere, Beamten und Ersatzmannschaften 1"/<, der Bevölke¬
rung nach der Zählung von 1867 betragen; von da ab aber soll die Zahl der
jährlich im Frieden in die active Armee zur Herstellung des Formations¬
standes ohne Errechnung der Ersatzmannschaften einzureihenden Wehrpflich¬
tigen mit den Kammern vereinbart werden (Contingentirung, Art. 3).


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[0115] Officiere verschlechtert wurden und trotzdem die Reserveabtheilungen nicht rechtzeitig mehr ins Feld geführt werden konnten. So konnten denn in dem letzten Kriege nur je 3 Bataillone der ein¬ zelnen Jnfanterieregimenter rechtzeitig auf den Kriegsschauplatz gebracht werden, die vierten standen bereit, als die Armee auf ihrem Rückzüge an der Donau sich concentrirte, die fünften Bataillone blieben im Chaos. Trotzdem kann man behaupten, daß Alles geleistet wurde, was mit dieser Organisation überhaupt möglich wär. Soviel wird genügen, um Ihnen ein wenn auch nur flüchtiges Bild des damaligen Zustandes der bairischen Armee zu geben. Bei etwas genauerer Einsicht in die Sachlage wird man zugeben müssen, daß die Mißerfolge weniger der Führung des Heeres, obwohl diese ebenfalls sehr Viel zu wünschen übrig ließ, als vielmehr der mangelhaften Organisation und der hierdurch bedingten Unfertigkeit des ganzen Heeres zuzuschreiben waren. Das Volk dagegen war geneigt, das umgekehrte Verfahren einzu¬ schlagen, und forderte Nichts als die Entfernung seiner Sündenböcke und die berühmten Zündnadelgewehre. Glücklicherweise waren jedoch Regierung und Kammern anderer Ansicht und so kam das jetzt geltende Wehrverfassungsgesetz vom 20. Januar 1868 zu Stande, welches auch die gebildeten Elemente in die Armee zog, diese Last auf der andern Seite durch das Institut der einjährigen Freiwilligen milderte und die Reserven organisirte. Die ganze bewaffnete Macht des Königreichs besteht nun aus dem ste¬ henden Heere und der Landwehr, welch' erstere sich wieder in die active Armee und die Reserve theilt (Art. I des Gesetzes). Die Dienstzeit in der activen Armee dauert 3 Jahre und ebenso 3 Jahre die in der Reserve. Die Dienstzeit in der Landwehr, in welche der Pflichtige mit Beendigung seiner Dienstzeit im stehenden Heere tritt, dauert 3 Jahre, sodaß jeder waffenfähige Baier im Ganzen 11 Jahre, mithin bis zu seinem 32. Lebensjahre militärpflichtig bleibt (Art. 8). Der Unterschied zwischen der activen Armee und Reserve besteht darin, daß die Angehörigen der letzteren während ihrer ganzen Dienstzeit in der¬ selben, abgesehen vom Kriegsfall, nur zu einer im Ganzen zwei Monate be¬ tragenden Uebungszeit einberufen werden können (Art. 24). Die active Armee soll nun bis zum 31. December 1871 ohne Er¬ rechnung der Ojficiere, Beamten und Ersatzmannschaften 1"/<, der Bevölke¬ rung nach der Zählung von 1867 betragen; von da ab aber soll die Zahl der jährlich im Frieden in die active Armee zur Herstellung des Formations¬ standes ohne Errechnung der Ersatzmannschaften einzureihenden Wehrpflich¬ tigen mit den Kammern vereinbart werden (Contingentirung, Art. 3).

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_120192/115>, abgerufen am 28.09.2024.