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Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, I. Semester. II. Band.

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ob er oder seine Räthe die Zügel des Staates in Händen halten. Auf jeden
Fall muß der brittische Oberbefehlshaber auf seiner Hut sein, und der Freund¬
schaft Kassais nicht eher volles Vertrauen schenken, bis dieselbe sich durch
stricte Erfüllung der zugesagten Versprechungen als ehrlich gemeint erprobt hat.

Umständliche und kostspielige Vorbereitungen, die mit ächt englischer
Gründlichkeit ins Werk gesetzt wurden, sichern gegenwärtig unter der Leitung
eines erfahrenen, und so energischen wie umsichtigen Führers den Erfolg.
Die Vorhut der Engländer ist der Hauptstadt des Königs Theodorus nahe
gekommen, während aufständische Fürsten sich mit Sir Napier, dem Ober¬
befehlshaber, in Verbindung gesetzt und ihn mit Lebensmitteln versehen
haben.

Die Engländer werden Millionen opfern, ehe sie zum Ziele gelangen.
Ob dieses einzig und allein in Befreiung der Gefangenen und Sühnung der
verletzten Nationalehre besteht, wird vielfach bezweifelt. Französische Kriegs¬
schiffe sind bekanntlich schon vor einiger Zeit zur Beobachtung im rothen
Meere erschienen. Den fremden Offizieren, die sich der Expedition ange¬
schlossen, wird mit großem Mißtrauen begegnet, was zu der Vermuthung
berechtigt, daß der brittischen Expedition weitergehende Motive zu Grunde
liegen. Th. Bernhardt faßte dieselben in folgenden Worten zusammen:

"Aden und die Strandbatterien von Mazam (Perim) sind bereits in
der Gewalt Englands; in Maskar, Sela, Fedzura, Berber" wie Zanzibar
ist sein Einfluß allgebietend. Was aber unter diesen Umständen eine dauernde
Niederlassung in Abyssinien für England bedeuten würde, ist leicht zu be¬
messen; sie müßte seine Niederlassung im rothen Meere, wie im ganzen
Osten Afrikas erheblich erweitern und so befestigen, daß fürs Erste kein anderer
Staat Europas hier wirksame Concurrenz zu machen im Stande wäre.
Gegenüber dem Suezcanal aber, welcher nun trotz aller Schwierigkeiten in
weniger denn zwei Jahren seiner gänzlichen Vollendung entgegen gehen soll
und die Tendenz verfolgt, auch andere Nationen an den Vortheilen des
diese Straße ziehenden Welthandels partieipiren zu lassen, springt die emi¬
nente Tragweite einer englischen Besitzergreifung des abyssinischen Küstenlandes
noch weiter in die Augen."




Oestreichs Ostern.

Die öffentlichen Blätter in Oestreich werden ihrer alten löblichen Ge¬
wohnheit, die Kalenderseste mit politischen erbaulichen Betrachtungen einzu¬
läuten, diesmal gewiß nicht untreu werden und wie sie uns seit längerer
Zeit Pfingst- und Weihnachtsartikel brachten, so auch jetzt mit einer Ostern-


ob er oder seine Räthe die Zügel des Staates in Händen halten. Auf jeden
Fall muß der brittische Oberbefehlshaber auf seiner Hut sein, und der Freund¬
schaft Kassais nicht eher volles Vertrauen schenken, bis dieselbe sich durch
stricte Erfüllung der zugesagten Versprechungen als ehrlich gemeint erprobt hat.

Umständliche und kostspielige Vorbereitungen, die mit ächt englischer
Gründlichkeit ins Werk gesetzt wurden, sichern gegenwärtig unter der Leitung
eines erfahrenen, und so energischen wie umsichtigen Führers den Erfolg.
Die Vorhut der Engländer ist der Hauptstadt des Königs Theodorus nahe
gekommen, während aufständische Fürsten sich mit Sir Napier, dem Ober¬
befehlshaber, in Verbindung gesetzt und ihn mit Lebensmitteln versehen
haben.

Die Engländer werden Millionen opfern, ehe sie zum Ziele gelangen.
Ob dieses einzig und allein in Befreiung der Gefangenen und Sühnung der
verletzten Nationalehre besteht, wird vielfach bezweifelt. Französische Kriegs¬
schiffe sind bekanntlich schon vor einiger Zeit zur Beobachtung im rothen
Meere erschienen. Den fremden Offizieren, die sich der Expedition ange¬
schlossen, wird mit großem Mißtrauen begegnet, was zu der Vermuthung
berechtigt, daß der brittischen Expedition weitergehende Motive zu Grunde
liegen. Th. Bernhardt faßte dieselben in folgenden Worten zusammen:

„Aden und die Strandbatterien von Mazam (Perim) sind bereits in
der Gewalt Englands; in Maskar, Sela, Fedzura, Berber« wie Zanzibar
ist sein Einfluß allgebietend. Was aber unter diesen Umständen eine dauernde
Niederlassung in Abyssinien für England bedeuten würde, ist leicht zu be¬
messen; sie müßte seine Niederlassung im rothen Meere, wie im ganzen
Osten Afrikas erheblich erweitern und so befestigen, daß fürs Erste kein anderer
Staat Europas hier wirksame Concurrenz zu machen im Stande wäre.
Gegenüber dem Suezcanal aber, welcher nun trotz aller Schwierigkeiten in
weniger denn zwei Jahren seiner gänzlichen Vollendung entgegen gehen soll
und die Tendenz verfolgt, auch andere Nationen an den Vortheilen des
diese Straße ziehenden Welthandels partieipiren zu lassen, springt die emi¬
nente Tragweite einer englischen Besitzergreifung des abyssinischen Küstenlandes
noch weiter in die Augen."




Oestreichs Ostern.

Die öffentlichen Blätter in Oestreich werden ihrer alten löblichen Ge¬
wohnheit, die Kalenderseste mit politischen erbaulichen Betrachtungen einzu¬
läuten, diesmal gewiß nicht untreu werden und wie sie uns seit längerer
Zeit Pfingst- und Weihnachtsartikel brachten, so auch jetzt mit einer Ostern-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341807_362043/74>, abgerufen am 15.01.2025.