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Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, I. Semester. II. Band.

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Verfassers entscheidend sein konnte -- der Anzug der spielenden Personen,
die Decorationen, Maschinen und Tänze gaben den Ausschlag! Weiter hat
sich der Menschenverstand vielleicht niemals verirrt, als in diesen Jesuiten¬
spielen, welche auch jetzt noch von einigen blinden Verehrern des Ordens in
Schutz genommen werden, trotzdem unter den Jesuiten selbst vorurtheilsfreie
und im Autoritätsglauben nicht ganz untergegangene Männer keinen Anstand
genommen haben, über diese Ausgeburten einer geschmacklosen Zeit den Stab
zu brechen. Zur Entschuldigung derselben kann höchstens angeführt werden,
daß solche Spiele zu ihrer Zeit auch in den nicht von Jesuiten geleiteten
Anstalten stattfanden.

Daß jeder Magister ein Schauspiel in lateinischer Sprache schreiben
mußte, wurde bereits erwähnt. Hatte es die Billigung der Censoren erhal¬
ten, so wurde der Plan -- die Synopsis, wie man es nannte -- gedruckt,
und sofort begannen nach Vertheilung der Rollen die Proben. Die wirkliche
Aufführung fand in der Regel bei besonders festlichen Gelegenheiten in dem
eigens dazu hergerichteten Refectorium vor einem zahlreichen Publikum statt.
Die Bibliotheken bewahren solche Stücke in großer Zahl: von ihrer geistigen
Armuth kann man sich kaum eine Vorstellung machen. In einem mir vor¬
liegenden Plane einer solchen Tragödie, welche den Titel führt: "König¬
liche Tragödie oder Maria Stuarta, Königin von Schottland und
des Königreiches Engellande Erbin, welche Elisabetha regierende Königin in
Engellande aus Haß gegen die katholische Religion und Ehrgeiz hat enthaup¬
ten lassen" und 1644 aufgeführt worden ist, heißt es im 3. Akt, "welcher
darthut, wie Maria Stuarta erbärmlich enthauptet ward", also:

Seen" 1. Unterschiedliche Tode legen dem Königreich Engellande aus
Befehl der Ketzerey und Ehrgeiz unterschiedliche Pfeyl und Henkers Werkzeug
vor, das Leben der Maria Stuarta dardurch zu benehmen: aus diesen Hen¬
kers Instrumenten allen wird' allein das Beyl oder Axt auserkoren, welches
die Tode wakher schleiffen.

scena 2. Maria Stuarta schreibt ein Valetbrieflein zu ihrem gelieb¬
ten Sohn Jacobo, deß Namens dem sechsten König von Schottland. Nach
diesem rüstet sie sich zu ihrem letzten Todeskampf. In dieser bereitung er¬
scheinen der Maria Stuarta die keusche Susanna und etliche andere mehr,
welche vor zeiten von den Gottlosen unschuldig unterdrückt und Hingericht
worden seind, bringen ihr als einer Königin und Martyrin ein schönes
Martyrkränzlein. -- scena 3. Der Richtplatz die Maria Stuart darauff
zu enthaupten wird auffgerichtet. -- scena 4. Maria Stuart wird vom
Richter sich zu ihrem letzten Stündlein fertig zu halten ermahnet, darumb
thut sie Christo Jesu dem Gekreuzigten .sich herzlich befehlen. Auff dieß
nimbt sie Urlaub von ihren Frauenzimmern und Kammerdienern, geht hin-


Verfassers entscheidend sein konnte — der Anzug der spielenden Personen,
die Decorationen, Maschinen und Tänze gaben den Ausschlag! Weiter hat
sich der Menschenverstand vielleicht niemals verirrt, als in diesen Jesuiten¬
spielen, welche auch jetzt noch von einigen blinden Verehrern des Ordens in
Schutz genommen werden, trotzdem unter den Jesuiten selbst vorurtheilsfreie
und im Autoritätsglauben nicht ganz untergegangene Männer keinen Anstand
genommen haben, über diese Ausgeburten einer geschmacklosen Zeit den Stab
zu brechen. Zur Entschuldigung derselben kann höchstens angeführt werden,
daß solche Spiele zu ihrer Zeit auch in den nicht von Jesuiten geleiteten
Anstalten stattfanden.

Daß jeder Magister ein Schauspiel in lateinischer Sprache schreiben
mußte, wurde bereits erwähnt. Hatte es die Billigung der Censoren erhal¬
ten, so wurde der Plan — die Synopsis, wie man es nannte — gedruckt,
und sofort begannen nach Vertheilung der Rollen die Proben. Die wirkliche
Aufführung fand in der Regel bei besonders festlichen Gelegenheiten in dem
eigens dazu hergerichteten Refectorium vor einem zahlreichen Publikum statt.
Die Bibliotheken bewahren solche Stücke in großer Zahl: von ihrer geistigen
Armuth kann man sich kaum eine Vorstellung machen. In einem mir vor¬
liegenden Plane einer solchen Tragödie, welche den Titel führt: „König¬
liche Tragödie oder Maria Stuarta, Königin von Schottland und
des Königreiches Engellande Erbin, welche Elisabetha regierende Königin in
Engellande aus Haß gegen die katholische Religion und Ehrgeiz hat enthaup¬
ten lassen" und 1644 aufgeführt worden ist, heißt es im 3. Akt, „welcher
darthut, wie Maria Stuarta erbärmlich enthauptet ward", also:

Seen« 1. Unterschiedliche Tode legen dem Königreich Engellande aus
Befehl der Ketzerey und Ehrgeiz unterschiedliche Pfeyl und Henkers Werkzeug
vor, das Leben der Maria Stuarta dardurch zu benehmen: aus diesen Hen¬
kers Instrumenten allen wird' allein das Beyl oder Axt auserkoren, welches
die Tode wakher schleiffen.

scena 2. Maria Stuarta schreibt ein Valetbrieflein zu ihrem gelieb¬
ten Sohn Jacobo, deß Namens dem sechsten König von Schottland. Nach
diesem rüstet sie sich zu ihrem letzten Todeskampf. In dieser bereitung er¬
scheinen der Maria Stuarta die keusche Susanna und etliche andere mehr,
welche vor zeiten von den Gottlosen unschuldig unterdrückt und Hingericht
worden seind, bringen ihr als einer Königin und Martyrin ein schönes
Martyrkränzlein. — scena 3. Der Richtplatz die Maria Stuart darauff
zu enthaupten wird auffgerichtet. — scena 4. Maria Stuart wird vom
Richter sich zu ihrem letzten Stündlein fertig zu halten ermahnet, darumb
thut sie Christo Jesu dem Gekreuzigten .sich herzlich befehlen. Auff dieß
nimbt sie Urlaub von ihren Frauenzimmern und Kammerdienern, geht hin-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341807_362043/57>, abgerufen am 15.01.2025.