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Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, I. Semester. II. Band.

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Doktrinäre aus und es trennt sich damit bestimmt von der Regierung.
Selbst angenommen, daß die Minister persönlich in der Auffassung der Ver¬
träge nicht weit von derjenigen der Volkspartei entfernt wären, sind sie doch
thatsächlich an dieselben gebunden, so lange sie nicht "auf eine völkerrechtlich
zulässige Weise", wie Herr v. Neurath sich ausdrückt, beseitigt sind. Und
die democratischen Umwälzungen, welche die Volkspartei im Innern verlangt,
ziehen eine noch schärfere Grenze zwischen ihr und der Negierung. Der
Augenblick ist gekommen, wo die gemeinsamen Verfasser der rothen Märzpla-
cate sich feindlich gegenüberstehn.

Und nun ist es verzeihlich, daß die deutsche Partei mit einer gewissen
Genugthuung Zeuge dieses Bruchs ist, den sie damals schon deutlich voraus¬
sah; verzeihlich, wenn die Ansicht laut wird, daß die deutsche Partei mit Ge-
müthsruhe bloßer Zuschauer der nun weiter folgenden Dinge sein sollte.
"Mögen die Bundesgenossen von damals - so hört man ausführen -- nun
zusehen, wie sie mit einander fertig werden, mag die Regierung sehen, wie
sie das Unkraut wieder ausjätet, das sie ausgestreut, wie sie der Leidenschaf¬
ten Herr wird, die sie aufgestachelt. Was hat unsere Partei dabei zu thun,
nachdem man ihre Warnungen verhöhnt? Sie würde, wenn sie in den
Kampf einträte, nur die reine Abwickelung des Heilsamen-Prozesses stören;
denn überall, wo sie erschiene, würde sie wiederum die beiden Gegner einan¬
der nähern. Und was nützte es, wenn sie eine kleine Minderheit von Ver¬
tretern in der Kammer durchsetzte? Welche Aufgabe käme ihnen zu, als die,
überall für die Regierung einzutreten gegen die nationalen Forderungen der
Democratie, für dieselbe Regierung, die im Innersten ebenso antinational denkt
Wie die Volkspartei? Das wäre ihre Rolle, wie sie es auf deTn vorigen
Landtag war, wo einzig ihre Mitwirkung der Regierung half, die Genehmi¬
gung der Verträge und der Militärorganisation durchzusetzen. Und doch
müßte uns umgekehrt viel erwünschter sein, wenn eine radicale Mehrheit
der Regierung gegenüberträte und so der völlige Bruch beschleunigt würde,
oder ein Ministerium ans Ruder käme/das wenigstens die Zweideutigkeiten
verschmäht. Soll also die deutsche Partei in den Kampf eintreten, der in
keinem Fall ein so günstiges Resultat ergibt, so kann sie nur mitwirken, daß
möglichst viele Anhänger der Volkspartei gewählt werden. Sie kann die
Freundlichkeiten der Herrn v. Mittnacht und Varnbüler nicht besser erwie¬
dern, als wenn sie ihnen die Bundesgenossen von damals als Volksvertreter
auf den Hals schickt."

Solche Ansichten sind im Ernst aufgetaucht, aber sie sind zum Gluck
mit Erfolg bekämpft worden. Sie befolgen wäre sicher die fehlerhafteste Par-
teitaktik. Es hieße vom Schauplatz abtreten, für die nächsten 6 Jahre im
voraus auf alle officielle Vertretung verzichten; es hieße den Posten verlassen.


Doktrinäre aus und es trennt sich damit bestimmt von der Regierung.
Selbst angenommen, daß die Minister persönlich in der Auffassung der Ver¬
träge nicht weit von derjenigen der Volkspartei entfernt wären, sind sie doch
thatsächlich an dieselben gebunden, so lange sie nicht „auf eine völkerrechtlich
zulässige Weise", wie Herr v. Neurath sich ausdrückt, beseitigt sind. Und
die democratischen Umwälzungen, welche die Volkspartei im Innern verlangt,
ziehen eine noch schärfere Grenze zwischen ihr und der Negierung. Der
Augenblick ist gekommen, wo die gemeinsamen Verfasser der rothen Märzpla-
cate sich feindlich gegenüberstehn.

Und nun ist es verzeihlich, daß die deutsche Partei mit einer gewissen
Genugthuung Zeuge dieses Bruchs ist, den sie damals schon deutlich voraus¬
sah; verzeihlich, wenn die Ansicht laut wird, daß die deutsche Partei mit Ge-
müthsruhe bloßer Zuschauer der nun weiter folgenden Dinge sein sollte.
»Mögen die Bundesgenossen von damals - so hört man ausführen — nun
zusehen, wie sie mit einander fertig werden, mag die Regierung sehen, wie
sie das Unkraut wieder ausjätet, das sie ausgestreut, wie sie der Leidenschaf¬
ten Herr wird, die sie aufgestachelt. Was hat unsere Partei dabei zu thun,
nachdem man ihre Warnungen verhöhnt? Sie würde, wenn sie in den
Kampf einträte, nur die reine Abwickelung des Heilsamen-Prozesses stören;
denn überall, wo sie erschiene, würde sie wiederum die beiden Gegner einan¬
der nähern. Und was nützte es, wenn sie eine kleine Minderheit von Ver¬
tretern in der Kammer durchsetzte? Welche Aufgabe käme ihnen zu, als die,
überall für die Regierung einzutreten gegen die nationalen Forderungen der
Democratie, für dieselbe Regierung, die im Innersten ebenso antinational denkt
Wie die Volkspartei? Das wäre ihre Rolle, wie sie es auf deTn vorigen
Landtag war, wo einzig ihre Mitwirkung der Regierung half, die Genehmi¬
gung der Verträge und der Militärorganisation durchzusetzen. Und doch
müßte uns umgekehrt viel erwünschter sein, wenn eine radicale Mehrheit
der Regierung gegenüberträte und so der völlige Bruch beschleunigt würde,
oder ein Ministerium ans Ruder käme/das wenigstens die Zweideutigkeiten
verschmäht. Soll also die deutsche Partei in den Kampf eintreten, der in
keinem Fall ein so günstiges Resultat ergibt, so kann sie nur mitwirken, daß
möglichst viele Anhänger der Volkspartei gewählt werden. Sie kann die
Freundlichkeiten der Herrn v. Mittnacht und Varnbüler nicht besser erwie¬
dern, als wenn sie ihnen die Bundesgenossen von damals als Volksvertreter
auf den Hals schickt."

Solche Ansichten sind im Ernst aufgetaucht, aber sie sind zum Gluck
mit Erfolg bekämpft worden. Sie befolgen wäre sicher die fehlerhafteste Par-
teitaktik. Es hieße vom Schauplatz abtreten, für die nächsten 6 Jahre im
voraus auf alle officielle Vertretung verzichten; es hieße den Posten verlassen.


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[0513] Doktrinäre aus und es trennt sich damit bestimmt von der Regierung. Selbst angenommen, daß die Minister persönlich in der Auffassung der Ver¬ träge nicht weit von derjenigen der Volkspartei entfernt wären, sind sie doch thatsächlich an dieselben gebunden, so lange sie nicht „auf eine völkerrechtlich zulässige Weise", wie Herr v. Neurath sich ausdrückt, beseitigt sind. Und die democratischen Umwälzungen, welche die Volkspartei im Innern verlangt, ziehen eine noch schärfere Grenze zwischen ihr und der Negierung. Der Augenblick ist gekommen, wo die gemeinsamen Verfasser der rothen Märzpla- cate sich feindlich gegenüberstehn. Und nun ist es verzeihlich, daß die deutsche Partei mit einer gewissen Genugthuung Zeuge dieses Bruchs ist, den sie damals schon deutlich voraus¬ sah; verzeihlich, wenn die Ansicht laut wird, daß die deutsche Partei mit Ge- müthsruhe bloßer Zuschauer der nun weiter folgenden Dinge sein sollte. »Mögen die Bundesgenossen von damals - so hört man ausführen — nun zusehen, wie sie mit einander fertig werden, mag die Regierung sehen, wie sie das Unkraut wieder ausjätet, das sie ausgestreut, wie sie der Leidenschaf¬ ten Herr wird, die sie aufgestachelt. Was hat unsere Partei dabei zu thun, nachdem man ihre Warnungen verhöhnt? Sie würde, wenn sie in den Kampf einträte, nur die reine Abwickelung des Heilsamen-Prozesses stören; denn überall, wo sie erschiene, würde sie wiederum die beiden Gegner einan¬ der nähern. Und was nützte es, wenn sie eine kleine Minderheit von Ver¬ tretern in der Kammer durchsetzte? Welche Aufgabe käme ihnen zu, als die, überall für die Regierung einzutreten gegen die nationalen Forderungen der Democratie, für dieselbe Regierung, die im Innersten ebenso antinational denkt Wie die Volkspartei? Das wäre ihre Rolle, wie sie es auf deTn vorigen Landtag war, wo einzig ihre Mitwirkung der Regierung half, die Genehmi¬ gung der Verträge und der Militärorganisation durchzusetzen. Und doch müßte uns umgekehrt viel erwünschter sein, wenn eine radicale Mehrheit der Regierung gegenüberträte und so der völlige Bruch beschleunigt würde, oder ein Ministerium ans Ruder käme/das wenigstens die Zweideutigkeiten verschmäht. Soll also die deutsche Partei in den Kampf eintreten, der in keinem Fall ein so günstiges Resultat ergibt, so kann sie nur mitwirken, daß möglichst viele Anhänger der Volkspartei gewählt werden. Sie kann die Freundlichkeiten der Herrn v. Mittnacht und Varnbüler nicht besser erwie¬ dern, als wenn sie ihnen die Bundesgenossen von damals als Volksvertreter auf den Hals schickt." Solche Ansichten sind im Ernst aufgetaucht, aber sie sind zum Gluck mit Erfolg bekämpft worden. Sie befolgen wäre sicher die fehlerhafteste Par- teitaktik. Es hieße vom Schauplatz abtreten, für die nächsten 6 Jahre im voraus auf alle officielle Vertretung verzichten; es hieße den Posten verlassen.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341807_362043/513>, abgerufen am 15.01.2025.