Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, I. Semester. II. Band.wegten, seien nicht praktisch-politischer, sondern theoretisch wissenschaftlicher Der Verfasser des oben genannten Buchs hat sich die Aufgabe gestellt, wegten, seien nicht praktisch-politischer, sondern theoretisch wissenschaftlicher Der Verfasser des oben genannten Buchs hat sich die Aufgabe gestellt, <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0504" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/118036"/> <p xml:id="ID_1565" prev="#ID_1564"> wegten, seien nicht praktisch-politischer, sondern theoretisch wissenschaftlicher<lb/> Natur, es handle sich bei uns nicht um Interessen, sondern um Principien<lb/> und Theorien. Diese Vorwürfe treffen schon seit geraumer Zeit nicht mehr<lb/> zu. Im Gegentheil: seit manchem Jahrzehnt befehden sich die beiden großen<lb/> politischen Parteien, in welche sich die Deutschen gespalten haben, um den<lb/> Kampf zwischen Preußen und Oestreich auszufechten. auf wissenschaftlich¬<lb/> historischem Gebiet mindestens ebenso erbittert und leidenschaftlich, wie in<lb/> der wirklichen Welt. Die gelesensten und verbreitetsten neueren Bücher über<lb/> deutsche Geschichte gelten dem Freund und Feind für Parteischriften, welche<lb/> aus den Händeln vergangener Zeit Material zur Bekämpfung lebender Gegner<lb/> zu gewinnen suchen, und jener „kräftige Wille", der nach Dahlmanns bekann¬<lb/> tem Ausspruch jede deutsche Geschichte zusammenhalten muß, „damit ihr neue¬<lb/> stes von demselben Sinn durchdrungen sei, der das Aelteste beseelte", — er<lb/> wird bei der Mehrzahl der Historiker unserer Zeit schon seit lange und nicht<lb/> selten in überreichen Maße gesunden.</p><lb/> <p xml:id="ID_1566" next="#ID_1567"> Der Verfasser des oben genannten Buchs hat sich die Aufgabe gestellt,<lb/> ein Capitel aus der deutschen Vergangenheit, das Gegenstand besonders er¬<lb/> bitterter Parteikämpfe unserer Geschichtsschreiber gewesen, an der Hand neu<lb/> erschlossener Quellen zu revidiren und die einzelnen Momente desselben, welche<lb/> von der einen und der andern Partei vornehmlich als Argumente für die<lb/> Verurtheilung des Gegners benutzt worden waren, nüchterner, an den Re¬<lb/> sultaten uninteressirter Prüfung zu unterziehen. Der Abschnitt, um den es<lb/> sich dabei handelt, ist das Zeitalter der französischen Revolution und jener<lb/> Coalitionen der deutschen Großmächte, welche Frankreich zu dem Gehorsam<lb/> unter den Willen des großen soldatischen Dictators zwangen, der in der<lb/> Folge Beherrscher unseres gesammten Continents wurde. Die zum Zweck<lb/> einer abschließenden, alle vorhandenen Lücken ausfüllenden Darstellung dieses<lb/> Zeitraums unternommenen archivalischen Forschungen des Verfassers umfassen<lb/> die Staatsarchive von Paris, Wien und Berlin. In der französischen Haupt¬<lb/> stadt wurden die Korrespondenzen des Wohlfahrtsausschusses und des Direc-<lb/> toriums und die Berichte der geheimen französischen Agenten in Oestreich<lb/> vorzugsweise berücksichtigt, in Berlin gewann Herr Hüffer Einsicht in die<lb/> Berichte Lucchesinis und des Residenten Caesar. Noch reichere Ausbeute<lb/> scheint das k. k. Hof- und Staatsarchiv Wiens geliefert zu haben, wo der<lb/> Versasser Gelegenheit hatte, die auf die Verträge von Leoben und Campo<lb/> Formio bezüglichen Correspondenzen einzusehen und theilweise abzuschreiben-<lb/> Diese beiden letztgenannten Friedensschlüsse und die denselben vorhergegange¬<lb/> nen Verhandlungen genau und nach den für die Paciscenten maßgebenden<lb/> Motiven kennen zu lernen, mußte für den Verfasser um so wichtiger sein,<lb/> als ihre Beurtheilung eigentlich für die gesammte Auffassung, auch der Ge-</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0504]
wegten, seien nicht praktisch-politischer, sondern theoretisch wissenschaftlicher
Natur, es handle sich bei uns nicht um Interessen, sondern um Principien
und Theorien. Diese Vorwürfe treffen schon seit geraumer Zeit nicht mehr
zu. Im Gegentheil: seit manchem Jahrzehnt befehden sich die beiden großen
politischen Parteien, in welche sich die Deutschen gespalten haben, um den
Kampf zwischen Preußen und Oestreich auszufechten. auf wissenschaftlich¬
historischem Gebiet mindestens ebenso erbittert und leidenschaftlich, wie in
der wirklichen Welt. Die gelesensten und verbreitetsten neueren Bücher über
deutsche Geschichte gelten dem Freund und Feind für Parteischriften, welche
aus den Händeln vergangener Zeit Material zur Bekämpfung lebender Gegner
zu gewinnen suchen, und jener „kräftige Wille", der nach Dahlmanns bekann¬
tem Ausspruch jede deutsche Geschichte zusammenhalten muß, „damit ihr neue¬
stes von demselben Sinn durchdrungen sei, der das Aelteste beseelte", — er
wird bei der Mehrzahl der Historiker unserer Zeit schon seit lange und nicht
selten in überreichen Maße gesunden.
Der Verfasser des oben genannten Buchs hat sich die Aufgabe gestellt,
ein Capitel aus der deutschen Vergangenheit, das Gegenstand besonders er¬
bitterter Parteikämpfe unserer Geschichtsschreiber gewesen, an der Hand neu
erschlossener Quellen zu revidiren und die einzelnen Momente desselben, welche
von der einen und der andern Partei vornehmlich als Argumente für die
Verurtheilung des Gegners benutzt worden waren, nüchterner, an den Re¬
sultaten uninteressirter Prüfung zu unterziehen. Der Abschnitt, um den es
sich dabei handelt, ist das Zeitalter der französischen Revolution und jener
Coalitionen der deutschen Großmächte, welche Frankreich zu dem Gehorsam
unter den Willen des großen soldatischen Dictators zwangen, der in der
Folge Beherrscher unseres gesammten Continents wurde. Die zum Zweck
einer abschließenden, alle vorhandenen Lücken ausfüllenden Darstellung dieses
Zeitraums unternommenen archivalischen Forschungen des Verfassers umfassen
die Staatsarchive von Paris, Wien und Berlin. In der französischen Haupt¬
stadt wurden die Korrespondenzen des Wohlfahrtsausschusses und des Direc-
toriums und die Berichte der geheimen französischen Agenten in Oestreich
vorzugsweise berücksichtigt, in Berlin gewann Herr Hüffer Einsicht in die
Berichte Lucchesinis und des Residenten Caesar. Noch reichere Ausbeute
scheint das k. k. Hof- und Staatsarchiv Wiens geliefert zu haben, wo der
Versasser Gelegenheit hatte, die auf die Verträge von Leoben und Campo
Formio bezüglichen Correspondenzen einzusehen und theilweise abzuschreiben-
Diese beiden letztgenannten Friedensschlüsse und die denselben vorhergegange¬
nen Verhandlungen genau und nach den für die Paciscenten maßgebenden
Motiven kennen zu lernen, mußte für den Verfasser um so wichtiger sein,
als ihre Beurtheilung eigentlich für die gesammte Auffassung, auch der Ge-
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