Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, I. Semester. II. Band.Sagen treten etruskische Dämonen, wie der grause Cherun, ein, und Eigenthümlich gestaltete sich dies Verhältniß in Apulien und Lucanien. Wie es nicht anders sein kann, stellen die wirklichen Versuche einer ein¬ Sagen treten etruskische Dämonen, wie der grause Cherun, ein, und Eigenthümlich gestaltete sich dies Verhältniß in Apulien und Lucanien. Wie es nicht anders sein kann, stellen die wirklichen Versuche einer ein¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0502" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/118034"/> <p xml:id="ID_1558" prev="#ID_1557"> Sagen treten etruskische Dämonen, wie der grause Cherun, ein, und<lb/> wo sich Inschriften finden, sind es etruskische. So zeigen diese scharf sich<lb/> absondernden und leicht kenntlichen Versuche einer einheimischen Vasenfabrika¬<lb/> tion uns um so deutlicher die Zusammengehörigkeit und den gemeinsamen<lb/> Ursprung der ihnen gegenüberstehenden Masse der griechischen Vasen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1559"> Eigenthümlich gestaltete sich dies Verhältniß in Apulien und Lucanien.<lb/> Erst spät fanden die bemalten Vasen hier Zugang, wurden aber sehr beliebt,<lb/> und man suchte, vielleicht auch weil die Fabrikation in Attika schon nach¬<lb/> zulassen anfing, dieselbe im Lande selbst zu entwickeln. Die Bevölkerung,<lb/> von deren inneren Verhältnissen, von deren Lebensweise und Bildung wir<lb/> leider nicht näher unterrichtet sind, scheint durch ihre Abstammung eine große<lb/> Empfänglichkeit für griechisches Wesen und die Fähigkeit, sich dasselbe anzu¬<lb/> eignen, besessen zu haben. Bei den dort gefundenen, meist mit großem Luxus,<lb/> mit einer freientwickelten Technik, aber auch flüchtig und ohne künstlerische<lb/> Hingebung ausgeführten Vasen treten zunächst die attischen Vorbilder in<lb/> allen wesentlichen Punkten unverkennbar hervor. Die Darstellungen, welche<lb/> der griechischen Sage angehören, erscheinen als übertragene, ohne wesentliche<lb/> Eingriffe, daneben aber gehen zahlreiche Vorstellungen aus dem Kreise des<lb/> täglichen Lebens. Und hier fehlen bei gleichen Mitteln der Darstellung alle<lb/> die eigenthümlichen Züge, welche sonst griechische, namentlich attische Sitten<lb/> und Lebensweise so anziehend charakterisiren, keine Inschriften auf schöne<lb/> Jünglinge und Mädchen; wir finden uns in einem ganz anderen Kreise von<lb/> Anschauungen, Gebräuchen, Gewohnheiten, in sich abgeschlossen und überein¬<lb/> stimmend, offenbar dem wirklichen nationalen Leben entlehnt, — aber für<lb/> uns vollkommen unverständlich, weil wir von jenen Lebensverhältnissen gar<lb/> nichts wissen. Aber was lebendig ist, das wirkt nothwendig auf eine Pro-<lb/> duction ein, die damit in natürlichem Zusammenhang steht, und so haben<lb/> auch die apulischen Vasenmaler herübergenommen, was sie als ein Fremdes<lb/> überkamen, die Gebilde der griechischen Sagen, ihr Leben jedoch haben sie<lb/> selbst gestaltet.</p><lb/> <p xml:id="ID_1560" next="#ID_1561"> Wie es nicht anders sein kann, stellen die wirklichen Versuche einer ein¬<lb/> heimischen Vasenfabrikation, welche die eingeführten griechischen Produkte<lb/> nachzubilden suchen, die Eigenthümlichkeiten dieser ihre Einheitlichkeit erst<lb/> recht ins Licht. Lebendig und anschaulich kann der echt griechische Charakter<lb/> derselben, und welch ein Stück griechischen Lebens wir in denselben besitzen,<lb/> erst werden, wenn man sich die Fülle der auf ihnen erhaltenen Darstellungen<lb/> vergegenwärtigt und sieht, wie dieselben mit allen Fäden der griechischen Kunst<lb/> und Cultur verwebt sind. Viele Hundert der Sage entlehnte Vcisengcmälde<lb/> geben uns eine Idee davon, welche unübersehbare Fülle von sinnreichen<lb/> und schönen Motiven Kunst und Poesie aus dem Schatz derselben gewonnen</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0502]
Sagen treten etruskische Dämonen, wie der grause Cherun, ein, und
wo sich Inschriften finden, sind es etruskische. So zeigen diese scharf sich
absondernden und leicht kenntlichen Versuche einer einheimischen Vasenfabrika¬
tion uns um so deutlicher die Zusammengehörigkeit und den gemeinsamen
Ursprung der ihnen gegenüberstehenden Masse der griechischen Vasen.
Eigenthümlich gestaltete sich dies Verhältniß in Apulien und Lucanien.
Erst spät fanden die bemalten Vasen hier Zugang, wurden aber sehr beliebt,
und man suchte, vielleicht auch weil die Fabrikation in Attika schon nach¬
zulassen anfing, dieselbe im Lande selbst zu entwickeln. Die Bevölkerung,
von deren inneren Verhältnissen, von deren Lebensweise und Bildung wir
leider nicht näher unterrichtet sind, scheint durch ihre Abstammung eine große
Empfänglichkeit für griechisches Wesen und die Fähigkeit, sich dasselbe anzu¬
eignen, besessen zu haben. Bei den dort gefundenen, meist mit großem Luxus,
mit einer freientwickelten Technik, aber auch flüchtig und ohne künstlerische
Hingebung ausgeführten Vasen treten zunächst die attischen Vorbilder in
allen wesentlichen Punkten unverkennbar hervor. Die Darstellungen, welche
der griechischen Sage angehören, erscheinen als übertragene, ohne wesentliche
Eingriffe, daneben aber gehen zahlreiche Vorstellungen aus dem Kreise des
täglichen Lebens. Und hier fehlen bei gleichen Mitteln der Darstellung alle
die eigenthümlichen Züge, welche sonst griechische, namentlich attische Sitten
und Lebensweise so anziehend charakterisiren, keine Inschriften auf schöne
Jünglinge und Mädchen; wir finden uns in einem ganz anderen Kreise von
Anschauungen, Gebräuchen, Gewohnheiten, in sich abgeschlossen und überein¬
stimmend, offenbar dem wirklichen nationalen Leben entlehnt, — aber für
uns vollkommen unverständlich, weil wir von jenen Lebensverhältnissen gar
nichts wissen. Aber was lebendig ist, das wirkt nothwendig auf eine Pro-
duction ein, die damit in natürlichem Zusammenhang steht, und so haben
auch die apulischen Vasenmaler herübergenommen, was sie als ein Fremdes
überkamen, die Gebilde der griechischen Sagen, ihr Leben jedoch haben sie
selbst gestaltet.
Wie es nicht anders sein kann, stellen die wirklichen Versuche einer ein¬
heimischen Vasenfabrikation, welche die eingeführten griechischen Produkte
nachzubilden suchen, die Eigenthümlichkeiten dieser ihre Einheitlichkeit erst
recht ins Licht. Lebendig und anschaulich kann der echt griechische Charakter
derselben, und welch ein Stück griechischen Lebens wir in denselben besitzen,
erst werden, wenn man sich die Fülle der auf ihnen erhaltenen Darstellungen
vergegenwärtigt und sieht, wie dieselben mit allen Fäden der griechischen Kunst
und Cultur verwebt sind. Viele Hundert der Sage entlehnte Vcisengcmälde
geben uns eine Idee davon, welche unübersehbare Fülle von sinnreichen
und schönen Motiven Kunst und Poesie aus dem Schatz derselben gewonnen
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |