Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, I. Semester. II. Band.nahm bei einem Gefäß zu eigenem Gebrauch das Lob einer beliebigen schönen Alle diese Inschriften sind auf die Gefäße gemalt und rühren also vom nahm bei einem Gefäß zu eigenem Gebrauch das Lob einer beliebigen schönen Alle diese Inschriften sind auf die Gefäße gemalt und rühren also vom <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0496" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/118028"/> <p xml:id="ID_1544" prev="#ID_1543"> nahm bei einem Gefäß zu eigenem Gebrauch das Lob einer beliebigen schönen<lb/> Person, die ihn nichts anging, in Kauf? Dazu kommt noch eine andere aus¬<lb/> fallende Erscheinung. Sehr häufig ist nämlich gar kein Name genannt, son¬<lb/> dern es heißt nur: „Schön ist der Knabe!" „Schön ist das Mädchen!"<lb/> Wenn heute auf Tassen, Tellern, Pfeifenköpfen statt bestimmter Namen zur<lb/> Auswahl zu lesen wäre „seinem N. N.!" „N. N. zum Namenstag!" wer<lb/> würde sie kaufen? Man muß demnach annehmen, daß solche Inschriften auf<lb/> die Vasen gesetzt wurden nicht der Bedeutung wegen, welche sie für den<lb/> Käufer hatten, der sie las und verstand, sondern sür Käufer, denen es darum<lb/> zu thun war, griechische Inschriften auf den Vasen zu finden, weil sie ein<lb/> Zeugniß für den echt griechischen Ursprung abgaben, wenn man sie auch gar<lb/> nicht oder nur halb verstand, wie heutzutage chinesische Zeichen auf Tusche,<lb/> türkische auf Rosenölfläschchen, englische und französische Fabrikstempel und<lb/> Devisen denen am meisten Beruhigung gewähren, die sie nicht verstehen. Da¬<lb/> durch erklärt sich auch die befremdliche Erscheinung, daß so häufig Inschriften<lb/> sich zeigen, die keinen Sinn geben, gar keine Wörter enthalten, sondern nur<lb/> aus willkürlich zusammengestellten Buchstaben gebildet werden und blos den<lb/> Schein griechischer Inschriften haben; für griechische Käufer eine unbegreifliche<lb/> Spielerei. Solche Vasen waren also in der großen Menge für den Export<lb/> gemacht; denn was in Masse fabricirt wurde, kam natürlich hie und da<lb/> auch wohl einmal auf den heimischen Markt.</p><lb/> <p xml:id="ID_1545" next="#ID_1546"> Alle diese Inschriften sind auf die Gefäße gemalt und rühren also vom<lb/> Maler her; es kommen aber auch mit einem spitzen Griffel eingekratzte In¬<lb/> schriften vor, meistens durch den Besitzer, der sein Eigenthumsrecht sichern<lb/> wollte, zum Theil mit bemerkenswerthen Zusätzen z. B. „Kephiso-<lb/> phon gehört die Schale, wer sie zerbricht, zahlt eine Drachme<lb/> (8 gr.), weil sie ein Geschenk eines guten Freundes ist", oder<lb/> „Ich bin ein Salbfläschchen der Tataia, wer mich stiehlt der er¬<lb/> blinde." Es ist ganz natürlich, daß auf Vasen, welche unter nicht griechi¬<lb/> scher Bevölkerung gefunden werden, diese eingekratzten Inschriften einhei¬<lb/> mische Schrift und Sprache, etruskische und osktsche, die ausgemalten die<lb/> griechische des Fabrikorts zeigen. Es finden sich aber noch eingekratzte In'<lb/> schriften anderer Art von besonderem Interesse. Man benutzte nämlich in<lb/> den Fabriken die Vasen, um in den noch nicht gebrannten, aber angetrock'<lb/> ueten Thon unter dem Fuß, wo es unbemerkt blieb, mancherlei kleine Ver¬<lb/> merke und Notizen zu flüchtigem Gebrauch einzukratzen. Zum Theil sind es<lb/> willkürliche Figuren, die an sich nicht bedeutend, aber so häufig und con«<lb/> stand wiederkehren, daß sie offenbar mit Absicht angebracht sind und eine<lb/> praktische Bedeutung für die Fabrikarbeiter haben mußten. Eben weil es<lb/> willkürlich gebildete Zeichen sind, deren Anwendung nur eine konventionelle</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0496]
nahm bei einem Gefäß zu eigenem Gebrauch das Lob einer beliebigen schönen
Person, die ihn nichts anging, in Kauf? Dazu kommt noch eine andere aus¬
fallende Erscheinung. Sehr häufig ist nämlich gar kein Name genannt, son¬
dern es heißt nur: „Schön ist der Knabe!" „Schön ist das Mädchen!"
Wenn heute auf Tassen, Tellern, Pfeifenköpfen statt bestimmter Namen zur
Auswahl zu lesen wäre „seinem N. N.!" „N. N. zum Namenstag!" wer
würde sie kaufen? Man muß demnach annehmen, daß solche Inschriften auf
die Vasen gesetzt wurden nicht der Bedeutung wegen, welche sie für den
Käufer hatten, der sie las und verstand, sondern sür Käufer, denen es darum
zu thun war, griechische Inschriften auf den Vasen zu finden, weil sie ein
Zeugniß für den echt griechischen Ursprung abgaben, wenn man sie auch gar
nicht oder nur halb verstand, wie heutzutage chinesische Zeichen auf Tusche,
türkische auf Rosenölfläschchen, englische und französische Fabrikstempel und
Devisen denen am meisten Beruhigung gewähren, die sie nicht verstehen. Da¬
durch erklärt sich auch die befremdliche Erscheinung, daß so häufig Inschriften
sich zeigen, die keinen Sinn geben, gar keine Wörter enthalten, sondern nur
aus willkürlich zusammengestellten Buchstaben gebildet werden und blos den
Schein griechischer Inschriften haben; für griechische Käufer eine unbegreifliche
Spielerei. Solche Vasen waren also in der großen Menge für den Export
gemacht; denn was in Masse fabricirt wurde, kam natürlich hie und da
auch wohl einmal auf den heimischen Markt.
Alle diese Inschriften sind auf die Gefäße gemalt und rühren also vom
Maler her; es kommen aber auch mit einem spitzen Griffel eingekratzte In¬
schriften vor, meistens durch den Besitzer, der sein Eigenthumsrecht sichern
wollte, zum Theil mit bemerkenswerthen Zusätzen z. B. „Kephiso-
phon gehört die Schale, wer sie zerbricht, zahlt eine Drachme
(8 gr.), weil sie ein Geschenk eines guten Freundes ist", oder
„Ich bin ein Salbfläschchen der Tataia, wer mich stiehlt der er¬
blinde." Es ist ganz natürlich, daß auf Vasen, welche unter nicht griechi¬
scher Bevölkerung gefunden werden, diese eingekratzten Inschriften einhei¬
mische Schrift und Sprache, etruskische und osktsche, die ausgemalten die
griechische des Fabrikorts zeigen. Es finden sich aber noch eingekratzte In'
schriften anderer Art von besonderem Interesse. Man benutzte nämlich in
den Fabriken die Vasen, um in den noch nicht gebrannten, aber angetrock'
ueten Thon unter dem Fuß, wo es unbemerkt blieb, mancherlei kleine Ver¬
merke und Notizen zu flüchtigem Gebrauch einzukratzen. Zum Theil sind es
willkürliche Figuren, die an sich nicht bedeutend, aber so häufig und con«
stand wiederkehren, daß sie offenbar mit Absicht angebracht sind und eine
praktische Bedeutung für die Fabrikarbeiter haben mußten. Eben weil es
willkürlich gebildete Zeichen sind, deren Anwendung nur eine konventionelle
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