Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, I. Semester. II. Band.Standpunkt als berechtigt gelten läßt; ohne in dieser Richtung das geringste In gewisser Hinsicht ging er übrigens, was die Frage der Trennung Prof, Baumgarten gerieth im Laufe dieser ersten Debatte auch in einen Praktischeren Einwand erhob Oberconsistorialrath Schwarz aus Gotha Der zweite Tag war der Autorität der Bibel gewidmet. Aber wenn Standpunkt als berechtigt gelten läßt; ohne in dieser Richtung das geringste In gewisser Hinsicht ging er übrigens, was die Frage der Trennung Prof, Baumgarten gerieth im Laufe dieser ersten Debatte auch in einen Praktischeren Einwand erhob Oberconsistorialrath Schwarz aus Gotha Der zweite Tag war der Autorität der Bibel gewidmet. Aber wenn <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0480" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/118012"/> <p xml:id="ID_1506" prev="#ID_1505"> Standpunkt als berechtigt gelten läßt; ohne in dieser Richtung das geringste<lb/> unaufrichtige Zugeständniß zu machen, kann er sich von Herzen mit aller<lb/> seiner gestählten und nicht zu entniuthigenden Kraft ihrem Feldzug gegen die<lb/> Uebergriffe hierarchischer Gewalt anschließen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1507"> In gewisser Hinsicht ging er übrigens, was die Frage der Trennung<lb/> des Staates von der Kirche betrifft, über alle anderen Redner hinaus. Er<lb/> gab der Forderung eine praktische Spitze: er meinte, Bremen sei der Ort dazu,<lb/> den Anfang zu machen. Die Pastoren Bulle und Manchot, zwei jener be¬<lb/> gabten und tapfern jüngeren Geistlichen der Stadt, entgegneten ihm ableh¬<lb/> nend. Sie fanden Augenblick und Lage dafür nicht günstig genug. Wenn<lb/> sie darin Recht haben, so mag es doch sein, daß beide bald hinreichend gün¬<lb/> stig sein werden. Es wäre ein schönes neues Blatt in Bremens Geschichte,<lb/> wenn es im Baterland dieses wichtige Beispiel gäbe.</p><lb/> <p xml:id="ID_1508"> Prof, Baumgarten gerieth im Laufe dieser ersten Debatte auch in einen<lb/> kirchengeschichtlichen Streit mit seinem Heidelberger College» Schenkel, dem<lb/> kampflustigen und vielseitig wirksamen eigentlichen Gründer des Protestanten¬<lb/> vereines. Baumgarten meinte nämlich, daß die Kirche die Hauptschuld treffe<lb/> für ihre zwei großen Verirrungen bei der^ Vermischung mit dem Staate zu<lb/> Constantins und zu Luthers Zeiten. In der Verhandlung behielt Baumgar- '<lb/> ten zufälliger Weise das letzte Wort, in der öffentlichen Meinung wird<lb/> Schenkel es behalten.</p><lb/> <p xml:id="ID_1509"> Praktischeren Einwand erhob Oberconsistorialrath Schwarz aus Gotha<lb/> — bekanntlich einender hellsten und bedeutendsten Köpfe des Protestanten¬<lb/> tags — gegen eine der Bluntschli'schen Thesen, welche die relativen Nachtheile<lb/> nationaler Glaubens-Einheit für die Politik eines Staates allzu stark hervor¬<lb/> zuheben schien. Schwarz suchte namentlich die Consequenzen abzuwehren,<lb/> welche man daraus etwa gegen das Streben nach evangelischer Union herleiten¬<lb/> könnte, worin sich Bluntschli hinterdrein mit ihm ganz einverstanden erklärte.<lb/> Die Tendenz der angefochtenen These war gegen die Ueberschätzung des Werthes<lb/> der Glaubenseinheit gerichtet und wies darauf hin, daß eine Mehrheit von<lb/> Kirchen in einer Nation für den Staat das Gute habe, ihn gegen die Ge¬<lb/> fahr kirchlicher Einflüsse auf seine Politik sicher zu stellen. Die Verständigung<lb/> hatte natürlich keine Schwierigkeiten.</p><lb/> <p xml:id="ID_1510" next="#ID_1511"> Der zweite Tag war der Autorität der Bibel gewidmet. Aber wenn<lb/> Bluntschli's meisterliche Einleitung am ersten Tage über das Mißverhältniß<lb/> ihrer Zeitdauer zur Diskusston gern hatte hinwegsehen lassen, so war nun das<lb/> Gegentheil der Fall bei der noch längeren des Prof Hanne aus Greifswald.<lb/> Zu der schwächeren Stimme, der minder ergreifenden Vortragsart kam eine<lb/> gewisse Halbschlächtigkeit und Unklarheit des Standpunkts, welchen der Be¬<lb/> richterstatter zu seiner Aufgabe einnahm, um ein abfälliges Urtheil ziemlich</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0480]
Standpunkt als berechtigt gelten läßt; ohne in dieser Richtung das geringste
unaufrichtige Zugeständniß zu machen, kann er sich von Herzen mit aller
seiner gestählten und nicht zu entniuthigenden Kraft ihrem Feldzug gegen die
Uebergriffe hierarchischer Gewalt anschließen.
In gewisser Hinsicht ging er übrigens, was die Frage der Trennung
des Staates von der Kirche betrifft, über alle anderen Redner hinaus. Er
gab der Forderung eine praktische Spitze: er meinte, Bremen sei der Ort dazu,
den Anfang zu machen. Die Pastoren Bulle und Manchot, zwei jener be¬
gabten und tapfern jüngeren Geistlichen der Stadt, entgegneten ihm ableh¬
nend. Sie fanden Augenblick und Lage dafür nicht günstig genug. Wenn
sie darin Recht haben, so mag es doch sein, daß beide bald hinreichend gün¬
stig sein werden. Es wäre ein schönes neues Blatt in Bremens Geschichte,
wenn es im Baterland dieses wichtige Beispiel gäbe.
Prof, Baumgarten gerieth im Laufe dieser ersten Debatte auch in einen
kirchengeschichtlichen Streit mit seinem Heidelberger College» Schenkel, dem
kampflustigen und vielseitig wirksamen eigentlichen Gründer des Protestanten¬
vereines. Baumgarten meinte nämlich, daß die Kirche die Hauptschuld treffe
für ihre zwei großen Verirrungen bei der^ Vermischung mit dem Staate zu
Constantins und zu Luthers Zeiten. In der Verhandlung behielt Baumgar- '
ten zufälliger Weise das letzte Wort, in der öffentlichen Meinung wird
Schenkel es behalten.
Praktischeren Einwand erhob Oberconsistorialrath Schwarz aus Gotha
— bekanntlich einender hellsten und bedeutendsten Köpfe des Protestanten¬
tags — gegen eine der Bluntschli'schen Thesen, welche die relativen Nachtheile
nationaler Glaubens-Einheit für die Politik eines Staates allzu stark hervor¬
zuheben schien. Schwarz suchte namentlich die Consequenzen abzuwehren,
welche man daraus etwa gegen das Streben nach evangelischer Union herleiten¬
könnte, worin sich Bluntschli hinterdrein mit ihm ganz einverstanden erklärte.
Die Tendenz der angefochtenen These war gegen die Ueberschätzung des Werthes
der Glaubenseinheit gerichtet und wies darauf hin, daß eine Mehrheit von
Kirchen in einer Nation für den Staat das Gute habe, ihn gegen die Ge¬
fahr kirchlicher Einflüsse auf seine Politik sicher zu stellen. Die Verständigung
hatte natürlich keine Schwierigkeiten.
Der zweite Tag war der Autorität der Bibel gewidmet. Aber wenn
Bluntschli's meisterliche Einleitung am ersten Tage über das Mißverhältniß
ihrer Zeitdauer zur Diskusston gern hatte hinwegsehen lassen, so war nun das
Gegentheil der Fall bei der noch längeren des Prof Hanne aus Greifswald.
Zu der schwächeren Stimme, der minder ergreifenden Vortragsart kam eine
gewisse Halbschlächtigkeit und Unklarheit des Standpunkts, welchen der Be¬
richterstatter zu seiner Aufgabe einnahm, um ein abfälliges Urtheil ziemlich
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |