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Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, I. Semester. II. Band.

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dargestellt haben, wir haben bei unseren Diatriben gegen Militärdespotie
und Junkerherrschaft übertrieben und wollen in Zukunft glimpflicher mit
diesen Leuten umgehen?" Das hieße die Fahne zerbrechen, unter welcher man
sich gesammelt hatte; die Massen würden auseinanderstieben oder andere
Führer suchen, aus deren Munde sie die alten Schlagworte vernehmen könnten.
Es wäre das mit anderen Worten ein politischer Selbstmord der particula-
ristischen Parteien oder doch ihrer Führer. Daß die heimgereisten Zollpar-
lamentsdeputirten in Schwaben und Baiern, das Hängen, Köpfen und Spie-
ßen des Nordhundes rücksichtslos fortsetzen werden, wissen wir schon gegen¬
wärtig ganz genau.

Darum predige man uns weder Frieden noch Waffenstillstand. Es be¬
darf des Aufgebots aller unserer Kräfte, damit im Süden das bisherige Ter¬
rain behauptet werde -- von weiterem Vordringen nicht zu reden. Daß es
so und nicht anders steht -- daran ist der Verlauf des Zollparlaments viel-
fach schuld.

Handelte es sich um eine regelmäßige Session in einem geregelten und
gefesteten Staatswesen, so könnte die nationale Partei auf die Session des
Zollparlaments mit einer gewissen Befriedigung zurücksehen. Sie könnte
Siege und Niederlagen gegen einander abwägen. Ist auch manches geschehen,
was man nicht gewünscht hat und manches unterblieben, was für noth¬
wendig erachtet wurde, so hat doch das Verhältniß sich gegen den Schluß
für die nationale Partei günstiger gestaltet, ihre Erfolge waren aufsteigend
und in der Frage der hessischen Weinsteuern hat sie einen entschiedenen Sieg
errungen. Was wollen aber die hessischen Weinsteuern in einem Augenblick
besagen, wo das ganze Verhältniß zwischen dem Nordbunde und den Süd-
stciaten noch einer Regelung bedarf. Ein Triumphruf, der auf diesen Erfolg
Bezug nimmt, würde der Satire gleichkommen.

Unsere Freunde hatten gehofft, unsere Feinde hatten gefürchtet, die erste
Sitzungsperiode des Zollparlaments werde uns dieser Regelung einen Schritt
näher führen. Das ist nicht geschehen und schon das ist gefährlich. Während
der letzten Jahre lag unsere Kraft vor allem in der Offensive: Schritt für
Schritt wurde der Beweis geführt, daß unsere Fortschritte zu den vorhan¬
denen Kräften im gehörigen Verhältniß standen. Jetzt scheint es, als wäre
für uns wieder die Aera der Resolutionen und Volksversammlungsbeschlüsse
eingetreten. Das Programm unserer Gegner ist von Hause aus defensiver
Natur gewesen, sie haben in der That schon Vortheile errungen, wenn sie
einen Angriff zurückschlagen. Soll die Mainlinie in unsere Verhältnisse
hineinwachsen oder soll sie nur ein Uebergangsstadium sein, das ist die
Frage, um die sichs im wesentlichen handelt. Wir müssen heute constatiren,
daß die Symptome für Abkürzung dieses Uebergangsstadiums durch die


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dargestellt haben, wir haben bei unseren Diatriben gegen Militärdespotie
und Junkerherrschaft übertrieben und wollen in Zukunft glimpflicher mit
diesen Leuten umgehen?" Das hieße die Fahne zerbrechen, unter welcher man
sich gesammelt hatte; die Massen würden auseinanderstieben oder andere
Führer suchen, aus deren Munde sie die alten Schlagworte vernehmen könnten.
Es wäre das mit anderen Worten ein politischer Selbstmord der particula-
ristischen Parteien oder doch ihrer Führer. Daß die heimgereisten Zollpar-
lamentsdeputirten in Schwaben und Baiern, das Hängen, Köpfen und Spie-
ßen des Nordhundes rücksichtslos fortsetzen werden, wissen wir schon gegen¬
wärtig ganz genau.

Darum predige man uns weder Frieden noch Waffenstillstand. Es be¬
darf des Aufgebots aller unserer Kräfte, damit im Süden das bisherige Ter¬
rain behauptet werde — von weiterem Vordringen nicht zu reden. Daß es
so und nicht anders steht — daran ist der Verlauf des Zollparlaments viel-
fach schuld.

Handelte es sich um eine regelmäßige Session in einem geregelten und
gefesteten Staatswesen, so könnte die nationale Partei auf die Session des
Zollparlaments mit einer gewissen Befriedigung zurücksehen. Sie könnte
Siege und Niederlagen gegen einander abwägen. Ist auch manches geschehen,
was man nicht gewünscht hat und manches unterblieben, was für noth¬
wendig erachtet wurde, so hat doch das Verhältniß sich gegen den Schluß
für die nationale Partei günstiger gestaltet, ihre Erfolge waren aufsteigend
und in der Frage der hessischen Weinsteuern hat sie einen entschiedenen Sieg
errungen. Was wollen aber die hessischen Weinsteuern in einem Augenblick
besagen, wo das ganze Verhältniß zwischen dem Nordbunde und den Süd-
stciaten noch einer Regelung bedarf. Ein Triumphruf, der auf diesen Erfolg
Bezug nimmt, würde der Satire gleichkommen.

Unsere Freunde hatten gehofft, unsere Feinde hatten gefürchtet, die erste
Sitzungsperiode des Zollparlaments werde uns dieser Regelung einen Schritt
näher führen. Das ist nicht geschehen und schon das ist gefährlich. Während
der letzten Jahre lag unsere Kraft vor allem in der Offensive: Schritt für
Schritt wurde der Beweis geführt, daß unsere Fortschritte zu den vorhan¬
denen Kräften im gehörigen Verhältniß standen. Jetzt scheint es, als wäre
für uns wieder die Aera der Resolutionen und Volksversammlungsbeschlüsse
eingetreten. Das Programm unserer Gegner ist von Hause aus defensiver
Natur gewesen, sie haben in der That schon Vortheile errungen, wenn sie
einen Angriff zurückschlagen. Soll die Mainlinie in unsere Verhältnisse
hineinwachsen oder soll sie nur ein Uebergangsstadium sein, das ist die
Frage, um die sichs im wesentlichen handelt. Wir müssen heute constatiren,
daß die Symptome für Abkürzung dieses Uebergangsstadiums durch die


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341807_362043/471>, abgerufen am 15.01.2025.