Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, I. Semester. II. Band.einige Freiheiten verweigerte, die jetzt als unerreichbar kaum discutirt wer¬ e*
einige Freiheiten verweigerte, die jetzt als unerreichbar kaum discutirt wer¬ e*
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0047" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/117579"/> <p xml:id="ID_157" prev="#ID_156" next="#ID_158"> einige Freiheiten verweigerte, die jetzt als unerreichbar kaum discutirt wer¬<lb/> den, in Wahrheit aber fiel die Julimonarchie, weil sie keine starke Regierung<lb/> im französischen Sinne war. Frankreich will eine Regierung, die nicht nur<lb/> alle berechtigten Interessen schützt, sondern auch das. Volk leitet, anspornt,<lb/> unterrichtet und daneben ihm eine hervorragende, ja die erste Stellung<lb/> in Europa sichert. Das hatte das Guizotsche Regiment nicht erreicht; es<lb/> versuchte weder die Freiheit durch Selfgovernment zu begründen, noch<lb/> konnte es sich zu einer gebietenden Stellung nach außen aufschwingen,<lb/> es erlitt vielmehr zahlreiche diplomatische Niederlagen und seine Siege<lb/> waren zweischneidige Siege der Intrigue, wie bei den spanischen Hei-<lb/> rathen. Louis Napoleon verstand, daß nach den Saturnalien der Republik<lb/> eine starke Negierung, ja daß das, was man in Frankreich un MuvLi'ne-<lb/> uent d. outrunee nennt, das erste Bedürfniß des Landes sei, er zog die<lb/> Zügel schärfer an und befriedigte die Nationaleitelkeit durch siegreiche Kriege,<lb/> glänzende Ausstellungen und gesteigerte materielle Entwicklung. Aber freilich<lb/> die Bedingung solchen persönlichen Regiments ist ununterbrochener Erfolg,<lb/> und seitdem Napoleon die polnische Frage in die Hand nahm, hat er.nur<lb/> Mißerfolge gehabt., Das kann, nicht so fortgehen, über kurz oder lang wird<lb/> ihn die Unzufriedenheit im Innern nöthigen, durch eine große militärische<lb/> Action, die letzten diplomatischen Niederlagen vergessen zu machen und eben<lb/> deshalb ist nichts darauf zu geben, wenn jetzt Minister und Moniteur die<lb/> Friedensschalmei blasen, das Capital glaubt diesen Versicherungen nicht,<lb/> grövc; <w riMW-d der Bank dauert fort, denn wenn das neue Armeegesetz<lb/> auch nicht unmittelbaren Krieg bedeutet, so macht es doch den Krieg leicht.<lb/> Augenblicklich fehlt dem Kaiser dazu ein Anlaß, welcher Frankreich gegen¬<lb/> über als eine Herausforderung ausgelegt werden könnte, er hat seine Kriege<lb/> nie ohne -Alliirte begonnen und seit dem prager Frieden sucht er vergeblich<lb/> eine Allianz. Das mag den Frieden für dies Jahr'.sichern, aber es beseitigt<lb/> nicht die eigentliche Gefahr, denn so wenig der Kaiser vielleicht jetzt aggresive<lb/> Absichten gegen Deutschland hat, so erklärt doch die französische Diplomatie<lb/> sehr bestimmt, man werde strict den prager Frieden zu wahren wissen, d. h.<lb/> einem weitern entschiedenen Schritte auf dem Wege der Vereinigung des<lb/> Südens mit dem norddeutschen Bunde entgegentreten. — Ein anderes be¬<lb/> denkliches Moment für den Frieden sind die französischen Finanzen; gewöhn¬<lb/> lich freilich nöthigt schlechte Wirthschaft im privaten, wie im öffentlichen Leben<lb/> zur Sparsamkeit und Enthaltung von unproduktiven Ausgaben, aber es gibt<lb/> Fälle, wo es umgekehrt geht, wenn nämlich die finanzielle Kraft eines Staates<lb/> «och nicht erschöpft ist, aber so angegriffen, daß es wünschenswerth wird,<lb/> die Aufmerksamkeit der Nation von der innern Kritik durch ein großes Unter¬<lb/> nehmen abzulenken. In diesem Falle befindet sich Frankreich, im erstern da-</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> e*</fw><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0047]
einige Freiheiten verweigerte, die jetzt als unerreichbar kaum discutirt wer¬
den, in Wahrheit aber fiel die Julimonarchie, weil sie keine starke Regierung
im französischen Sinne war. Frankreich will eine Regierung, die nicht nur
alle berechtigten Interessen schützt, sondern auch das. Volk leitet, anspornt,
unterrichtet und daneben ihm eine hervorragende, ja die erste Stellung
in Europa sichert. Das hatte das Guizotsche Regiment nicht erreicht; es
versuchte weder die Freiheit durch Selfgovernment zu begründen, noch
konnte es sich zu einer gebietenden Stellung nach außen aufschwingen,
es erlitt vielmehr zahlreiche diplomatische Niederlagen und seine Siege
waren zweischneidige Siege der Intrigue, wie bei den spanischen Hei-
rathen. Louis Napoleon verstand, daß nach den Saturnalien der Republik
eine starke Negierung, ja daß das, was man in Frankreich un MuvLi'ne-
uent d. outrunee nennt, das erste Bedürfniß des Landes sei, er zog die
Zügel schärfer an und befriedigte die Nationaleitelkeit durch siegreiche Kriege,
glänzende Ausstellungen und gesteigerte materielle Entwicklung. Aber freilich
die Bedingung solchen persönlichen Regiments ist ununterbrochener Erfolg,
und seitdem Napoleon die polnische Frage in die Hand nahm, hat er.nur
Mißerfolge gehabt., Das kann, nicht so fortgehen, über kurz oder lang wird
ihn die Unzufriedenheit im Innern nöthigen, durch eine große militärische
Action, die letzten diplomatischen Niederlagen vergessen zu machen und eben
deshalb ist nichts darauf zu geben, wenn jetzt Minister und Moniteur die
Friedensschalmei blasen, das Capital glaubt diesen Versicherungen nicht,
grövc; <w riMW-d der Bank dauert fort, denn wenn das neue Armeegesetz
auch nicht unmittelbaren Krieg bedeutet, so macht es doch den Krieg leicht.
Augenblicklich fehlt dem Kaiser dazu ein Anlaß, welcher Frankreich gegen¬
über als eine Herausforderung ausgelegt werden könnte, er hat seine Kriege
nie ohne -Alliirte begonnen und seit dem prager Frieden sucht er vergeblich
eine Allianz. Das mag den Frieden für dies Jahr'.sichern, aber es beseitigt
nicht die eigentliche Gefahr, denn so wenig der Kaiser vielleicht jetzt aggresive
Absichten gegen Deutschland hat, so erklärt doch die französische Diplomatie
sehr bestimmt, man werde strict den prager Frieden zu wahren wissen, d. h.
einem weitern entschiedenen Schritte auf dem Wege der Vereinigung des
Südens mit dem norddeutschen Bunde entgegentreten. — Ein anderes be¬
denkliches Moment für den Frieden sind die französischen Finanzen; gewöhn¬
lich freilich nöthigt schlechte Wirthschaft im privaten, wie im öffentlichen Leben
zur Sparsamkeit und Enthaltung von unproduktiven Ausgaben, aber es gibt
Fälle, wo es umgekehrt geht, wenn nämlich die finanzielle Kraft eines Staates
«och nicht erschöpft ist, aber so angegriffen, daß es wünschenswerth wird,
die Aufmerksamkeit der Nation von der innern Kritik durch ein großes Unter¬
nehmen abzulenken. In diesem Falle befindet sich Frankreich, im erstern da-
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